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Also known as Ms. Andrié, real existierender cis Mann, Karina Korecky Ultra, Artikel-und Vortragarchiv auf dem Blog. Blauer Himmel: @KPosster.bsky.social

Aug 25, 2023, 19 tweets

Für alle die einen ausführlicheren Einblick haben wollen, wie katastrophal schlecht und täterschützend Valentin Moritz Text in #OhBoy auch unabhängig von dem Skandal um ihn ist: Hier eine eine kleine kommentierte Rekonstruktion mit Screenshots

Auf den ersten 7 von 16 Seiten geht gar nicht um Täterschaft. Einstieg und Rahmung des ganzen Textes ist: Valentin Moritz ist ein eher gehemmter, ernsthafter und an sich zweifelnder Mensch/Mann. Glücklich/Frei fühlt er sich fast nur beim Frisbeespielen mit seinem Freund Jan

Die nächsten Seiten handeln von einem Urlaub auf Usedom und der jungenhaften Freude die Moritz da mit Jan erlebt hat. Es gibt ein Frisbeetournier und die Abgrenzungsfigur eines Mackers/toxischen Mannes wird eingeführt: "Torsten".

Dann werden ein wenig Männlichkeitsdynamiken beschrieben. Moritz kann sich an die Frauen aus seinem Team (4 von 10) gar nicht mehr erinnern - wer hier einen Set-Up für eine spätere Reflexion von Moritz' sexistische Fixierung auf Männer vermutet, liegt falsch.

Dann folgt die Beschreibung eines Sandburgbau-Contests und weitere Romantisierung von Jan und seiner Burg als "wahr" "vorbildlich", besser als die Konkurrenz - diese Sandburg wird später noch eine wichtige Metapher.

Und trotzdem redet er mit Jan nie über tiefe/belastende Dinge

CN Rapeculture Sprache

Auf S.6 erstmals sowas wie Reflexion: Vielleicht ist Jan gar nicht "authentisch" und "einer von den Guten"?! Dann in ekelhaft-verharmlosender Sprache die Frage ob Jan schon mal Frauen sexuell genötigt hat ("auf die Pelle gerückt")

Dann fängt Moritz an darüber herumzureflektieren, dass er ja SO viel besser mit Frauen über seine Probleme und Ängste reden kann. Seiner aktuellen Partnerin gegenüber klagt er pathethisch, dass das eine Belastung für sie und andere Frauen ist - keine Pointe

Jetzt beginnt der wirkliche "Reflexionsteil" des Textes, der hauptsächlich daraus besteht, dass sich Moritz ganz viele Fragen stellt und dann nie wieder auf sie zurück kommt.

Classic Kritische Männlichkeit: Wer immer sucht, wirkt reflektiert, muss aber nie irgendwo ankommen

Nachdem er alle möglichen Themen in den Raum geworfen hat, kommt Moritz dann endlich auf seine Täterschaft zu sprechen. Es geht um "den Torsten in mir". Seine Übergriffigkeit und was er jetzt "Sinnvolles" daraus machen will mit diesem Text

CN Sexuelle Gewalt
Dafür lügt er erstmal bei der Beschreibung der Tat. Die Betroffene hat den Fall anders dargestellt als es der Text tut. Der Autor lässt hier aus, dass die Betroffene Widerstand geleistet hat und er diesen gebrochen hat

Quelle: rbb24.de/panorama/beitr…

Das Lüge zu nennen halte ich für richtig, denn dass es sich hier um einen literarischen Fall handelt, dementiert der Autor auf der nächsten Seite eigentlich selbst: Er würde gerne mehr Kontext geben, kann das aber nicht wegen dem "Schutz von Persönlichkeitsrechten"

Nachdem es ein wenig darum geht, wie schlecht sich Moritz jetzt mit sich selbst fühlt und wie schwer es ist, darüber zu schreiben, folgt das für mich zentrale Zitat des Textes: Betrügt sich Moritz mit diesem Text nur andere/sich selbst? Ist er/sein Text eine richtige Sandburg?!

Die Motive des Texts in Reinform: Moritz stellt sich selbst wirklich wichtige Fragen, glaubt aber ganz offensichtlich, dass er die Antworten nicht wissen muss & die Sandburg-Metapher verrät uns, um welche Frage es ihm dabei wirklich geht: Ist er so authentisch-männlich wie Jan?

Die wirkliche Reflexion der Tat ist kaum nennenswert: für Moritz ist der Grund vor allem, dass er seine letzte Trennung nicht gut verarbeitet hat. Andere Motive, die er andeutet (Wut auf Frauen, die Lust am Übergriff selbst) verschwinden dahinter fast komplett.

Was bleibt? Moritz redet mit Partnerin, Freund/innen und seinem Therapeuten über die Tat und irgendwie weiß er auch, dass ganz viel Männer Täter sind - wie er.
Reden findet er gut, reden hilft (ihm). Vor allem dabei, sich selbst als Mann zu finden...

Moritz macht den Text am Ende rund: Egal ob er ein glücklicher Mensch ist, jetzt wird erstmal mit Jan (das ist der, der vielleicht/wahrscheinlich Frauen sexuell nötigt) Frisbee gespielt und "vielleicht" reden sie auch mal (es scheint egal zu sein über was)

Der unerträgliche Kitsch der Frisbee-Metapher verrät wie Valentin Moritz die eigene Männlichkeitsselbstbefragung empfindet: Als aufregendes Abenteuer, als Spiel, als etwas dass IHN nach vorne bringt. Zu viel Kritik und echte Introspektion würden ihn nur davon abhalten...

Es gäbe noch ein paar andere Stellen, aber es ist jetzt schon viel zu lang. Zusammenfassend: Moritz demonstriert in dem Text, wie das Leid von Frauen, höchstens eine spannende Irritation in der Suche von Männern nach sich selbst und "echter" männlicher Nähe ist.

Zum Schluss nur die Erinnerung: Dieser Text ist von Mit-Herausgeber*in und dem Verlag für gut befunden und von der Kritik durchaus gelobt worden, vor dem Skandal. Es ist zum verzweifeln

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