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Jan 27 8 tweets 2 min read Read on X
Wie jedes Jahr am 27. Januar erinnere ich daran, was dieses Datum bedeutet. Es ist der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Die internationale Gemeinschaft begeht an diesem Tag ihre eigene Rolle, und fragt sich diskreterweise nicht,
warum die Befreiung der Lager nicht höhere Priorität hatte, warum zB die Gleise nach Auschwitz nicht bombardiert wurden. Und warum Überlebende der Lager von den Briten in Zypern wiederum in Lager gesperrt wurden, und anderswo in DP-Lager.
Man könnte alle möglichen Fragen zum Thema internationale Gemeinschaft und Vernichtung der Juden stellen an diesem Tag. Aber es ist bequemer, sich an diesem Tag selbst zu versichern, dass man zu den Guten gehört.
In Israel wird der Holocaust-Gedenktag an einem Tag des jüdischen Kalenders begangen, am 27. Nissan, der in den späten April oder frühen Mai fällt. Das war die Zeit des Warschauer Ghetto-Aufstands (das Datum sollte nicht mit Pessach kollidieren).
Der volle Name des Gedenktags ist "Tag der Shoah und des Heldentums", um ausdrücklich jüdischen Widerstand mit einzuschließen. Das entspricht der israelischen Entschlossenheit, nie wieder Opfer zu sein.
Im internationalen Gedenktag erscheint das jüdische Volk als passives Opfer, das von den Alliierten befreit wurde. Es ist eine paternalistische Sicht auf Juden, die immer noch in vielen politischen Reden zu finden ist. "Unsere Juden", aber auch die mahnend-kopfschüttelnde
Haltung Israel gegenüber, wenn das Land sich verteidigen will, statt in einer passiven Opferpose zu verharren.
Im israelischen Gedenktag spielt Widerstand und Wille zur Selbstbehauptung eine große Rolle, das jüdische Volk erscheint als Opfer großen Unrechts, aber es überlebt.
Der 27. Januar sagt: ihr armen Juden, das war nicht okay, aber wir retten euch.
Der 27. Nissan sagt: wir können uns auf niemanden verlassen als auf uns selbst.
Überspitzt? Ja.
Zieht eure eigenen Schlüsse und denkt darüber nach, was die Shoah für euch bedeutet.

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Jan 10
Erkennt ihr ihn? Das ist Aharon Barak, Überlebender des Holocaust, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofs in Jerusalem. Standhaft gegen alle Versuche, die Justiz zu politisieren, so sehr, dass viele ihn im Verdacht hatten, er politisiert sie von der anderen Seite.
Es gibt kaum einen Vorwurf, der ihm nicht an den Kopf geworfen wurde, besonders von Netanyahu-Fans. Netanayhu selbst soll ihn immer respektiert haben, leider hat er es so selten laut gesagt, dass ich es erst jetzt von Journalisten gehört habe.
Der Mann ist Jahrgang 1936 und längst im Ruhestand. Wohin fliegt er?
Nach den Haag. Dort wird er morgen sein Land gegen den Vorwurf des Völkermords verteidigen, der von der pro-palästinensischen Seite erhoben wird.
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Dec 12, 2023
Das zugrundeleliegende Mißverständnis treffe ich nicht nur bei diesem User an, darum eine allgemeinere Antwort.
Ein jüdischer Staat ist ein Staat für das jüdische Volk, so wie der deutsche Staat ein Staat für das deutsche Volk ist. Das bedeutet nicht,
daß andere nicht willkommen sind. Die nichtjüdischen Minderheiten haben dieselben Rechte wie die jüdische Mehrheit.
Wer Judentum nur als Religion begreift, ist von der christlichen Auffassung beeinflußt. Religion als Konfession,
die man annimmt oder ablegt. Ethno-religiöse Identitäten funktionieren anders. Juden, Drusen und Eziden werden als solche geboren. Die moderne Trennung von Nation und Religion gab es noch nicht, als diese Völker sich formten.
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Nov 13, 2023
Auch aus Humanitätsgründen. Israel hat viel Wissen über Gaza, und hat eine "Zielbank" erarbeitet, also Ziele, die beschossen werden dürfen, weil sie militärische Bedeutung haben. Das wird auch juristisch abgesegnet. Überdies hat jeder Pilot u Soldat das Recht, abzubrechen,
wenn Zivilisten in der Gegend sind. Es gibt unzählige Mitschnitte von Gesprächen mit der Kommandozentrale, wo Soldat o Pilot sagen: hier sind zu viele Menschen, wir brechen ab, um keine Unbeteiligten zu treffen.
Hamas weiß das. Sonst hätte die ganze Strategie mit den Schutzschilden ja keinen Sinn, wenn Israel Zivilisten nicht grundsätzlich als schützenswert sähe. Es würde ja nicht gegen jede Armee helfen.
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Nov 10, 2023
Trotzdem hagelt es Verurteilungen von allen Seiten. Verurteilungen auch aus Ländern, die im Irak, in Afghanistan oder sonstwo wesentlich weniger penibel waren. Wir begraben täglich Soldaten, die für den Schutz der Zivilisten gefallen sind, und werden verurteilt, als hätten
wir diese Zivilisten als menschliche Schutzschilde mißbraucht. Und nicht die Hamas.
Ich möchte mich dagegen verhärten, wie ungerecht und heuchlerisch die Welt urteilt, aber unter der Wucht der ständig neuen Namen der Gefallenen ist das unmöglich.
Welche Armee hat je so viele Maßnahmen ergriffen wie IDF, um feindliche Zivilisten zu schützen? Wohlgemerkt Zivilisten, die Hamas gewählt haben und von denen viele jubelnd u mordend durch die Kibbuzim gezogen sind.
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Oct 30, 2023
Ein Aspekt der Dagestan-Ereignisse, den ihr nicht übersehen dürft: was haben die Dagestaner im Flieger eigentlich in Israel gemacht? Sie haben kranke Kinder, die in Israel medizinisch behandelt wurden, und kehrten nun nach Hause zurück.
Will ich euch etwa erzählen, daß die entmenschten Israelis muslimischen Kindern aus recht fernen Ländern medizinische Hilfe leisten? Davon habt ihr ja bestimmt noch nie gehört, kann das sein?
Ja, das ist Tatsache. Bis zum 7.10. wurden täglich in israelischen Krankenhäuser Kranke aus dem Gazastreifen behandelt, oft von Israelis chauffiert u unterstützt (einige dieser Israelis sind jetzt gekidnappt als Dank).
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Oct 29, 2023
Es ist schwer zu beschreiben, wie tief der Graben ist, der uns von dem alten Leben trennt. Was habe ich vor einem Monat getan? Es war Sukkot, das Laubhüttenfest, wir haben im Kindergarten schön gefeiert und abends bei einer Kollegin.
Es ist nicht nur die Sorge um Geiseln und Soldaten, das tiefe Entsetzen vor der Grausamkeit und Unmenschlichkeit, das Erschrecken über den offen und triumphal zur Schau gestellten Judenhaß in so vielen Ländern.
Es ist nicht nur die Sorge um die Sicherheit und Unversehrtheit aller, die ich kenne und liebe, und die Angst vor der nächsten Eskalationsstufe, die jederzeit kommen kann.
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