Paar Gedanken zur Aktion von Sellner/Junge Tat letzten Samstag (🧵)
1. Was an so einer Aktion geschieht, ist nicht zufällig.
Es ist eine sorgfältig vorbereitete Geschichte, die extra für die Medien geschrieben wurde.
Das fängt beim Gummiboot an und hört bei der Festnahme auf.
2. Weil diese Geschichte spezifisch für die Medien konstruiert ist, sind Medien, die über eine solche Aktion berichten, nicht unabhängige Beobachter:innen.
Sie sind Teil der Aktion.
3. Das gilt insbesondere fĂĽr Bildmaterial. Journalist:innen, die Bilder und Videos einer rechtsextremen Aktion verbreiten, befinden sich nicht auf einer Metaebene.
Sie informieren nicht ĂĽber die Aktion. Sie sind die Aktion.
4. Das betrifft auch soziale Medien. Social-Media-User, die Bilder und Videos einer rechtsextremen Aktion verbreiten, sind nicht unbeteiligte Zuschauer:innen.
Sie sind Teil der Aktion.
Auch dann, wenn sie die Bilder verbreiten, um sich ĂĽber die Rechtsextremen lustig zu machen.
5. Ein Ziel dieser Aktionen war es, den Begriff "Remigration" in den allgemeinen Sprachgebrauch zu bringen.
Jedes Medium und jede:r User:in, die dieses Wort verwenden, machen sich zu einem Teil der Aktion.
(Auch, wenn man das Wort braucht, um sich lustig zu machen.)
5.1 Wie unglaublich effektiv das ist, sieht man schon nur daran, dass ich das Wort auch gerade benutzen musste, um ĂĽber die Sache zu sprechen. Dieser stete Gebrauch normalisiert den Begriff.
6. Eine Aktion wie jene vom vergangenen Samstag hat nicht von sich aus Relevanz. Erst die Berichterstattung und das Echo in den sozialen Medien machen sie relevant.
6.1 Wer als Journalist:in ĂĽber ein Thema berichten will, findet fast immer einen Grund, warum es relevant sein soll.
Dass man fĂĽr die Relevanz eines Thema Argumente findet, kann darum kaum ein Gradmesser sein fĂĽr die Frage, ob man eine Geschichte bringen sollte.
7. Medien und Aktivist:innen haben zum Teil parallele Interessen. Beide profitieren vom Spektakel.
Das macht es fĂĽr Aktivist:innen recht einfach, eigene Inhalte in den Medien zu platzieren.
(Source: Been there, done that)
8. Wenn der reichste Mann der Welt auf eine rechtsextreme Aktion Bezug nimmt, dann hat das ein einziges Ziel: Der rechtsextremen Aktion Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Medien, die diese Bezugnahme als News vermelden, machen sich zum Teil der Aktion.
8.1 Die spannende Frage bzgl Musk wäre ja: Wieso interessiert sich der reichste Mann der Welt für einen österreichischen Rechtsextremen? Und wie hat er überhaupt von diesem Tweet erfahren?
9. Selbstverständlich müssen Medien über solche Begriffe und Ereignisse berichten.
Es ist aber eine konstante Gratwanderung und sollte nicht leichtfertig passieren.
9.1 Gerade bei Ereignisberichterstattung wie sie am Samstag von jedem grösseren Medium gemacht wurde, ist es kaum möglich, nicht Teil der Aktion zu werden.
Was an diesem Tag passierte, war fast zu 100% in der Hand von Sellner/JT.
9.2 Das gilt auch für die Festnahme. Die Rechtsextremisten konnten zwar nicht mit Sicherheit wissen, dass diese stattfinden würde. Ihre Möglichkeit war aber fix eingeplant. Man schaue sich nur mal an, wie sich Sellner freut und wie JT-Corchia das ganze mit der Kamera begleitet.
10. Egal wie fest man als Journalist:in eine objektive, unabhängige Vogelperspektive einnehmen will - bei derartigen Aktionen ist man Teil des Spiels.
Man kann solche Dinge nicht beobachten, ohne den Beobachtungsgegenstand damit zu verändern.
