table media berichtet, die AfD wolle bei der Bundestagswahl vermehrt auf die Themen Rente und Wohnen setzen, um ehemalige SPD-Wähler:innen abzugreifen.
Nun ist die Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD Thema meiner Habilitation, daher ein 🧵.
(Im Blog: ) florisbiskamp.com/2024/10/16/ein…
Spätestens seit 2017 (gelegentlich auch schon vorher) hört man, die AfD wolle sich "ökonomisch links" orientieren, also für einen aktiv intervenierenden und umverteilenden Staat eintreten (nur für echte Deutsche versteht sich).
Doch obwohl seither in der Partei so manche Debatte geführt wurde, ist bislang auf Programmebene nichts dergleichen passiert.
In der Steuer- und Haushaltspolitik verfolgt man mit konsequent neoliberaler Rhetorik (im engen Sinne des Wortes) einen regelrecht "staatsfeindlichen" Kurs, der sich nach Luckes Abgang eher noch verschärfte -- und der sogar die FDP links wirken lässt.
Die FDP gibt sich mit der Verhinderung von Steuererhöhungen und der Erhaltung der Schuldenbremse zufrieden. Die steuerpolitischen Vorschläge der AfD würden dagegen deutlich auf eine Minderung der Einnahmen und eine Umverteilung von unten nach oben hinauslaufen
(auch wenn die Partei oft behauptet, es gehe ihr um die "Mitte").
Die haushaltspolitischen Vorschläge laufen (gerade in Kombination mit dieser Steuerpolitik) auf ein Aushungern des Staates hinaus.
Im Grundsatzprogramm stehen unter anderem die Forderung nach einer Steuer- und Abgabenbremse, nach der Tilgung von öffentlichen Schulden (eine Forderung, die radikaler ist als die schwarze 0) und nach der Einführung eines Straftatbestandes der Steuerverschwendung.
In der Rentenpolitik hat die AfD eine jahrelange intensive Debatte hinter sich, in der elaborierte Konzepte aller Art zirkulierten.
Einige (Frohnmaier, Meuthen) waren hart marktradikal, zumindest einer (aus Thüringen) war zwar nativistisch exkludierend und ausgeprägt familistisch, aber für das "eigene Volk" mit "traditioneller Familie" in der Tat ziemlich egalitär in Ton und Inhalt.
Nach Jahren einigte sich die Partei 2020 dann auf ein "rentenpolitisches Konzept". Und was steht drin? Nichts von rentenpolitischer Substanz.
Man prophezeit über 23 Seiten in dramatischem Ton den Zusammenbruch des Rentensystems aufgrund der demografischen Entwicklung, macht aber anstatt substanzieller Reformvorschläge nur acht für das Gesamtsystem marginale Vorschläge, die auf ein Weitermachen wie bisher hinausliefen.
Zu den zentralen Kenngrößen (Rentenniveau, Beitragssatz, Renteneintrittsalter) schweigt man sich elegant aus (wohl weil sich diese nach der Demografiepanik-Logik des Dokuments auf sehr unpopuläre Weise verändern müssten, was viele in der Partei auch wissen).
In der Arbeitsmarktpolitik gab es in der Tat eine Veränderung. 2013 und 2014 war man hier sehr liberal (auch in Hinblick auf Arbeitsmigration), stellte dann aber in einigen Belangen auf einen nativistischen Sozialprotektionismus um.
Als sich herausstellte, dass der Mindestlohn populär ist, bekannte man sich zu ihm. In einigen Programmen will man etwas gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse tun. Vor allem will man ausländische Arbeitskräfte vom deutschen Arbeitsmarkt fernhalten (rentenpolitisch gewagt).
In der Wohnungsbaupolitik spricht man sich unter anderem gegen sozialen Wohnungsbau aus und will stattdessen lieber Wohngeld (letzteres ist u.U. eine gute Sache, im Endeffekt aber eine Subvention für Vermieter:innen).
Meiner Einschätzung nach wird der programmatische Kurs der Partei nur zu einem geringen Teil strategisch zur Ansprache der Zielgruppe entwickelt und in hohem Maße durch die Meinungen der Aktiven in der Partei bestimmt -- und von denen sind viele durch und durch ordoliberal.
Das sah man z.B. 2023 auf dem Europaparteitag in Magdeburg, als die zuständigen Ausschüsse sich dafür aussprachen, endlich die Befürwortung eines "Wettbewerbs der Steuersysteme" durch die Ablehnung von "Steuerdumping" zu ersetzen -- gut, wenn man kein Race to the Bottom will.
Allerdings ließ die Mehrheit der Parteitagsdelegierten dies durchfallen. Bei den Differenzen in der Partei gibt es einen verbreiteten Irrglauben: Die "Völkischen" seien "ökonomisch links" und die Marktliberalen seien "moderat". Nichts von beidem stimmt.
Die allgemeine Radikalität und die sozioökonische Positionierung treten in der Partei in allen Kombinationen auf.
(Auch wenn es um Höcke, Pohl und Kaiser ein starkes Lager gibt, dass gemessen am Rest der Partei zum einen allgemein radikaler und zum anderen staatsinterventionistisch-umverteilend argumentiert).
