Die AfD gilt als Gewinnerin der Landtagswahlen. Wie lässt sich ihr Ergebnis erklären und wo schneidet die Partei besonders gut ab? Ich habe dazu Strukturdaten & Wahlergebnisse zusammengetragen und am Beispiel Sachsens einige statistische Modelle gerechnet. Ein Thread. 🧵👇
Wie zu erwarten, schneidet die AfD insbesondere in den Gemeinden besonders gut ab, in denen sie schon 2019 viel Unterstützung erhielt (linke Abbildung). Bei den Zugewinnen im Vergleich zur letzten Wahl sieht das Muster jedoch nicht so klar aus (rechte Abbildung).
Anders gesagt: Weder gibt es eine stärkere Mobilisierung in den bestehenden Hochburgen der Partei, noch erzielt die AfD dort besonders hohe Stimmenzuwächse, wo sie 2019 noch eher schwächer abschnitt.
In einem nächsten Schritt wollen wir uns anschauen, welche Merkmale besonders stark mit höherer AfD-Unterstützung zusammenhängen. Vor allem gestern wurde häufig thematisiert, dass AfD-Wähler ihre wirtschaftliche Lage als besonders schlecht einschätzen.
Dass das wahrscheinlich eher subjektive Wahrnehmungen widerspiegelt als objektiv schlechte Lebensverhältnisse, zeigen auch die folgenden Abbildungen. So korreliert eine niedrigere Kaufkraft pro Kopf nur eher schwach mit lokal höherer Unterstützung und Zugewinnen für die AfD.
Auch zwischen größerer lokaler Arbeitslosigkeit und höheren AfD-Wahlergebnissen gibt es in Sachsen kaum einen Zusammenhang 👇. Vielmehr sind andere Variablen deutlich besser dazu geeignet, zu erklären, wo die AfD besser abschneidet und wo eher nicht.
Dies zeigen zumindest die Ergebnisse zweier multivariater Regressionsmodelle, in denen der Einfluss verschiedener Strukturmerkmale auf den AfD-Stimmenanteil und die Zugewinne der Partei zur letzten Landtagswahl 2019 untersucht wird.
Wie die Abbildung zeigt, erhält die AfD vor allem dort höhere Unterstützung, wo ein hoher Anteil der lokalen Bevölkerung keinen akademischen Abschluss aufweist. Diese Variable hat auch einen sehr starken Einfluss auf die Zugewinne der Partei gegenüber 2019 (rechter Teil).
Andersherum betrachtet, sind der AfD-Stimmenanteil und die Zuwächse im Vergleich zu 2019 dort eher niedriger, wo es einen höheren Anteil an Menschen mit akademischen Abschlüssen gibt. Ein solcher Zusammenhang fand sich auch bei der letzten Europawahl.
In Gegenden mit höherem Katholikenanteil & einem größeren Bevölkerungsanteil über 65 Jahren ist die AfD, wie zu erwarten, schwächer. Das Modell zeigt auch, dass bei Kontrolle anderer Strukturmerkmale die lokale Kaufkraft keinen signifikanten Effekt auf das AfD-Ergebnis hat.
Eine höhere Arbeitslosenquote ist übrigens in beiden Modellen sogar negativ mit einem höheren AfD-Stimmenanteil und Zugewinnen der AfD assoziiert. Eine steigende Bevölkerungsentwicklung korreliert zudem, wie zu erwarten, aber nur schwach mit einem schlechteren AfD-Ergebnis.
Ebenfalls ist erkennbar, dass die AfD-Zuwächse dort geringer ausfallen, wo es einen höheren Anstieg an Wahlbeteiligung gab. Auch wenn bekannt ist, dass die AfD häufig in der Lage ist Nichtwähler zu mobilisieren, war das diesmal auch für die CDU und das BSW der Fall.
Darüber hinaus zeigt sich im Modell, wie schon bei vorherigen Wahlen, ein starker Zusammenhang mit früheren Wahlergebnissen der NPD. Hier gemessen über das NPD-Wahlergebnis von 2004, als die Partei erstmals in den sächsischen Landtag einziehen konnte.
In Gemeinden, in denen die NPD 2004 besser abschnitt, erhält die AfD also signifikant höhere Unterstützung (rechts). Allerdings sind dies nicht die Gegenden, in denen die AfD gegenüber 2019 Stimmzuwächse erzielen kann und sich ihr Unterstützungszuwachs speist (links).
Auch hier zeigte sich ein ähnliches Muster schon bei den jüngsten Europawahlen. 👇
Letztlich habe ich mir für die AfD oberflächlich die bekannte These des "räumlichen Abgehängtseins" angeschaut. Verschiedene Indikatoren zur Messung der Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie eine schlechte ÖPNV-Anbindung, korrelieren nur schwach mit dem lokalen AfD-Ergebnis.
Vielen Dank fürs Lesen!
