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Aug 18, 2019 24 tweets 14 min read Read on X
Ich möchte noch einmal Thomas' @advitwit Kommentar zur zum @AufwachenPod aufgreifen. Thomas sagte sinngemäß, viele Ostdeutsche glaubten, dass es auch im demokratischen Deutschland keine echte Meinungsfreiheit gäbe, etwa, weil man für gewisse Meinungen oft kritisiert werde. 1/x
@advitwit @AufwachenPod 2/x Diese Haltung widerspricht unserer Vorstellung von Meinungsfreiheit als das Verbot, dass der Staat unliebsame Meinungen nicht mit Polizei und Geheimdienst verfolgen und kriminalisieren dürfe. Aus diesem Verständnis heraus wirkt die Behauptung, es gäbe heute keine
@advitwit @AufwachenPod 3/x Meinungsfreiheit, sinnfrei. Denn, wie auch Merkel jüngst einem #NoAfD-Menschen erklärte, man dürfe ja alles in der Öffentlichkeit sagen, ohne dass die Staatsgewalt dagegen vorgehen würde. Uns erscheint das Denken dieses AfD-Mannes verquer und zweifelsfrei falsch
@advitwit @AufwachenPod 4/x Man kann aber (soziologisch) fragen, unter welchen Umständen die scheinbar sinnfreie Vorstellung für diese Menschen doch einen Sinn ergibt und zwar so, dass diese Menschen nicht ausnahmslos dumm erscheinen, sondern wie normal vernunftbegabte Menschen.
@advitwit @AufwachenPod 5/x Der Schlüssel dafür liegt in DDR-Erfahrungen mit dem Problem der Meinungsfreiheit. Die öffentliche Sicht auf die DDR geht meist davon aus, dass unliebsame Kritik vom Staat, also von Polizei und Stasi unterdrückt worden ist. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit.
@advitwit @AufwachenPod 6/x Tatsächlich sind viele DDR-Bürger*innen nie wegen ihrer Meinung mit Polizei oder Stasi unmittelbar in Konflikt geraten. Ihnen hat sich nie ein Stasi-Mensch offen als solcher vorgestellt und sie unter Druck gesetzt. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die sich
@advitwit @AufwachenPod 7/x ein unmittelbares repressives Eingreifen der Staatsgewalt gar nicht wirklich vorstellen konnte, weil sie es nie erlebt haben und nur irgendwie aus Erzählungen kannten. Dennoch war klar, dass man in der DDR nicht ungestraft seine Meinung äußern konnte und dass man
@advitwit @AufwachenPod 8/x mit Sanktionen rechnen musste, wenn man es doch tat. Aber die Agenten dieses Konformitätszwangs waren nicht Polizisten und Stasi-Leute, sondern eher Lehrer*innen, Chefs, Parteileute im Betrieb oder in der Hausgemeinschaft. Von diesen Leuten wurde man in der Regel
@advitwit @AufwachenPod 9/x ins Gebet genommen und mit Strafen belegt. Die Strafen hatten aber eine alltägliche Dimension: Man bekam die gewünschte Lehrstelle nicht. Man durfe kein Abitur machen, man verlor seine Stelle oder seine Führungsposition usw. Im Wesentlichen waren es also
@advitwit @AufwachenPod 10/x Eingriffe in die berufliche Biografie, mit denen gedroht wurde und mit denen die Leute dazu gebracht worden sind, öffentlich genau das zu sagen, was Partei und Staat hören wollten. Man wusste zwar, dass die Stasi ihre Ohren überall hatte, aber (wie gesagt) nur ein Teil
@advitwit @AufwachenPod 11/x hat den Gummiknüppel der Polizei direkt als Antwort auf die eigene Unbotmäßigkeit zu spüren bekommen. Insofern wurde die Unterdrückung der Meinungsfreiheit eben doch mehr als Erscheinung im Alltag wahrgenommen, als Problem der ökonomischen Existenzsicherung, als
@advitwit @AufwachenPod 12/x Frage der Statussicherung.

Überträgt man das mal auf die heutige Bundesrepublik, kann man leicht feststellen, dass derartige Bedrohungen der ökonomischen Existenz auch hier existieren, wenngleich längst nicht so exzessiv. Aber es gibt sie. Es gibt die Situationen, wo
@advitwit @AufwachenPod 13/x es besser ist, einen "mainstream" nachzuplappern, um nicht von Chef und Kolleg*innen als unangepasst wahrgenommen zu werden. Das geschieht heute womöglich etwas subtiler. Aber unter Umständen ist es sogar recht auffällig.