Man sollte sich nicht zu viele Hoffnungen machen, dass eine öffentliche "Entlarvung" dieser Positionen Wähler:innen abschreckt, die für die AfD stimmen, obwohl deren Programm gegen ihre "objektiven Interessen" ist.
Die Umfragedaten sagen, dass die meisten AfD-Wähler:innen ein eben solches ökonomisches Programm wollen (und die anderen ziehen vll. eh gerade zu BSW).
Dennoch bin ich sehr gespannt auf die Strategie, mit der die AfD bei diesen Positionen ehemalige SPD-Wähler:innen begeistern will. (Mag allerdings eh alles nur ein PR-Stunt sein.)
Es sind ziemlich genau die Worte, nach denen ich seit etwa sechs Jahren suche (bis dahin war mein Blick auf Nahost einigermaßen dogmatisch-ambivalenzvermeidend), die aufzuschreiben mir aber das Wissen bzw. die Zeit zum Erarbeiten des Wissens fehlte.
Es gelingt Avner Ofrath unglaublich gut, die Überdeterminiertheit des Konflikts aufzuarbeiten:
Bin mir nicht sicher, ob es lustig oder traurig ist, wie #FDP und #CDU gerade mit Halbwahrheiten lügen, indem sie mit inflationsverzerrten Zahlen argumentieren.
Kleiner 🧵
In den Tagesthemen rühmt sich @christianduerr von der FDP damit, dass seine Partei bzw. ihr Finanzminister Christian Lindner die Schuldenquote gesenkt und somit den Haushalt konsolidiert habe. Die Schuldenquote ist in der Tat gesunken, aber vor allem aufgrund der Inflation.
@christianduerr Die Schuldenquote errechnet sich als Quotient aus Gesamtverschuldung und nominalem Bruttoinlandsprodukt. Erstere wird von der Inflation kurzfristig nicht beeinflusst, letzteres steigt mit der Inflation.
Seit dem Wochenende, an dem ich Bundesparteitag und Europawahlversammlung der AfD in voller Länge verfolgt habe, ist mir wirklich flau im Magen.
Ich habe im Falle der AfD bisher auf das Attribut „faschistisch“ verzichtet – nun nicht mehr. Ein 🧵 zum #AfDBPT23.
Ich habe auf das Attribut "faschistisch" verzichtet, weil ich den Begriff zu oft für unterbestimmt, im Falle der Gesamtpartei AfD für nicht zutreffend und tendenziell für rhetorische Kraftmeierei hielt.
Insbesondere waren mir die Befürwortung politischer Gewalt, die Betonung militärischer Männlichkeit, der Wille zum Bruch mit der liberaldemokratischen Ordnung und die positive Darstellung der faschistischen Vergangenheit in der Gesamtpartei nicht hinreichend ausgeprägt.
Geht weiter. Eher uninspirierte Eröffnungsrede von Weidel mit den üblichen, nicht ganz kohärenten Talking-Points (Brandmauern sind undemokratisch, aber es braucht ein Bollwerk gegen links-grün).
Unter dem Tweet kommt ein Thread Livemeldungen, wenn es was Relevantes gibt.
Heute wird es vor allem um die Kür von Kandidat:innen für die Europawahlen 2024 gehen. Spannend wird erst einmal, ob jemand Maximilian "Echte Männer sind rechts" Krah die Spitzenkandidatur streitig machen will.
Schmankerl aus der Rede. "Und die AfD ist die einzige Partei, die konservative Partei der Freiheit und des Unternehmertums und der Arbeitnehmer. Wir sind die Partei der Steuerzahler in diesem Land." Sie vergaß zu sagen, dass sie auch noch die Partei der Rentner und Kinder ist.
Endlich wieder mal ein Bingewatching-Wochenende: In zwei Stunden beginnt der AfD-Parteitag und ich hoffe sehr, dass das Finale wieder so ebenso unterhaltsam wird wie in der letzten Staffel.
Rede von Chrupalla erstmal langweilig staatsmännisch. Sie scheinen ihn da wirklich gecoacht zu haben. Natürlich nimmt er Merzens "Alternative für Deutschland"-Vorlage genüsslich auf.
Dann erklärt auch er die Grünen zum Hauptgegner auf allen Feldern (inklusive dummem Ricarda-Lang-Gewicht-Witz). Schräg, dass er die Grünen dabei als "nicht grasgrün, sondern olivgrün" bezeichnet, passt nicht gut zum eigenen Bekenntnis zur Bundeswehr.
Eines vorneweg: Mit den aktuellen Debatten über „Identitätspolitik“ hat das Buch fast nichts zu tun. (Gelobt seien Göttinnen!) Stattdessen bietet es eine Reflexion darüber, über was wir eigentlich streiten, wenn wir über Identitäten streiten.
Was mir an dem Buch außerordentlich gefällt, ist die schiere Fülle und Vielfalt an Material, das Appiah zur Illustration nutzt. Es stammt aus allen (bewohnten) Erdteilen und den diversesten Epochen und macht die Lektüre lohnend. Das ist Kosmopolitismus im besten Sinne.