The observer changes the outcome.
11. Das einfach paar Gedanken dazu, als Person, die in verschiedenen Rollen schon auf beiden Seiten des Medien-Games stand.
Ă„hnliche Ăśberlegungen dĂĽrften anwendbar sein auf die SVP, AfD, FPĂ–, Trump und viele mehr.
11.1 Dringender Lesetipp dazu: "Radikalisierter Konservatismus" von @Natascha_Strobl
12. Steinkauz
(Als Auflockerung, Belohnung fĂĽrs Fertiglesen, alter Witz und weil sĂĽsse Tiere auch eine Art Spektakel sind, das Aufmerksamkeit verschafft)
12.1 Das Bild im ersten Tweet zeigt das "Handbuch der Kommunikationsguerilla" von Luther Blisset und Sonja BrĂĽnzels. Es ist ein Standardwerk des Medienaktivismus und in diesem Zusammenhang als Symbolbild praktisch, weil Tweets mit Bildern mehr Aufmerksamkeit bekommen.
13. Hier paar Anschauungsbeispiele aus Schweizer Medien:
Die letzten Wochen haben mein Vertrauen in journalistische Standards hart erschĂĽttert.
Jeden Tag sehe ich falsche/unbelegte Behauptungen. Von Journis unhinterfragt verbreitet, ohne jedes GespĂĽr fĂĽr Verantwortung
🧵mit paar Beispielen
(Bild: Mein Gesichtsausdruck seit 4 Wochen)
Ein aktuelles Beispiel ist die 'Crisis Actor'-Erzählung. Dass also schlimme Szenen, Tote, Verletzte bloss von Schauspieler:innen inszeniert würden.
Diese Erzählung wird oft anhand von Bildern verbreitet, auf denen angeblich zu sehen ist, wie sich vermeintliche Tote bewegen, o.ä.
Ich mache seit vier Wochen kaum was anderes, als Medieninhalte verschiedenster Art zu diesem Konflikt zu konsumieren.
Bis jetzt habe ich noch nie auch nur einen einzigen halbwegs glaubwĂĽrdigen Fall gesehen, wo solche Schauspiel-Behauptungen plausibilisiert oder gar belegt wurden
"Dies [...] führt bei der Polizei zur ernsthaften Befürchung und Annahme, dass Sie [...] ein Attentat ausführen könnten"
Das sagte ein Zürcher Polizist zu Simon Bucher, nachdem dieser einen jungen Antirassisten mit 5 Messerstichen fast getötet hatte (🧵) republik.ch/2022/10/06/ein…
Bucher ist Anhänger von 'White Supremacy'- und Incel-Gedankengut und bezeichnet sich selber als Rassist. Er sehnt sich nach einem Rassenkrieg und ist fasziniert von rechtsextremen Terroristen wie Brenton Tarrant, der in Christchurch 51 Menschen erschoss und die Tat livestreamte.
Das 87-seitige Manifest von Brenton Tarrant hatte Bucher nur elf Stunden nach dem Anschlag im Internet aufgespürt und - so steht es in den Akten - vollständig durchgelesen.
Auch nach den Anschlägen von El Paso und Hanau hatte er die Manifeste nach wenigen Stunden vor sich.
Ein paar Worte zur Entführung des EKIF-Präsidenten:
1. Ja, ein Zusammenhang zur Coronabewegung drängt sich auf. Ein solcher ist aber noch keineswegs gesichert. Bisher ist kein klarer verschwörungsideologischer Hintergrund des Täters bekannt.
2. Der einzige bisher bekannte "Hinweis auf Verbindungen in die Szene der Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner" (Zitat NZZ) ist der Geschäftspartner des Täters, welcher Anhänger der Flat-Earth-Erzählung ist.
Stellenweise verbreitete dieser auch Falschinformationen zur Coronapandemie. Das Thema scheint aber trotz der grossen Bedeutung nicht sein Fokus zu sein. Auch an der Coronademo in Liestal vom 20.3.21, an welcher er teilgenommen hat, widmete er sich vor allem dem Flat-Earth-Thema.