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Streik und erster Mai sind also mittelbare Daten (vgl. ). Sie hängen zusammen, weil im Frühjahr 1886, am 1. Mai des Jahres Arbeiter in Chicago Dynamit warfen - wie man ihnen vorwarf, um ihre Wortführer verurteilen und töten zu können - und Agitatoren und
Organisierte, auch aus dem frühindustriellen Deutschland das offene Streichen von Tätigkeiten und Aussetzen des Vertrags probten, mitten in der Phase der sich ausdehnenden Weltmärkte. Der französische Film _Streik_ bebildert zunächst die Ohnmacht der Arbeiterinnen und die Aporien
des Arbeitskampfes. Um schier zu überleben, sind die Streikenden gezwungen, angesichts der Entlassung die nach der Werkschließung kommen wird, jede Verhandlung, jede Abfindung anzustreben und anzunehmen. Ja, ein "Arbeitgeber darf also einen Betrieb gründen und schließen". Der
Kampf um die Jobs, ist ein Kampf um die Verlägerung des Kaufvertrags mit dem Käufer der Ware Arbeitskraft. Er ist kein Kampf um die Macht und Verfügung über den Betrieb, kein Kampf um das Gründen und das Schließen eines Betriebes. Bei Strafe des Untergangs des Betriebs
als ganzem, werden - bleiben die auszuweitenden Profite aus - die dort angesammelten Produktivkräfte fallengelassen. Jobs sind nichts als Pakete zur Verwandlung von etwas in einen Werträger oder Tätigkeiten zur Erzeugung von Mehrwert für Lebendige, die ohne Verfügungsmacht
über den Betrieb sind. Die Enttäuschung, die _Streik_ aus dem Jahr 2018 vorbringt, die Entbehrungen, die Spaltung der Gruppe der Lebendigen ohne diese Betriebsmacht, der Staat, dargestellt als Coach und Supervisor, als Moderator zwischen Kapital und Abeit, all das wird
mit dem Datum des 1. Mai in Erinnerung gerufen und reicht dennoch nicht. Das Deutsche Historische Museum hat vor 28 Jahren zum Thema Streik eine ganze Ausstellung und einen Bildband mit Texten produziert (https : // www . dhm . de / archiv / ausstellungen / streik). Die
Dynamitbombe in Chicago, das Sozialistengesetzt, der "Streik-Erlaß" im Deutschen Reich könnten dabei ein inhaltliches Cluster bilden. 1871 ging es um den 10stundentag, nicht wie dann in Chicago um den 8stundentag. Es gab in dieser Periode des "Manchester-Kapitalismus"
Streikwellen. Ohne Betriebsmacht geht es um den Anteil am gesellschaftlichen Reichtum, der privatisiert in den Händen der Betriebseigner liegt, geschützt von Polizei und Militär und abgesichert durch Gesetze, an dieser Stelle aber immer von anderen Betriebseignern
streitig gemacht wird. Den Arbeiterinnen im Film _Streik_ steht also nicht nur ein Patron gegenüber, wie in Robert Koehlers Gemälde _Der Streik_. Ein herrschendes gesellschaftliches Verhältnis, vielleicht eine dynamische Struktur, die auch der Chef, der Manager, der
Eigentümer, die Anteilseigner nicht verstehen, nicht überblicken, geschweige denn "managen". Darin liegt vermutlich ein Grund für das Interesse des Bürgertums in den USA, in Frankreich und in Deutschland, das Bild vom Streik zum Imago, zur Ikone des Widerspruchs
von Arbeit versus Kapital stilisieren zu lassen. Auch Arbeiter begrüßten damals dieses Bild - das Bild _The Strike_ von Koehler, der gesponsert von einem Bürger, einem Eigner an Produktionsmitteln, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in München Malerei studiert hatte.
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