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Oct 14, 2022, 18 tweets

Das #Erzgebirge ist so etwas wie ein Experimentallabor für extrem rechte Strategien. Deswegen haben @Anna_Louise_kms und ich uns die Strukturen ganz genau angeschaut und im neuesten Policy Paper für @EFBI_Sachsen veröffentlicht: efbi.de/details/efbi-p…
Zusammenfassung im 🧵👇

Das Unterstützungsnetzwerk des NSU nahm seinen Anfang im Erzgebirgskreis und wirkt bis heute nach. Die Strukturen entstanden aus einer Szene von schon damals enormer Größe. Ein solches Umfeld hat den NSU-Terror erst ermöglichen können.

Die AfD hat im Erzgebirgskreis zwar hohe Wahlergebnisse (23,9 - 40,3%), sie scheint dafür aber wenig aktiv und verankert. Den Straßenprotest führen die "Freien Sachsen" an, und sei es durch Vereinnahmung. Sie setzen die AfD unter Druck durch ihr Konzept der "Sammlungsbewegung".

Die NPD geht unterdessen langsam in den "Freien Sachsen" auf. Auch der "Dritte Weg" und neuerdings die "Neue Stärke Partei" sind im Erzgebirge aktiv, allerdings können sie keine solche Wirkungsmacht wie die "Freien Sachsen" entfalten. Warum, beschreiben wir in der Analyse.

Neben den Parteien gibt es in fünf Stadt- und Gemeinderäten extrem rechte "Tarnlisten", auf denen rechte Kader unter unverfänglichem Namen Lokalpolitik machen. Drei davon stellen jeweils 1/4 der Sitze in ihren Räten.

Sie entstanden zum Großteil aus extrem rechten Heimatvereinen. Gemäß dem Konzept der "Selbstverharmlosung" (G. Kubitschek) stellen diese "ihre eigene Harmlosigkeit [...] zur Schau". Dabei normalisieren sie die extreme Rechte durch Veranstaltungen wie Heimat- und Sportfeste.

Dass es im Erzgebirge möglich ist, seine Sozialisierung innerhalb einer rechten Blase zu verbringen, dafür sorgen neonazistische Musik wie Rechtsrock und NS-Black-Metal, Sport- und Freizeitangebote. Rechtsoffener Mainstream wie von "Der Hauer" sorgt für weitere Vermittelbarkeit.

Mit immer neuen Protestwellen vergrößert die extreme Rechte unterdessen ihre Reichweite enorm. Von den rassistischen Protesten ab 2013 bis zu den Corona-Demos: Mit jeder Welle wächst das Netzwerk, das etwa für neue Protestwellen nur reaktiviert werden muss.

Neben und innerhalb der Corona-Proteste sind im Erzgebirge verschiedene reichsbürgerliche Gruppierungen aktiv, vor allem in Zwönitz, wo die Gruppe "Gemeindeversammlung" die tatsächlichen Organe der Stadt in Atem hält.

In Eibenstock OT Wolfsgrün erwarben Reichsbürger vom "Königreich Deutschland" ein schlossähnliches Gebäude mit angeschlossenem Gasthof und nutzen dieses für Seminare. Die Stadt war machtlos gegen den Kauf.

Auch im Erzgebirge gibt es Siedlungsbestrebungen völkisch-esoterischer Siedler:innen und Zuzüge von Rechten aus Westdeutschland. Immobilienkäufe sind teilweise geplant, teilweise vollzogen. Mehr dazu in der Broschüre.

Extrem rechte Veranstaltungen finden aber nicht nur in Szeneimmobilien statt. In Schwarzenberg OT Bermsgrün werden die Veranstaltungen im von der Stadt gepachteten "Haus des Gastes" durchgeführt. Der Wirt muss die Veranstaltungen bei der Stadt anmelden - tut es aber nicht.

In der Analyse fassen wir zusammen, mit welchen Strategien die extreme Rechte im Erzgebirge so erfolgreich ist und wie es kommt, dass diejenigen, die die Straßenproteste organisierten, die gleichen sind, die auch Vereine gründeten und in die Räte einzogen.

Die Erzgebirger:innen sind dafür offenbar besonders anfällig. Warum ist das so? Dafür muss man sich verschiedene Faktoren anschauen. Wissenschaftliche Erklärungsmodelle liefern mögliche Antworten. Nicht außer Acht zu lassen ist dabei die große christlich-fundamentalistische Szene

In den Erklärungsmodellen spielen aber vor allem sozioökonomische und infrastrukturelle Faktoren eine Rolle - und besonders, wie diese gefühlt wahrgenommen werden. Ausführlich erläutern wir das im Paper.

Im Fazit bringen wir die Befunde und Erklärungsmodelle noch einmal zusammen. Mit dem Modell von Heitmeyer analysieren wir, dass im Erzgebirge bereits sogenannte Normalisierungsgewinne vollzogen sind.

Was tun? Ansätze gibt es in den Handlungsbedarfen. Es muss genauer hingeschaut werden und diejenigen, die sich gegen die beschriebenen Entwicklungen zur Wehr setzen, müssen unterstützt werden. Von der extremen Rechten muss man sich abgrenzen, Behörden und Gemeinden müssen handeln

Wir freuen uns über Feedback zur Analyse. Falls ihr Fragen habt oder gerne einen Vortrag zu dem Thema hättet, schreibt uns gerne: Hier auf Twitter oder über den genannten Kontakt vom @EFBI_Sachsen.

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