Briefe mit drei Seiten aus dem @KM_BW bedeuten in der Regel für eine #twkita nichts Gutes.
Dieser ist hier heute eingetrudelt.
Es geht um den Fachkraftschlüssel in BW.
Was der Inhalt bedeutet, erläutere ich im folgenden 🧵
Es wird länger. @SWRAktuellBW kann auch mitlesen.
Die obige Regelung sollte jetzt im August auslaufen. Sie wurde unter KM Eisenmann in die CoronaVO eingebaut:
Danach konnte eine Fachkraft auch durch eine (nicht näher definierte!) "geeignete Kraft" für bis zu acht Wochen ersetzt werden.
Für uns in der Krippe bedeutet das:
Statt zwei Fachkräften auf 10 Kinder brauchte es nur eine Fachkraft plus eine Zusatzkraft sein.
Die Regelung wurde dann klammheimlich unter KM Schopper in die normale KItaVO übernommen - eben befristet bis August.
Nun wurde sie um zwei Jahre(!) verlängert.
Im Brief wird wortreich beschrieben, dass die Regelung von gar nicht so vielen Kitas aktiv genutzt wurde.
Die Zahlen mögen stimmen, denn der Ersatz für bis zu acht Wochen muss angezeigt werden.
Zusätzlich(!) kann die Gruppengröße um zwei Kinder erweitert werden.
Im schlimmstmöglichen - aber legalen! - Fall bedeutete das: 12 Kinder unter 3 dürfen von einer Fachkraft und einer "irgendjemand"-Kraft acht Wochen lang betreut werden. Wer diese Kraft ist, wird nirgends definiert. Die Verantwortung liegt vor Ort in den Einrichtungen. 🤡
Baden-Württemberg brüstet sich noch mit seinem guten Personalschlüssel. Wo Fachkräfte fehlen (und wo fehlen keine?), sind aber die Regelungen, was rechtlich möglich ist, soweit ausgehöhlt, dass im schlimmsten Fall eine Fachkraft bei Kindern U3 auf 12 (regulär: 10) Kinder kommt.
1:12 oder 1:10 statt wie auf dem Papier 1 zu ca. 4 (Fachkraft-Kind-Relation).
Es ist völlig egal, dass nur wenige Einrichtungen diese Regelung bisher genutzt haben. Alleine, dass es möglich ist, zeigt, dass sich hier die Landespolitik sich aus jeder Verantwortung herauswindet.
Sie lädt sie auf die Basis ab:
Auf die Träger und die Kitas und deren Leitungen und Fachkräften, die das ausbaden müssen.
Unter diesen Umständen ist keine Bildung mehr möglich. Hier ist sogar der Kinderschutz gefährdet. Wie soll das funktionieren? Wie?!
Konkret bedeutet das:
Ich habe 10 Kinder unter 3 Jahren in einer Gruppe, zusätzlich ist z.B. noch eine (liebe, aber unerfahrene) FSJlerin in der Gruppe. Hier kann man nur noch Feuer löschen, aufpassen, dass niemand verunfallt, jeder "irgendwie" satt ist und "irgendwie" gewickelt ist.
Bedürfnisorientiert auf Kinder eingehen, ihre Sorgen und Ängste ernst nehmen, ins Gespräch gehen, trösten, sich beim Wickeln für das Kind Zeit nehmen - das geht so gar nicht mehr.
Realistisch gesprochen:
Man müsste (regelmäßig) Kinder in die Ecke setzen und weinen lassen.
Zusätzlich müssen in etlichen Einrichtungen immer noch hauswirtschaftliche Arbeiten "nebenbei" erledigt werden: Tische abwischen, Boden putzen nach dem Essen, Spülmaschine einräumen, Wäsche waschen.
Es wird in den Kindergärten (für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren) anders, aber im Grunde ähnlich aussehen.
Hier wird die politische Verantwortung für Bildung *und* Erziehung in der institutionellen Kindertagesbetreuung für weitere zwei Jahre nach unten abgegeben.
