Annette Werberger Profile picture
History of Literature & Culture Yiddish & Central & Eastern Europe Prof at European University @Viadrina 🇩🇪 🇵🇱 border - 1700 km to Naples 🇮🇹 & Kharkiv🇺🇦

Jun 11, 2023, 9 tweets

Die ukrainische 68ste Brigade "Oleksa Dowbusch“ hat heute Blahodatne befreit. Der Dowbusch (1700-1745) war ein legendärer huzulischer Bergräuber, den man gerne mit Robin Hood, Outlaws und romantisierten Räubern in den Karpaten wie Ondraszek, Šuhaj, Jánošík vergleicht.#dovbush
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Oleksa Dowbusch war der Anführer eine Gruppen von Opryschken, d.h. bäuerlichen Aufständischen, die sich vor allem aus desertieren Soldaten zusammensetzten, die dem harten Wehrdienst zu entgehen suchten, sich gegen den Adel auflehnten und in den Bergen durch Raubzüge lebten.

Viele Geschichten zum Dowbusch sind durch Legenden und Lieder überliefert. Ein interessanter Aspekt ist auch das sich in den Legenden spiegelnde Zusammenleben zwischen Juden & Ukrainern. Der Dowbusch ging deswegen nicht nur in die ukrainische, sondern auch jüdische Folklore ein.

Es gibt mehrere Legenden, in denen sich der Baal Schem Tow, der Gründer des Chassidismus, und der Dowbusch treffen. Die bekannteste Legende ist vielleicht jene, in denen beide versuchen einen Tunnel von den Karpaten nach Jerusalem zu graben. Boris Czerny hat u.a. dazu gearbeitet.

Hier ein Link zu einem Interview von Czerny zu diesem Thema:
ukrainianjewishencounter.org/en/tales-from-…

Um die Jahrhundertwende entdeckten ukrainische Schriftsteller und Ethnographen die Huzulen und die Gestalt des Dowbusch. Es entstehen moderne Erzählungen, später auch Verfilmungen: Hier Gruppenbild einiger ukrainischen Modernisten mit Lesja Ukrainka in der Mitte.

Einen bekannten huzulischen Opryschken-Roman schrieb z.B. der Ethnograph, Schriftsteller & Bandura-Spieler Hnat Chotkewytsch (1878 in Charkiw - 1938 hingerichtet): Der Roman heisst „Kaminna duscha“ 1911. Hier eine Stelle zum Dowbusch aus der deutschen Übersetzung:

Hier das Titelbild der dt. Übersetzung von 1968 des Romans "Kaminna duscha" (Steinerne Seele) von Chotkewytsch durch Anna-H. Horbatsch als "Räubersommer". Sie hat die ethnographischen Stellen nicht übersetzt, dabei finde ich diese gerade spannend.

Hier ein Filmstelle, in der Chotkewytsch kurz nach dem Holodomor als blinder "Kobsar" (auch das eine wichtige Figur der ukrainischen Kulturgeschichte) Bandura spielt. Der Film heisst "Nasar Stodolja“ von 1936. Die Stelle mit ihm wurde zügig von der Zensur herausgenommen. ENDE

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