Da gefragt wurde, gibt's das ganze jetzt auch für Thüringen:
Ende letzter Woche gab es Kritik an diesem Post. Ich habe deshalb nochmals Befunde zu sozial- und wirtschaftspolitischen Einstellungen der AfD-Wählerschaft zusammengetragen. Ebenfalls habe ich zu diesem Thema Surveydaten der GLES und des Allbus ausgewertet. Ein langer Thread.🧵
Ein wesentlicher Kritikpunkt war, dass der hier genannte Begriff „Ungleichheitspolitik“ diffus ist und möglicherweise mit Antipathie behaftet sein könnte. Vielmehr sollte man deshalb konkretere sozialpolitische Einstellungen und Präferenzen von AfD-Wählern betrachten.
Ein klassisches Item zur Messung von Umverteilungspräferenzen & Einstellungen zum Sozialstaat ist die Haltung zu höheren Steuern/Sozialleistungen versus niedrigeren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat diese Frage von 2020 bis 2024 durchgängig gestellt. kas.de/de/monitor/det…
Hamburg hat gewählt. Mit kleinräumigen Sozialstrukturdaten habe ich einen Blick auf die räumlichen Unterschiede im Wahlverhalten der Hansestadt geworfen. Wo haben die Parteien ihre Hochburgen, und wie lassen sich diese charakterisieren? Ein Thread. 🧵👇
Die SPD hat in Hamburg immer noch eine Art Volksparteicharakter und ist breit in der Stadt verankert. Das geografische Profil ist deshalb eher diffus. Die SPD ist eher in Stadtteilen mit älterer Bevölkerung erfolgreich und schwächer in Gegenden mit teuren Eigentumswohnungen.
Die CDU-Unterstützung in einem Stadtteil korreliert (wirklich) sehr stark mit der Anzahl an PKWs pro Kopf. Zudem ist die Partei stärker in Gegenden mit einem höheren Bevölkerungsanteil über 65 und höheren Einkommen. Die Arbeitslosenquote ist hingegen negativ mit dem CDU-Ergebnis korreliert.
Deutschland hat gewählt, und die AfD gilt als die große Siegerin. Wie lässt sich ihr Ergebnis einordnen, und welche geografischen Merkmale prägen ihre Unterstützung? @A_Hudde und ich haben das AfD-Zweitstimmenergebnis in den 299 Wahlkreisen ausgewertet. Ein Thread. 🧵👇
Betrachten wir zunächst die AfD auf der Wahlkarte: Wie schon 2021 erzielt die AfD generell bessere Ergebnisse in ostdeutschen Wahlkreisen. Substanzielle Zugewinne zur letzten Wahl erzielt die AfD allerdings nicht nur dort, sondern auch in vielen westdeutschen Gegenden.
Auffallend sind größere Zugewinne vor allem in der Pfalz, in industriell geprägten Gegenden von Schwaben und Baden in Baden-Württemberg, sowie in Ostfriesland. Die vielen kleinen und hellere Flecken auf der Karte zeigen dass AfD-Zugewinne in Großstädten eher geringer ausfallen.
The last General Election has seen much talk about Reform UK's popularity in so-called 'left-behind places, characterized by socioeconomic deprivation. Looking at variation in deprivation levels across the UK's constituencies suggests this pattern exists, but only partially. A short thread. 🧵
The map on the left displays Reform UK's vote share in the 2024 election in all constituencies where it fielded a candidate. The map on the right displays the Index of Multiple Deprivation (IMD), capturing deprivation in income, employment, education, health, housing, crime, and living environment.
The UK's IMD is created by respective government statistical agencies. A higher score on this index implies higher levels of deprivation (darker coloring). Looking at the two maps, there appears to be a substantial overlap between higher deprivation and higher support for Reform.
A commonly held notion is that Germany's far-right party AfD is especially successful in the country's more rural areas. However, a look at the party's election results in over 10,000 municipalities suggests that the link between rurality and AfD support is rather diffuse.🧵👇
1) The two maps below display the AfD election result in the 2021 federal election, and the local population density, a common measure for rurality/urbanity. At first glance, it is indeed apparent that the AfD is much more popular in rural areas than in large urban hubs like Hamburg or Munich.
2) We get a more differentiated perspective when we combine these maps. Rural areas with high AfD support are colored in dark blue, while urban areas with low AfD support are colored light red. Urban areas with high AfD support are colored in dark red, rural areas with low AfD support in light blue.
In der Diskussion um ein AfD-Verbotsverfahren wird immer wieder die gespaltene & diffuse öffentliche Meinung zu dieser Frage thematisiert. Wie eine Allensbach-Umfrage von 1951 zeigt, war dies auch beim damaligen Verbotsverfahren der sozialistischen Reichspartei (SRP) der Fall.🧵
Im Juni 1951, kurz nachdem die damalige Adenauer-Regierung die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die SRP beschloss, hielten nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten die Partei für „radikal“. Fast ebenso viele stuften sie einfach als „rechte Partei“ ein. Beachtliche 20 % konnten hier keine Einstufung geben.
Die Haltung, dass es sich bei der SRP um eine radikale Partei handele, war insbesondere bei Anhängern der SPD präsent. Unter Anhängern der damaligen Koalitionsfraktionen gab es diese Auffassung mehrheitlich nur unter FDP-Anhängern, während Anhänger von Union/DP gespalten waren.