Ihr Lieben, letzte Woche ist dieses Buch "Sexkauf" erschienen. Und damit Ihr das nicht kaufen und lesen müsst, werde ich das jetzt nach und nach für Euch machen. Es wird stark beworben - Anti-Sexwork Journalistin G. Hesse hat Links zusammengetragen & Bildmaterial geliefert
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Ich habe auch schon aufgezeigt, wie ein Beitrag von Katrin Langhans im SPIEGEL vom 26. Juni fast ausschließlich aus dem Netzwerk rund um das Buch zitiert. Den meisten noch unbekannt ist diese neue Organisation gegen legale Sexarbeit - DIAKA. Mehr dazu hier menschenhandelheute.net/2023/06/30/der…
Ich werde versuchen, täglich ein oder zwei Punkte aus diesem Buch rauszusuchen und sie einzuordnen. Mein Eindruck bisher ist, dass auch im Buch das Bündnis Nordische Modell und die Mitglieder von DIAKA stark zitiert werden. Der Forschungsstand ist hingegen sehr selektiv rezipiert
Für diejenigen, die Uni-Sprech nicht kennen, heißt das: Die Autor*innen haben einfach nur die Leute und Texte rausgesucht und zitiert, die deren "Argument" (vermeintlich) stützen. All die Forschung, die negative Folgen von Verboten belegt, wird ausgeblendet oder verstellt.
#Sexkauflesen #1, S. 20 : "In Rezeption der weltweit vorliegenden empirischen Befunde gehen die int. Rechtsdokumente grundsätzlich davon aus, dass in vielen Teilen der Erde Prostitution zu überproportional vielen (Menschen-)Rechtsverletzungen, vor allem bei Frauen, führt." Image
Puh, falsch. Erstens rezipieren die Autor*innen diese "weltweit vorliegenden Befunde" nicht. Zweitens werden die "(Menschen-)Rechtsverletzungen" in der Forschung selten auf die Prostitution selbst zurückgeführt, sondern auf die negativen Folgen von Verboten, Ausgrenzung, Stigma.
Es geht direkt weiter mit: "Sie weisen eine überproportional hohe Sterblichkeitsrate auf, gemessen am Durchschnitt ihrer jeweiligen MitbürgerInnen." In den Fußnoten werden 3 Studien zitiert, zwei zu den USA (1970er-90er) und eine zu Kanada, 1984, u.a. academic.oup.com/aje/article/15…
Methodisch ist das ein schwieriger Move. Denn in den USA ist Sexarbeit vollständig kriminalisiert. Dass Sexarbeitende dort stärker Gewalt ausgesetzt sind, ist bekannt. Das ist eine direkte Konsequenz der Kriminalisierung, nicht der Sexarbeit.
Die Autor*innen meinen weiterhin, dass grundsätzlich die Prostitution für diejenigen, die sie anbieten, zum höchsten Lebensrisiko werden lässt". Nein, nicht die Prostitution, sondern ihre Illegalität. In den USA.
Diese Daten sagen nichts über Deutschland, Anno 2023 aus.
Nahtlos geht es weiter: "Nach der Einschätzung deutscher Innenbehördenvertreter ist Prostitution 'wegen unvergleichlich vielfältigen Gefahrenbereichen in summa die gefährlichste Tätigkeit überhaupt' (9)."

Zitiert wird in Fußnote 9 der 2. Vorsitzende von DIAKA, Helmut Sporer.
Dass Sporer (unkritisch) zitiert wird, ist nicht mehr nur methodisch fragwürdig, sondern manipulativ: Sporer vertritt als pensionierter Polizist keine Innenbehörde mehr. Als Mitglied von DIAKA vertritt er aber die Organisation, die diese Sexkauf-Studie initiiert hat.
Fazit für heute: Die Sexkauf-Autor*innen greifen Studien auf, deren Daten über einen vergangenen US-Kontext Auskunft geben. Eine differenzierte Analyse der Daten und des rechtlichen Kontexts, aus dem sie stammen, bleibt aus. Aber man verweist immerhin zweimal auf sich selbst.