Das bedeutet: Ohne konkret politisch gesetzten Rahmen (denn dieser "wachsweiche" mit x Ersatzregelungen ist keiner!) dürfen sich jetzt Fachkräfte täglich mit den Träger und den Eltern auseinandersetzen, was für die Gruppe noch "verkraftbar" ist und was nicht.
Ich kann für mich sagen: Ich arbeite *so* nicht. Auch nicht einen Tag. Bisher war das so mit unserem Träger, der sehr kindzentriert denkt, abgesprochen.
In etlichen Einrichtungen wird das so nicht unbedingt der Fall sein.
Zudem kommt dann doch schnell Druck von Elternseite, so zu arbeiten, denn "es ist ja erlaubt"!
Warum sollte man es also nicht tun - vermutlich mit dem Vertrauen, dass das, was rechtlich ok ist, schon auch kindgerecht sein wird.
Baden-Württembergs "guter" Personalschlüssel, der immer wieder in den Medien herumgeistert, ist unter der Personalmangelsituation nichts mehr wert, wenn er so extrem ausgehöhlt wird.
Da wirken auch die schönen Worte am Ende sehr bitter:
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Es sieht eben immer nur nach "spielen" aus. Für uns pädagogische Fachkräfte ist es aber viel mehr als das - und leider sieht man es oft von außen nicht, was im Hintergrund passiert.
Ich nehme euch mit in 10 Minuten Kitaalltag.
Das Kind (knapp 2) hat angefangen, "Menschen" auf eine Legoplatte zu setzen.
Bewusst verwende ich nicht das im Schwäbischen typische "Männle", denn es sind auch Frauen dabei.
Ich begleite das Kind verbal und beschreibe wertungsfrei, setze aber absichtlich keine Spielimpuls bzw. gebe keine Richtung vor, weil ich weiß, dass das Kind es kognitiv und sprachlich selbst kann.
Die Presseinfo spiegel nicht das wider, was tatsächlich angedacht ist.
"Multiprofessionelle Teams" klingt toll, scheint aber zu bedeuten, dass Hilfskräfte (z.B. "Omas") und Köch*innen beim Fachkraftschlüssel(!) angerechnet werden! Das ist keine #kitaderzukunft, sondern absurd!
1/5 #twkita
Es gibt genau einen Weg aus dem Dilemma:
Man lässt das System der frühkindlichen Bildung platzen, steckt 15 Jahre Qualitätsarbeit weg und fokussiert sich nur auf Betreuung und Aufbewahrung. Das kann man machen, dann sollte man das bitte aber auch so benennen.
...
2/5 Was aktuell passiert ist, die Qualität auszuhöhlen - und zwar scheibchenweise.
Das ist in BW schon passiert mit vergrößerten Gruppen, absinkenden Fachkraftstandards, verkürzten Ausbildungen und wird gerade - vor allem von Städte- und Gemeindetag - massiv vorangetrieben.
3/5 "Oma Hilde" und die Köchin sollen jetzt zum Fachkraftschlüssel zählen? Wie wenig Ahnung kann man von Frühpädagogik haben um *so* etwas überhaupt zu fordern?
Ich habe etliche (Fach-)kolleg*innen, bei denen nicht mehr viel fehlt, dass sie den Job hinschmeißen.
"Die Aufsichtspflicht in der Kita muss immer gewährleistet sein."
Hört sich das für Eltern nicht beruhigend an?
Das Kind ist in der Kita versorgt, wird betreut und es ist sichergestellt, dass "nichts passiert".
Ein paar Beispiele - ein Thread.
Der Erzieher begleitet dein Kind durch die täglichen Wutanfälle oder die emotionalen Krisen, die es als Zweijährige hat.
Die Aufsichtspflicht ist gewährleistet, wenn dein Kind während des Wutanfalls in Sichtweite des Erziehers ist. Es bleibt evt. minutenlang schreiend alleine.
Das ältere, stärkere Kind nimmt deinem Kind das Spielzeug weg. Die Kinder werden während des Streits von der Erzieherin begleitet.
Die Aufsichtspflicht ist gewährleistet, wenn dein Kind nicht verletzt wird. Mit der Ungerechtigkeit muss es selbst klarkommen.