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Geld für Lufthansa, aber keins für Eltern? Oder: warum Politik machmal so unlogisch ist.

Wir twittern hier oft unseren Ärger über Politik, und nur selten spielt dort, in der Politik, eine Rolle, was „Das Netz“ sagt. Wieso ist das so?

Auch mal ein Thread von mir.

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Warum bleibt Vernunft in der Politik oft auf der Strecke?

Ein Versuch, die Dynamiken der parlamentarischen Demokratie zu erklären: Entscheidungen werden von Politiker*innen getroffen, die in Fraktionen und Parteien sind. Sie bilden sich ihre Meinung nicht allein, ..

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.. sondern in Parteien.

Auch in den Parteien gibt’s Strömungen, Kreise, Realos, Fundis und zwischen ihnen werden unterschiedliche Positionen mühsam ausgehandelt.

Wie werden Positionen ausgehandelt? Das hängt davon ab, wieviel Zeit ist.

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Manche werden lange diskutiert, aber oft gibt es am Ende nicht den Konsens, bei dem sich alle tatsächlich einig sind. Viel häufiger gibt es einen Kompromiss: Ein Teil von der einen Seite, ein Teil von der anderen Seite. Wenn du diese Forderung drin haben willst, ..

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.. kriege ich dafür eine andere.

Wie ausbalanciert diese Kompromisse sind, hängt von vielem ab: Erfahrung, Zeit für die Verhandlung, Macht und Bedeutung der Verhandelnden, manchmal auch einfach Müdigkeit. Wer hat Zeit, spätabends noch dabei zu sein?

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Das heißt: Politische Positionen sind selten (nur) das Ergebnis der Abwägung sachlicher Argumente. Sowieso gibt es ja jenseits der Naturwissenschaften keine objektive Wahrheit oder die eine richtige Lösung (und selbst die ändern sich ja im Lauf der Zeit).

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Und das ist auch gut so. Menschen sind politisch aktiv und/oder in Parteien, weil sie bestimmte politische Ziele haben, weil sie bestimmte politische Interessen vertreten. Sonst würde ja eine Partei reichen. Und je nachdem, wer sich (mehr) durchsetzt, positionieren ..

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.. sich Politiker*innen und Parteien in die eine oder andere Richtung.

Dasselbe gilt für Koalitionen. Angefangen beim Koalitionsvertrag, der Grundlage für das gemeinsame Regieren. Der ist ein einziger Kompromiss und jede Partei konzentriert sich dabei auf ihre Schwerpunkte.

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Und so bleibt von ihren jeweiligen Zielen vor allem das über, was ihnen am wichtigsten ist: Unternehmen (Union), Gewerkschaften (SPD), Klima (Grüne), Reiche (FDP), Arme (Linke).
(Ja, bitte, es ist stark vereinfacht. Ihr versteht, was ich meine.)

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Auch wenn Die Linke sehr progressive Klima-Forderungen hat (und Netzpolitik!) und die Grünen auch Sozialpolitik: dafür werden sie nicht gewählt und deswegen rutscht das bei Verhandlungen eher unter den Tisch. Sonst gibt’s ja keinen Kompromiss.

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Es gibt gute Gründe, warum Regierungen sich verständigen, sich an diese Kompromisse zu halten: sonst wäre alles sehr wackelig, müsste permanent nachverhandelt werden und ihnen würde vorgeworfen, nichts hinzukriegen. Das Problem gibt’s ja so schon.

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Das Gleiche gilt für den Koalitionszwang im Parlament, über den sich viele oft aufregen - aus guten Gründen.

Wer schlecht verhandelt hat, muss oft Sachen zustimmen, die die eigene Fraktion eigentlich gar nicht will und die eigenen Wähler*innen schon gar nicht.

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Und wieso also Geld für Lufthansa?

Politik ist nicht statisch, sondern verändert sich ständig. Nicht alles steht im Parteiprogramm oder Koalitionsvertrag. Politiker*innen reden viel mit Vertreter*innen aller mögl. Interessen. Mehr mit denen, die ihnen inhaltlich nah sind.

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(Viel mit denen, die ihrer Partei Geld spenden. lobbypedia.de/wiki/Parteispe…).

Sie lernen dazu, oft schnell, nicht immer gründlich, und das fließt in ihre Position ein.

Oft finden die Gespräche einfach statt, weil Politiker*innen darum gebeten werden ..

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- v.a. von Verbänden, die es genau deswegen gibt: Um professionell ihre Interessen zu vertreten. Unternehmen geben für ihre Verbände viel Geld aus, weil sie wissen, wie wichtig dieser politische Einfluss ist.

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Viel seltener bitten NGOs, Bürgerinitiativen, Aktivist*innen um solche Gespräche - sie haben meist kein Geld und keine Zeit dafür.

Ohne Gespräche gibt’s natürlich auch viel weniger Einfluss auf Politik. Wenn aber Meinungen oder Proteste ‚nur‘ bei Twitter stattfinden, ..

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.. dann kommen sie in der Politik (der Parlamente) viel weniger an. Ob Petitionen da viel ändern: ich weiß nicht.

Ja, manchmal finden Themen von Twitter ihren Weg in die Presse, aber mein Eindruck ist, dass das nachlässt.

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Wenn ein großer Ärger aber nur hier stattfindet, dann hilft auch nicht, wenn viele sich sicher sind, dass ihnen alle Fakten der Welt recht geben.

Politik ist keine Mathematik. Politik ist Interessenvertretung und wenn kein Geld dafür da ist, dann hilft nur laut sein.

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Oder Mails schreiben - das ändert vielleicht nicht viel, aber definitiv mehr als ein paar Tweets.

Und ganz wichtig: Mit Spenden die kleinen NGOs unterstützen. Naja, oder selber eine gründen. Und ab und an mal auf die Straße.

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