Hier ein Beispiel für eine andere Schlussfolgerung aus den Daten, die hier z.B. für Großbritannien eine hohe Gewaltprävalenz zeigen. Stigmatisierung, Ausgrenzung, Vedrängung verursachen Verletzlichkeit. Nicht Sexarbeit.
https://t.co/8zlRVm1q0btheconversation.com/is-sex-work-st…
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#Sexkauflesen #2 Da ich heute eine sehr informative Interaktion mit Frau Hesse hatte (siehe: ) , gibt es heute einen Abschnitt, in dem sie direkt als Beleg zitiert wird, obwohl sie nicht wirklich gut rechercherien kann meiner Meinung nach. Der Abschnitt: https://t.co/FQk1NT2zD5
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Sowieso ist dieser Abschnitt interessant, wenn man sich die Fussnoten anschaut. Erstens, ganz oben habe ich gelb markiert, wo ich einen Beleg erwartet hatte. Danach kommt nur Presse und Prostitutionsgegner, darunter Mack und das Buch selbst. Ziemlich oft zitiert man sich selbst
Der zitierte Spiegel-Text von Frau Hesse ist übrigens nicht mal ein Bericht, sondern ein Protestbrief. Also keine Ahnung, was das in einer wissenschaftlichen Studie zu tun hat. In der Medienwissenschaft wäre das der Untersuchungsgegenstand, nicht der Beleg. Image
#Sexkauflesen #3: Wer sind die Autor*innen? Beginnen wir mit Jakob B Drobnik, Jakub B. Drobnik in der polnischen Variante. Laut DIAKA (erinnern wir uns: die Anti-Prostitutionsorganisation, dessen Gründungsmitglied Hageney die Studie mitinitiiert hat) macht Drobnik das: "Seit 2023 arbeitet er als Projektleiter im Bereich Menschenhandel an der Adam Mickiewicz-Universität Posen, wo er seit 2017 Völkerrecht, internationales Handelsrecht, Patent- und Zivilrecht lehrt."
In diesem Profil wird vor allem die Tätigkeit im rechtswissenschaftlichen Bereich hervorgehoben. Auch wird gesagt, dass er zu Menschenhandel arbeitet. Hier fehlen allerdings viele Informationen, die Arbeit zu Menschenhandel ist nirgends zu finden.
In erster Linie ist Drobnik promovierter Theologe (promoviert hat er bei der Ko-Autorin der Studie, Elke Mack, ebenfalls Theologin). Die Doktorarbeit trug den Titel "'Neuer Mensch.' Christozentrischer Personalismus bei Johannes Paul II." Der Verlag ist unbekannt. Image
Auf der archivierten Profilseite der Uni Erfurt (aktuell ist die Profilseite deaktiviert) lernen wir, dass Drobnik während der Promotion auch ein Jura-Studium absolviert hat (in Polen). Er ist Theologe und Rechtswissenschaftler. Von Forschung über Prostitution keine Rede. Image
Tatsächlich ist auch auf seiner Profilseite der Uni Posen kein Hinweis auf relevante Publikationen zu finden: Dort finden wir tatsächlich Wirtschaftsrecht und einen Text zur EU-Asylpolitik. Darin zitiert er auch den Papst als Argument. Image
Drobnik hat knapp 200 der 320 Seiten Text verfasst und ist somit de facto der Hauptautor, obwohl er nicht mal als Herausgeber genannt ist. Den Abschnitt in meiner ersten Kritik von #Sexkauflesen #1 hat er geschrieben.
Ich habe viele Fragen: Warum schießt sich ein katholischer Theologe auf Sexarbeit ein? Wie steht Herr Drobnik zu anderen Themen, wie Schwangerschaftsabbruch und LGBTIQ? Gehört er zum konservativen Milieu in Polen, das versucht, eine konservative Geschlechterpolitik durchzusetzen?
Relativ einfach und kurz ist das Profil von Ulrich Rommelfanger. Hier sehen wir eine zwar beachtliche Vita, aber auch nach längeren Recherchen habe ich keine frühere Beschäftigung mit Sexarbeit gefunden. https://t.co/s0ZstkPuE2verfassungsrecht-anwalt.de/vita.html
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Heraussticht, dass er in den frühen 2000ern Bürgermeister von Kornwestheim (BW) für die CDU war und damit auch eine Baden-Württemberg connection hat, wie so viele aus dem Umfeld der Verbotsbefürworter*innen. Angenehm schien er nicht gewesen zu sein spd-kornwestheim.de/meldungen/nur-…
Im Buch hat Rommelfanger um die 60 Seiten (von 320) verfasst und zwar das Kapitel "Prostitution unter den Aspekten der Menschenwürde, des
Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des Gleichheitssatzes und der
Berufsfreiheit derProstituierten"
Christliche Sozialwissenschaften und Christliche Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Sie hat viel gesschrieben zu christlicher Sozialethik (inkl Prostitution) uni-erfurt.de/katholisch-the…
Schon 2014 hat Mack einen text zu Prostitution als Menschenrechtsproblem geschrieben. Der Text beginnt ziemlich offen mit der These, dass die christliche Ablehnung von nicht-ehelicher Sexualität auch ein Verbot der Prostitution rechtfertige.
