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In der Süddeutschen Zeitung empört sich Eva Illouz über den Genozid-Vorwurf gegen Israel.

Ihr Text strotzt vor Halb- und Unwahrheiten und verdrehten Argumenten.

Ein Thread. Image
👉Zu Beginn kritisiert Illouz Südafrika und andere Länder, da sie sich Israel für ihre Genozid-Vorwürfe herausgepickt hätten. Ein Argument, das sie selbst ganz richtig als whataboutsimus identifiziert. Image
👉Illouz beschwert sich weiter darüber, dass Südafrika den Völkermordvorwurf nicht gegen Myanmar vorgebracht habe, obwohl dort die Opferzahl "erheblich größer" sei als in Gaza.

Das ist ein merkwürdiges Argument, vor allem aus drei Gründen: Image
1) Es besteht bereits ein Völkermordverfahren gegen Myanmar vor dem IGH, vorgebracht von Gambia.

2) Die UN und Asean Parlamentarians for Human Rights sprechen von 25.000-43.000 toten Rohingya. ...
Die höhere Ziffer entspricht etwa den bestätigten getöteten Palästinensern. Obwohl sich darunter auch Kämpfer befinden, dürfte die Zahl der zivilen Opfer und die Zahl der Folgetoten dennoch um ein Vielfaches höher liegen, wie Wissenschaftler im Lancet gezeigt haben.
3) Unabhängig davon ist die Zahl der zivilen Opfer für die Frage, ob es sich um einen Völkermord handelt, nicht entscheidend. Laut Genozid-Konvention geht es um die Absicht, ein Volk in seiner Identität gänzlich oder teilweise zu zerstören.
👉Was uns zu den Absichtsbekundungen seitens israelischer Politiker und Regierungsmitglieder bringt. Illouz sieht darin die Äußerungen von Politikern einer "Regierung im Schock". Es habe dann eine Umkehr gegeben, die Politiker hätten ihre Äußerungen eingestellt. Image
1) Die Aussagen kamen aber nicht nur von irgendwelchen Politikern, sondern auch von hochrangigen Regierungsmitgliedern: Premierminister Netanjahu, Verteidigungsminister Gallant, Präsident Herzog, um nur die wichtigsten zu nennen.
2) Diese Aufrufe zum Genozid sind nicht nur an sich strafbar, sie zeugen darüber hinaus auch von der Absicht, einen Völkermord verüben zu wollen. Und gerade diese Absicht lässt sich sonst schwer beweisen, wie der Genozidforscher Omer Bartov bemerkt hat.
3) Illouz stellt es dar, als hätte es nach dem Schock des 7. Oktober einen baldigen Wandel gegeben. Aber das weitere Vorgehen der israelischen Truppen gegen Zivilisten und zivile Infrastruktur in Gaza sind vielmehr im Einklang mit den genozidalen Äußerungen. ...
In den Worten von Landwirtschaftsminister Dichter vom November '23: "Wir führen die Nakba 2023 aus." Mehr ein Schuldeingeständnis als ein Aufruf.
👉Illouz kommt dann auf Netanjahu zu sprechen, der natürlich nicht Israels "Staatschef", sondern nur Regierungschef ist. (Hier geht es nicht mehr um die Genozidklage vorm IGH, sondern die Anklagen vorm IStGH.) ... Image
Dass Netanjahu sich für seine Verbrechen verantworten soll, obwohl er demokratisch gewählt ist, macht Illouz "stutzig", sollte aber bei der Bewertung seiner Taten selbstverständlich keine Rolle spielen. Umso schlimmer, dass so viele Israelis noch hinter ihm stehen. ...
Auch Illouz kann sich scheinbar nicht recht entscheiden: Sie bezeichnet Netanjahu zwar als "grauenvoll", gesteht ihm aber zu, einen Krieg zu führen, der das Ziel hat, Israels "Bevölkerung zu schützen". Ob dieser Krieg die Israelis langfristig sicherer macht, wird sich zeigen.
👉Illouz' wundert sich dann über den Haftbefehl gegen Mohammed Deif. Dabei verwechselt sie scheinbar den Zeitpunkt der Beantragung der Haftbefehle gegen Deif und Sinwar seitens Ankläger Khan mit dem Zeitpunkt ihrer Erlassung. ... Image
... Als Khan die Haftbefehle beantragte, waren sowohl Sinwar, Haniyeh als auch mutmaßlich Deif noch am Leben. Dass sich der erlassene Haftbefehl Monate später auf den einzigen noch nicht bestätigten Toten beschränkt, ist nicht komisch, sondern folgerichtig.
👉Illouz rechtfertigt die israelischen Angriffe auf zivile Einrichtungen. Damit diese ihren Schutz verlieren, muss von ihnen allerdings eine akute Gefahr ausgehen. ... Image
Illouz erwähnt komischerweise nicht die zahlreichen Fälle, in denen die Israelis gezielt Universitäten, Moscheen, Schulen und Wohngebäude sprengen. Ohne, dass dort gekämpft wird, sondern einfach, um sie dem Erdboden gleichzumachen.
👉Auch können wir natürlich den Begriff "Genozid" verwenden und trotzdem die rechtsextremen Siedler verurteilen. Gerade nämlich, wenn man - im Gegensatz zu Illouz - erkennt, dass die zerstörerische Kriegsführung und die Vertreibungen die Bedingungen für die Wiederbesiedlung sind. Image
👉Die vielleicht verstörendste Passage folgt gegen Ende: Die (laut SZ) "linksliberale" Illouz fragt sich, wie viele palästinensische Zivilisten wohl geopfert werden dürfen (müssen?), um Israel sicherer zu machen. Das Ergebnis ihrer Kalkulation behält sie jedoch für sich. /FIN Image

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