Ich habe an der Uni mit Qualitätsmanagement
@advitwit @AufwachenPod 14/x im Zuge der Hochschulreformen zu tun gehabt. In einer Verkopplung von gesetzlichen Vorschriften, ökonomischen Druck und politischen Vorgaben aus dem Landesministerium ist das Streben nach Qualität in Studium und Lehre zu einer allgemeinen hochschulpolitischen Räson
@advitwit @AufwachenPod 15/x geworden, so dass es opportun war, nach außen eine Überzeugung an den Tag zu legen, dass man unbedingt mehr Qualität bewirken und daran hart arbeiten müsse.

Wer sich dem in öffentlichen Äußerungen nicht fügte, kam unter Umständen in den Ruf, ein alter Besitzstandswahrer
@advitwit @AufwachenPod 16/x zu sein, reformunwillig und damit zog man sich die Ungnade des Präsidiums zu. Es galt nämlich für die Universität, sich gegenüber den Stakeholdern und insbesondere gegenüber dem Landesministerium als qualitätsorientiert zu präsentieren, weil daran auch Gelder
@advitwit @AufwachenPod 17/x geknüpft waren, das Prestige ebenso, also die vermeintliche Anziehungskraft auf Studierende, die ebenso existenziell war für die Finanzierung der Uni, weil man nach Studierendenzahlen vom Land finanziert wurde. Dadurch entstand nach meinem Eindruck eine Doppelmoral,
@advitwit @AufwachenPod 18/x die sehr an die DDR erinnerte: Öffentlich gaben alle ein glühendes Bekenntnis zur Qualität und den damit verbundenen Reformen in der Hochschule ab. Hinter vorgehaltener Hand wurde darüber gewitzelt, der Unsinn der Reform kritisiert.

Ich habe das "Qualitätssozialismus"
@advitwit @AufwachenPod 19/x genannt, weil der schöne Schein oftmals wichtiger war als eine selbstkritische Prüfung der eigenen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.

Hier querzuschießen ist existenzgefährdend, weil ein solches Ausscheren stört bei der Herstellung des Scheins und man dann
@advitwit @AufwachenPod 20/x als unbequem zu den Kandidaten gehörte, deren Vertrag man nicht verlängert, deren Lehrstuhlfinanzierung man nicht unbedingt beim Minister durchsetzen mochte usw.

Wenn man solche Umstände, die es nicht nur in der Uni geben wird, heranzieht, könnte man sagen:
@advitwit @AufwachenPod 21/x In dieser Hinsicht ähnelt für viele Menschen der Umgang mit Kritik heute dem Umgang der DDR damit seinerzeit. Insbesondere jene, die keine unmittelbaren DDR-Repressionserfahrungen hatten, dürften weniger sensibel für den Unterschied zwischen Konformität aus ökonomischem
@advitwit @AufwachenPod 22/x Druck und der DDR-möglichen Willkür der Staatsgewalt sein. Insofern mag es für viele Menschen tatsächlich so scheinen, dass sich eigentlich wenig geändert habe seit dem Ende der DDR. Dass sie dabei übersehen, dass die Freiheit vom staatlichen Zwang an sich schon ein
@advitwit @AufwachenPod 23/x Wert ist, ist leider ein Mangel in dieser Vorstellung.

Auf der anderen Seite muss das (z.B. von BuPrä a.D. Gauck offensiv vertretene) Freiheitspathos hohl wirken, wenn man im Alltag permanent etwas anderes erlebt. Allein das ist der Grund, warum ein allzu abstraktes
@advitwit @AufwachenPod 24/x Demokratiepathos a la "Pulse of Europe" usw. nicht geeignet ist, um die Menschen wirklich von der Vorzugswürdigkeit der Demokratie zu überzeugen.

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@AufwachenPod @advitwit @JungNaiv 3/x bei etlichen Leuten ins Schwarze treffen. Das liegt daran, dass gewisse Befindlichkeiten da sind und gewisse Probleme eben auch (klar ist, wie auch Thomas sagt, dass die #noAfD das ganz populistisch und manipulativ benutzt, um Zustimmung zu generieren). Thomas erwähnt
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