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Welche Gesellschaft soll das abbilden? Ein kurzer Thread über Bilder in der Regierungskampagne „Schau auf dich, schau auf mich“
Ein guter Ausgangspunkt ist oft der Blick auf Personen, Settings und Handlungen: Sind die Personen alleine oder in einer Gruppenkonstellation abgebildet? Was tun sie? (Wie) interagieren sie? Wie sind sie gekleidet? Wo halten sie sich auf? Wie sieht ihr Umfeld aus? ...
Wie arbeiten sie? Typischerweise am Laptop im Home Office. Das wirkt bemerkenswert ruhig und aufgeräumt.
Was tun sie noch? Sie machen Yoga, hören Musik, lesen ein gutes Buch oder führen ein nettes Telefonat. Ihre Kleidung: leger in weiß und in gedeckten Farben - passend zur Deko wie aus dem Tchibo-Katalog
Was machen eigentlich die lieben Kleinen? Händewaschen? Den Bundeskanzler zeichnen? Musik mit dem Papa? (Ob der auch kochen und homeschooling kann?)
Ah, die sitzen auch im Home Office bei der Mama, wenn sie nicht gerade mit ihnen kreativ ist oder Yoga macht. Hübsche Fenster übrigens! Und richtig viel Platz. (Wie hoch ist eigentlich die Miete? Oder doch Raten fürs Eigentum?)
(Furchtbarer Gedanke: Wir werden es hier doch nicht etwa mit der Abbildung einer normschönen White Upper Middle Class-Familie aus dem Stockfotokatalog zu tun haben? Macht denn hier niemand mehr die Diversitätskompetenz bei Humboldt oder den „Lean in“-Kurs bei Sheryl Sandberg?)
Die Kampagne legt uns nicht nur konkrete Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung nahe, sondern lässt sie durch ein bestimmtes Milieu mit distinktem Lebensstil repräsentieren: den bürgerlichen Mittelstand. Das sind die Leute, die auf sich und auf dich und damit auf uns alle schauen.
Zu Hause bleiben ist offenbar gemütlich, entspannend und bietet Zeit für Hobbys. Keine Spannungen, keine Konflikte, keine Sorgen. Zu Hause bleiben ist außerdem mit sozial erwünschtem Verhalten verbunden: Oma und Opa anrufen, für Nachbar* innen einkaufen, die Kleinen unterhalten
Dabei bleibt vieles bzw. bleiben viele unsichtbar: Beengte Wohnverhältnisse, unaufgeräumte Zimmer, knappe Ressourcen. Erschöpfte Menschen, besorgte Menschen, einsame Menschen. Eltern, die um 04.00 aufstehen, um ein paar Stunden arbeiten zu können. POC. You name it.
Ja, ich weiß, keine Kampagne ist perfekt. Und diese mußte auch schnell fertig sein.
Aber die Bilder? Sollten die nicht verschiedene Lebenswelten zeigen, die von den Maßnahmen betroffen sind? Und vielleicht so, dass Leute sie nicht nur sehen, sondern sich auch gesehen fühlen?
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