Sara Hassan Profile picture
May 15 19 tweets 3 min read Read on X
Leute, ich hatte ja wirklich keine Lust mehr auf Twitter, aber dieses Gerede über Gerüchte, die Existenzen vernichten könnten, lockt mich doch wieder hinterm Ofen hervor. Eine Einordnung:
Prinzipiell mal ein kleiner Reminder, dass wir immer noch im Patriarchat leben, es sehr schwer ist, entsprechende Konsequenzen für Belästigung zu erreichen und Täter:innen, über die nicht nur Gerüchte, sondern handfeste Fälle bestens bekannt sind, fest im Sattel sitzen.
Dann: Wenn es ein Gerücht über einen Belästigungsfall gibt, _müssen_ Arbeitgeber:innen jedenfalls aktiv werden. Handelt es sich bei den potentiell Betroffenen um Mitarbeiter:innen, haben AG Fürsorgepflicht und müssen dem nachgehen, sonst machen sie sich potentiell haftbar.
Handelt es sich bei den potentiell Betroffenen um Dritte, müssen AG ebenfalls prüfen, was es damit auf sich hat, wenn es einen Konnex zum Dienstverhältnis gibt, allein schon, um eigene Interessen zu schützen, und um klären zu können, ob es Disziplinarverfahren braucht.
Ohne Verdacht darf eine Person jedenfalls nicht in Verdacht gebracht werden. Einem Gerücht wird im Idealfall dabei so nachgegangen: Es wird mit Betroffenen und evtl. Zeug:innen, sowie mit vermeintlichen Täter:innen gesprochen, weitere Informationen eingeholt, Daten gesichert.
Stellt sich dann heraus, dass das Gerücht falsch ist, passiert - oh Wunder - nichts. Stellt sich heraus, dass das Gerücht stimmt und das Fehlverhalten gravierend genug ist, kann es einen Entlassungsgrund darstellen. Dann war das Problem aber das VERHALTEN, nicht das Gerücht.
Handelt es sich bei Betroffenen um Mitarbeiter:innen, hat der AG die Pflicht, in den folgenden fünf Schritten Abhilfe zu leisten: 1) Fall nachgehen 2) Erste Abhilfe schaffen 3) Sachverhalt aufklären 4) Nachforschung/ggf. Anpassung der Abhilfe 5) Nachbearbeitung
AG können dabei je nach Intensität des Falls ermahnen, verwarnen, versetzen, freistellen, oder kündigen. Die Maßnahme muss jedenfalls die betroffene Person auf Dauer vor weiteren Übergriffen schützen, gleichzeitig darf sie aber nicht überschießend sein.
Dass jemand wegen eines Gerüchts also kurzerhand gekündigt würde, ohne dass der AG in irgendeiner Form nachgeprüft und verhältnismäßige Schritte gesetzt hätte, ist nicht nur quasi unvorstellbar sondern wäre auch unzulässig.
Viel eher ist es der Fall, dass berufliche Existenzen von Betroffenen ruiniert werden, die als Störenfriede gebrandmarkt werden, wenn sie auf Belästigung aufmerksam machen und deren Fälle oft erst damit enden, wenn sie den Arbeitsplatz verlassen.
In diesem Sinne ist es eine absolute Verdrehung der Realität, der Machtstrukturen, und der Maßnahmen, die in Kraft sind, wenn hier jetzt davon fantasiert wird, dass Existenzen von belästigenden Personen vernichtet würden, die gar nicht mehr wüssten, was sie überhaupt noch dürften
Übrigens, weil das offenbar nicht mehr alle ganz parat haben dürften, kann jede Interaktion, die konsensuell begonnen hat, nicht mehr konsensuell werden.
Die Verantwortung für eine Grenzüberschreitung liegt bei der handelnden Person und nicht jener, die einer anfänglich konsensualen Dynamik zugestimmt hat. Warum weiß es das Gleichbehandlungsrecht und ihr nicht? Grüße von der Gleichbehandlungsanwaltschaft gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/unser-angebot/…
Image
Und Newsflash: Frauen dürfen flirten und es sich jederzeit anders überlegen, wenn es nicht mehr passt. Nichts davon rechtfertigt, bedrängt zu werden und ganz ehrlich Leute, wer sich immer noch nicht zu schäbig ist für "she asked for it", kann straight zurück in die 50-er.
Zudem finde ich es mehr als bedenklich, dass hier ohne mit der Wimper zu zucken einer haltlosen Idee von professioneller Existenvernichtung die Bühne geboten wird, wenn es ein sehr klares arbeitsrechtliches Prozedere dazu gibt und offenbar entsprechende Maßnahmen gesetzt wurden.
Ich verstehe nicht, warum hier ungeschaut von einer faktischen oder potentiellen Vernichtung einer Existenz geschrieben wird, ohne sich anzuschauen, welche Auswirkungen das in der Realität tatsächlich haben kann und hat.
Zumindest einer der großen Aufhänger der Geschichte, hier wäre Belästigung erfunden und eine Existenz mutwillig gefährdet worden, scheint mir in diesem Licht fragwürdig. Laut Falter wurde unpassendes Verhalten festgestellt und mit einer Disziplinarmaßnahme quittiert.
Arbeitsrechtlich wäre die Sache damit erledigt. Warum wird dann die, vor diesem Hintergrund mMn haltlose, Panik einer Person, bei der offenbar Fehlverhalten festgestellt wurde, vor einer Existenzgefährdung ins Treffen geführt und zum Angelpunkt der Geschichte gemacht?
Und wäre es nicht möglich und wichtig gewesen, das entsprechend einzuordnen und einer solchen Panik die Tatsachen entgegenzustellen? Ich denke, das hätte diese Geschichte in ein anderes Licht gerückt.

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Sara Hassan

Sara Hassan Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Don't want to be a Premium member but still want to support us?

Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Or Donate anonymously using crypto!

Ethereum

0xfe58350B80634f60Fa6Dc149a72b4DFbc17D341E copy

Bitcoin

3ATGMxNzCUFzxpMCHL5sWSt4DVtS8UqXpi copy

Thank you for your support!

Follow Us!

:(