Verzögerung, Hinundher, andere sind schneller. Keine Waffen, bisschen Waffen, doch Panzer?
Warum eiert die deutsche Regierung sich durch ihre Ukraine-Politik?
Ein 🧵 über deutsche Außenpolitik, auf 🇩🇪 (@ProfPaulPoast-Style, sorta). Sorry, non-German followers ☹ /1
Durcheiern ist übrigens definitiv der hochwissenschaftliche Begriff. War ja auch grad Ostern, also doppelt apropos.
Gibt aber außer dummen Wortwitzen auch bisschen außenpolitische Theorie. /2
Zunächst mal: eiert die deutsche Regierung? Vermutlich, ja.
Die (fast) erste Reaktion auf eine systemische Änderung, also auf Russlands für viele überraschender Angriff auf die Ukraine, las sich dramatisch.
#Zeitenwende! /3
Wasser auf die ewig mahlenden Mühlen der (neo)realistischen Theorie – siehste wohl.
Systemische, externe Faktoren (Bedrohung!) veranlassen Staaten, ihre Außenpolitik anzupassen. Deutschland reagiert, und Deutschland agiert.
Waltz approves. /4
Jetzt aber, und das haben Bedenkenträger direkt gesagt, sieht es eher danach aus, als wäre die #Zeitenwende doch nicht so zeitnah und so sehr gewendet, wie es schien.
Mal gucken was @Bundeskanzler gleich dazu zu sagen hat. 👀
Also doch nicht systemisch getrieben alles? /5
Hier setzt die außenpolitische Analyse im engeren Sinne (als wissenschaftliches Feld) an. /6 academic.oup.com/fpa/article/do…
Müssen wir uns wohl angucken, was Deutschland so besonders macht, dass es noch eiert, wo andere schon klotzen: time.com/6166595/whats-…
/7
Also, welche Erklärungen fürs Geeier gibt es?
(disclaimer: below is not conclusive – welcome to the social sciences/Twitter) /8
Der aktuelle heißeste Kandidat für eine Erklärung scheint in Akteuren (und Parteien) zu liegen - Individuen (Steinmeier! Gabriel!) und ihre Connections.
Können die nicht, oder, schluck, wollen die nicht? Zwischen Führungsschwäche und Führungsverweigerung. /9
Die SPD, zerrissen zwischen langgedienten Russlandfreunden, Wirtschaftsbesorgten, linken Positionen und realpolitischer Regierungsführung. Und mit Koalitionspartnern ringend.
Um das zu klären, braucht es Zeit – das führt zu Kleinschrittigkeit und seltsamen Kompromissen. /10
Gäb‘s weniger Geeier und Gewurschtel, wenn die SPD nicht die Regierung stellte? Klar, hypothetische Frage.
Aber: Die CDU-geführten Regierungen der letzten Jahre (Zehnte? Hunderte? War ECHT lange) haben sich auch nicht grade durch außenpolitischen Handlungseifer hervorgetan. /11
Also doch was anderes? Vielleicht liegt der Grund des deutschen Geeiers in institutionellen Zwängen.
Preußische Bürokratiementalität, Passierschein A38, erstmal prüfen, soschnellgehtdasabernichtjungerMann. /12
Manches gewünscht; schnelle Politik ist nicht immer gute Politik. Aber hier setzen zB Vorschläge an, einen „nationalen Sicherheitsrat“ aufzubauen, der Wege verkürzt und Anstrengungen bündelt (siehe @sarahbrockmeier & @TobiasBunde): ipg-journal.de/rubriken/ausse… /13
Vielleicht aber geht es auch um grundlegende Fragen deutscher außenpolitischer „Kultur“.
Deutschland handelt nicht schnell und schlagkräftig weil…naja…ein lahmes, etwas behäbiges Deutschland ist historisch betrachtet wirklich nicht immer das schlechteste. /14
Ideen und Ideologien des Pazifismus, der Zurückhaltung, des wirtschaftlichen Fokus sind gesellschaftlich & politisch tief verankert. Durchaus zurecht. Sie stehen im Wettstreit miteinander – im Großen (gesellschaftliche Debatte etc.) und Kleinen (in Entscheidungsträgerrunden). /15
Das auszubaldowern und in Politik umzusetzen; Ideen gar zu ändern, neue Möglichkeiten zu schaffen und politisch wahrnehmbar zu machen; ist oft ein langer Transformationsprozess.
Fragt da nur mal @frankstengel (and buy his book): /16
Schließlich geht es auch um Wähler*innen. Nicht mal nur so moralisch (hehres Repräsentantentum), sondern durchaus egoistisch.
Machterhalt nur durch Wiederwahl. /17
Was Wähler*innen wollen weiß niemand so genau. Umfragen, Fokusgruppen & Berichterstattung fließen ein in Runden, die im Kanzleramt brüten.
Was lässt sich verkaufen? Wo gewinnen wir/verlieren die anderen? Interessiert das überhaupt irgendjemanden?
spiegel.de/politik/deutsc… /18
Hier gibt es mehrere Phänomene, durchaus abhängig vom Personal. Werden „die Wähler*innen“ unterschätzt? Oder nur bestimmte gehört? Haben Lobbygruppen das Ohr der Entscheidungsträger*innen? Weht das Jäckchen nach dem Wind? Auch das führt zu Hin-und-her. /19
Hier kann man versuchen durch gezielte, auch laute Botschaften, etwa wie @MelnykAndrij, die Kakophonie zu überschallen.
Oder die öffentliche Debatte zu informieren & verbessern – so wie viele Expert*innen aus Uni, Thinktanks, Militär, Stiftungen, Journalismus… das machen. /20
Ja, was ist‘s denn nun?
Lauwarmer take: Kuddelmuddel und Durchgewurschtel ist in 🇩🇪Außenpolitik der Normalfall. Viele der ideellen, institutionellen, und politischen Gegebenheiten führen darauf zu. Es ist also schwer zu sagen, woran es liegt. Vermutlich alles ein bisschen. /21
Das heißt, wenn Außenpolitik neu ausgerichtet werden, wenn 🇩🇪 gar Führung (ieh, das F-Wort) übernehmen soll – dann ist das ein Kraftakt.
Zynisch: vllt. ist da ein systemischer Schock, der festgefahrene Akteure/Institutionen/Ideen über den Haufen wirft, sogar notwendig. Uff. /22
Aber dann muss auch was passieren. Wenn der 🇺🇦-Krieg als Anstoß dienen kann, muss das Momentum auch genutzt werden, damit Deutschland jetzt effektiv agiert. Wenn Änderungen nötig sind, dann ist jetzt der Zeitpunkt, sie formulieren, sie einzufordern, dranzubleiben.
/23
Sonst schläft das hier alles wieder ein. 😖👇 /end
PS: Told you so. 👆👇
Relevanter take hierzu:
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