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Historiker mit Schwerpunkt auf sowjetischer und deutscher Zeitgeschichte sowie Architekturgeschichte. Forsche (noch) zu „Kyjiw im Krieg. 1937-1947“

Sep 18, 15 tweets

Immer wenn man denkt, Günter Verheugen könne sich nicht mehr blamieren, beweist er das Gegenteil. Von der @welt wird er mit seiner Mitherausgeberin Petra Erler zu ihrem Buch interviewt. Fast jede Antwort ein ideologischer Offenbarungseid.
Einige Auszüge
1/
welt.de/politik/auslan…

Ziemlich irre ist schon, dass beide die internationalen Beziehungen mit dem Beispiel eines Nachbarschaftsstreits erklären wollen. Mir fällt auch kaum ein Krieg aus der jüngeren Geschichte ein, bei dem Schuld und Unschuld so klar sind. Außer man ist ideologisch völlig verbohrt.
2/

Verheugen/Erler denken in Kategorien einer Sandkasten-Keilerei und wärmen die Mär vom "Betrug" an Russland auf (das damals zwar noch die SU war und nicht betrogen wurde - aber Fakten sind ihnen egal, lieber unterstellen sie einer Historikerin, keine Archive besucht zu haben.
3/

Frau Erler argumentiert in der Art von Holocaust-Relativierern, die auf Vergehen ganz anderer Qualität verweisen. In der Nacht des Rechtsnihilismus sind alle Katzen grau.
4/

Die @welt konfrontiert sie mit diesen Unterschieden - doch Erler reagiert mit der Präventivkriegsthese, die so auch vom Kreml verbreitet wird: Die UA als eine Art "Anti-Russland", das die USA benutzen, um die Weltherrschaft zu erlangen. Fehlt nur noch der Begriff "Ostküste"...
5/

@welt Hier hätten die Journalisten mal fragen können, wieso die USA dann bis 2014 zugelassen haben, dass NATO-Staaten Großwaffen (Mistral etc.) an Russland verkauft haben (nur wegen der russ Invasion nicht ausgeliefert) - und nicht an die UA. Leider fehlt dieser Hinweis immer.
6/

@welt Aus der *Fehlkalkulation* Putins, die Ukraine mit weniger als 200.000 niederringen zu können, schließt Erler retrospektiv, er habe das nicht gewollt. Dabei hat sich P. nur am Irak-Krieg orientiert, bei dem die USA mit so viel Mann aufmarschiert sind :-)
7/
de.wikipedia.org/wiki/Irakkrieg…

@welt Der Höhepunkt ist dieser Dialog, der an "Das Leben des Brian" erinnert: "Okay, okay - die Russen morden, vergewaltigen, entführen systematisch - aber das ist doch kein Genozid!"
In einem Punkt ist Erler wenigstens ehrlich: Eine "Geschichtsspezialistin" ist sie wirklich nicht.
8/

@welt Verheugen schaltet sich ausgerechnet an diesem Punkt in die Debatte mit der Bemerkung ein, dass Russland sich "gut aufgehoben" fühlen soll.
Er selbst fühlt sich offensichtlich selbst nicht mehr.
9/

@welt Erler wiederum relativiert die Furcht der Nachbarstaaten Russlands vor einem neuerlichen Angriff Moskau mit dem Verweis auf die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Sie erkennt zwar, dass unsere westlichen Nachbar keine Angst mehr vor uns Deutschen haben, übersieht aber,
10/

@welt dass Balten, Polen ebenfalls in einem Bündnis mit uns sind - und auf unseren Schutz vertrauen wollen. Während der Kreml klar macht: er will sein Imperium wiederhaben. Erler ist kurz davor zu verstehen, dass die NATO schützt, weil sie "eine harte militärische Struktur" ist,
11/

@welt doch ebenso wie Verheugen, der noch angesichts der Großinvasion und Annexionen von Teilen der Ukraine durch den Kreml leugnet, dass Moskau eine "Einflusssphäre" haben will, befinden sich bei ihr die ideologischen Scheuklappen vor und nicht neben dem Gesicht.
12/

@welt Verheugen kommt jedenfalls mit dem Klassiker, der "gefühlten Bedrohung", die unseren "potentiellen Partner" - also die Eroberer, Mörder und Entführer tausender Kinder - spüren. Er könnte auch mal überlegen, wie sich Russland "geschichtsbedingt" bis an die Weichsel ausdehnte.
13/

@welt Auf was soll man von diesem Mann erwarten, der allen Ernstes den winzigen Vorstoß der Ukrainer in der Region Kursk mit den Invasionen Napoleons 1812 und Deutschlands 1941 gleichsetzt?
14/

@welt Entscheidend für diese beiden ist ohnehin nicht die Ukraine: Notgedrungen gestehen sie ihr zu, dass sie das Recht habe, sich zu verteidigen - suggerieren aber, dass dieses Land sich doch besser opfern solle.
15/15

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