Raphael Knipping Profile picture
Freier Journalist. Arbeitet zu Politik, sozialen Bewegungen, Migration und Klimakrise.

Feb 8, 2022, 16 tweets

Weil hier grade dieses Bild viral geht, mal ein Thread, warum man mit dieser sofortigen Empörung etwas vorsichtig sein sollte und Wintersportveranstaltungen auch bei uns auch nicht immer in romantischer Zauberwaldatmosphäre stattfinden:

In München wurde einige Zeit lang ein Slalom-Weltcup auf dem Olympiaberg ausgetragen. In fünf Jahren konnte die Veranstaltung zwei mal stattfinden. Allerdings nur, nachdem 40 LKW-Ladungen Schnee aus Reit im Winkl nach München gekarrt wurden.

abendzeitung-muenchen.de/sport/rettung-…

Seit 2002 findet in der Gelsenkirchner Veltins-Arena ein Biathlonwettbewerb statt. Die rund 3000 Kubikmeter Schnee dafür kommen jedes Jahr aus der Skihalle Neuss (2. Bild).

Auf den Geschmack gekommen? Die Skihalle Neuss verkauft den Schnee sogar auf ihrer Webseite:

Wo wir bei Skihallen sind. Auch eine schöne Ästhetik oder?

Dieses Prachtexemplar nennt sich Alpincenter Bottrop und steht auf einer Halde des Steinkohlenbergbaus.

2020 fand im thüringischen Oberhof der Biathlon-Weltcup statt. Wegen Schneemangel wurden 2000 Kubikmeter Schnee mit ca. 35 LKW nach der Veranstaltung in Gelsenkirchen nach Oberhof transportiert. Sind ja nur 370 Kilometer.

t-online.de/sport/wintersp…

Dresden kann das 2020 toppen, welches meinte am Königsufer zum 3. Mal einen Ski-Weltcup austragen zu müssen. Dafür wurde in einem Hangar im Dresdner Flughafen 4300 Kubikmeter Kunstschnee produziert und dann mit insg. 120 LKW-Ladungen in die Stadt gebracht. saechsische.de/plus/dresden-s…

Schnee mit LKWs mehrere hundert Kilometer zu transportieren ist natürlich nur der auffälligste Irrsinn. Darum noch einen Blick in die Alpen und wie viel Skifahren dort noch mit Idylle zu tun hat:

2019 kam ein österreichisches Skigebiet in die Schlagzeilen. Es war stolz, den Schnee konserviert zu haben und damit schon im Oktober die Skisaison eröffnen zu können. Sieht dann so aus:

sn.at/salzburg/chron…

Vorbereitungen für eine solche Piste lauten wie folgt: Wald roden, planieren, Wurzeln entfernen, Schläuche und Strom für Schneekanonen legen, Speicherseen bauen, Felsen sprengen, Bäche umleiten. So sieht das z.B. in einem bay. Landschaftsschutzgebiet aus:
goef.de/alpen/beschnei…

Der Freistaat Bayern fördert den Bau von Liften und Schneekanonen seit 2009 mit ca. 52. Mio Euro. 2019/2020 wurden die Mittel zur Seilbahnförderung weiter aufgestockt auf rund 20 Mio. Euro.
t-online.de/region/muenche…

Laut einer Studie des DAV könnten die bayrischen Skigebiete selbst mit künstlicher Beschneiung in Zukunft keine Schneesicherheit mehr bieten.
alpenverein.de/natur/alpine-r…

Die aufgeführten Fälle stehen nur exemplarisch für die Folgen des Skitourismus auf Natur und Mensch. Wer etwas länger recherchiert, wird viele solcher Geschichten finden. Folgende Dokus zum Thema sind sehenswert: br.de/mediathek/vide…

Es ist einfach, sich über eine Veranstaltungsstätte der absolut kritikwürdigen Olympischen Winterspiele in China lustig zu machen oder aufzuregen. Manchmal wär es aber wünschenswert auch vor der eigenen Haustüre zu kehren, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen.

PS: Es handelt sich bei dem Bild aus China um die Freestyle-Skiing Disziplin. Die dafür benötigte Rampe kann man im Grunde überall aufbauen. In München sah das von 2005-2007 so aus:

Hintergrundinfos zu der Veranstaltungsstätte von #Bejing2022 in einem alten Stahlwerk finden sich hier:
sbnation.com/2022/2/7/22922…

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