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Wir haben es hier also mit einer radikal-konservativen katholischen Hardlinerin zu tun, die extrem konservative, christliche Vorstellungen von Sexualmoral für die ganze Gesellschaft fordert und offen meint, dass auch eine säkulare Gesellschaft diese Normen annehmen müsse.
Im Buch Sexkauf schreibt Mack ebenfalls um die 60 Seiten zum Thema "Das Prinzip der Menschenwürde in der Prostitution". Sie hat sich die Mühe gemacht, ihre Thesen zu nicht-ehelicher Sexualität nicht mehr so prominent zu platzieren.
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Oct 15, 2023
Der Idealismus der Prostitutionsgegner*innen, man könne Prostitution durch Arbeits- und Vergütungsverbote abschaffen, ist nich nur naiv, er schadet auch massiv allen Prostituierten, die nur noch als unmündige "Objekte", als "Ware" und verfallene Körper behandelt werden.
Wer gegen Prostitution kämpft, stellt sich meist als guten, empathischen Menschen dar, der angeblich nur den armen Frauen helfen will. Aber de facto verbreiten sie Vorurteile über Prostituierte, die angeblich weder leben, denken noch entscheiden können, wie andere Menschen auch.
Diese Leute fordern "Aussteigsangebote" für Prostituierte, übersehen dabei aber oft, dass Prostituierte immer schon auch andere Jobs gemacht haben und sehr wohl wissen, dass das oft schlechte und schlecht bezahlte Tätigkeiten sind. Das ist alles keine rosarote HäppyWörk!
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Aug 29, 2022
Die Organisator*innen der Veranstaltung und ihre Unterstützer*innen framen das jetzt natürlich so, dass da "Betroffene" mundtot gemacht werden und Aussteiger*innen nicht sprechen und über Prostitution informieren dürfen. So ganz stimmt das halt auch nicht. 1/
Ausgerichtet wurde die Veranstaltung vom Verein Sisters e.V. Der Verein wurde 2015 gegründet. Das war die Hochphase der Verhandlung des Prostituiertenschutzgesetzes. Zu den Gründerinnen gehören u.a. die SPD Politikerin Leni Breymaier und die Sozialarbeiterin Sabine Constabel. 2/
Nicht 100% gesichtert ist, dass auch Alice Schwarzer eine der Mitgründerinnen ist. Öffentlich verteidigt sie den Verein auch schon mal gegenüber dem Investigativ-Team der ZEIT. Nichts schlimmes dabei, wären da nicht die Seitenhiebe gegen @hydra_berlin emma.de/artikel/wenn-d… 3/
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Apr 23, 2022
Gestern gab es 'ne Sendung zu #Prostitution in @ndr mit Huschke Mau, die ein Vergütungsverbot für sexuelle Dienstleistungen fordert, weil sie glaubt, dass Sex gegen Geld geächtet werden soll. Leider ist sie gegangen, ohne auf die Kritik an diese Forderung einzugehen. 1/x
Zu Beginn der Sendung ging es darum, wie Huschke Mau mit 18 vom deutschem Sozialsystem im Stich gelassen wurde. Das ist ein wichtiger Punkt auch für diese Forderung. Denn dieses Problem wird durch ein Vergütungsverbot von Sexarbeit nicht mal annähernd gelöst. 2/x
Sowieso: Wenn Armut, soziale Ausgrenzung, Gewalterfahrungen in der eigenen Familie das Problem sind, dann hat das alles streng genommen nichts mit #Sexarbeit/#Prostitution zu tun. Ein Prostitutionsverbot schafft die Armut nicht ab, es löst keines dieser Probleme. 3/x
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Jan 13, 2021
Die Emma verbreitet mal wieder Falschbehauptungen in ihrem Kampf gegen selbstbestimmte und legale #Sexarbeit. Es gibt Gesetze gegen Menschenhandel und Zuhälterei. Wenn es dort Mangel gibt, liegt e snicjt am Prostitutionsgesetz. Informieren Sie sich beim @KOK_eV
Geführt hat die EMMA ein Interview mit Helmut Sporer, einem Ex-Polizisten aus Augsburg, der sich dem Kampf gegen Sexarbeit verschrieben hat. Ähnlich wie Manfred Paulus, auch pensionierter Polizist, nutzen sie ihre angebliche Expertise um Stimmung gegen Sexarbeit zu machen.
Sporer kritisiert das Prostituiertenschutzgesetz, weil z.B. keine "regelmäßige Gesundheitsuntersuchung oder die Altersgrenze von 21 Jahren" eingeführt wurde. Im Klartext heißt das: Er möchte Zwangsuntersuchungen wieder einführen, obwohl diese heute als menschenrechtswidrig gelten
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