Thread by @Frau_Semm

Das #morgenmagazin der @ARDde erzählt heute von einem Friseur, der sich darüber beschwert, dass das Bürgergeld zu hoch sei. Da wolle ja keiner mehr bei ihm arbeiten. Warum wir alle aber meinen, dass das Gehalt, das in der Branche gezahlt wird, okay ist, (und dass es nicht okay 2/

2/ ist), darüber redet keiner. Warum Fachkräften nur der Mindestlohn oder ein Lohn knapp darüber gezahlt wird, das interessiert niemanden. Das zieht sich durch unser komplettes Leben - ein Schrank voll nichts anzuziehen, aber für ein T-Shirt nicht mehr als 5 Euro 3/

3/ zahlen wollen; der gesamte Einzelhandel und Dienstleistungssektor hat die Wahl zwischen Sparen an Personalkosten oder Preise erhöhen - also spart man an den Personalkosten, denn Kosten an den Kunden weitergeben geht gar nicht, da kommt ja keiner mehr. Und ich weiss, 4/

4/ dass es Leute gibt, die unser Sozialsystem ausnutzen, die gab's schon vor vierzig, fünfzig Jahren. Ich weiss, dass es Leute gibt, die Sozialhilfe kassieren und gleichzeitig schwarz arbeiten, ja ich weiss das alles. Und ich finde es so ungerecht denen gegenüber, die die 5/

5/ Sozialhilfe wirklich brauchen. Der, dem der Vorwurf zurecht gemacht wird, brät sich üblicherweise ein Ei drauf, den interessiert das nicht. Aber die Leute, die wirklich fühlen, dass sie der Solidargemeinschaft auf der Tasche liegen, die eingeschränkt sind, die nicht anders 6/

6/ können, als Bürgergeld zu beantragen und dann auch zu beziehen, die sind es, an denen diese Art der Berichterstattung nagt. Das regt mich so gewaltig auf. Als ob sofort jeder Bürgergeldbezieher sofort in einen Friseurladen, ein Einzelhandelsgeschäft, einen Paketlieferdienst 7/

7/ oder dergleichen vermittelt werden könnte. Oder im Frühjahr/Sommer zum Spargel stechen oder Erdbeeren pflücken geschickt werden könnte. Ich habe neulich schon einmal gesagt, ich hätte da gerne mal die Statistiken gesehen. Jetzt gehe ich noch etwas weiter: 8/

8/ Ich möchte gern mindestens einen Bericht über Leute sehen, die Bürgergeld zurecht und aus gutem Grund beziehen. Einfach mal, um der unterschwelligen Botschaft "Alle Bürgergeldbezieher sind faule Säcke, die nicht arbeiten wollen" eine Kleinigkeit entgegenzusetzen. 9/

9/ Und dann wäre ein sehr offener, ehrlicher Bericht darüber, warum immer dann, wenn es finanziell eng wird in unserer Republik, das "Sparpotenzial" im sozialen Bereich so groß herausgestellt wird. Ich wüsste ja wirklich gerne mal, wo neben diesem "Potenzial" Möglichkeiten 10/

10/ für Einnahmen vorhanden sind. Wenn du, lieber Leser, mir jetzt die rosa Sozialistenbrille vorwerfen willst, durch die ich Bürgergeldempfänger sehe: Spar's dir. Wie oben erwähnt, mir ist die Tatsache des Missbrauchs bekannt. Trotzdem sehe ich diese "Diskussion" als 11/

11/ Nebelkerze, die vom eigentlichen Problem ablenken soll: Unsere Regierung hat eine Finanzlücke und keine Ahnung, wie sie sie schließen soll. Und das nervt! (Fertig)

Und den hätte ich gern unrolled: @threadreaderapp unroll