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Ich habe jetzt schon mehrfach gelesen, man werde die Effekte der gestrigen Demos in zwei Wochen an den Infektionszahlen ablesen können. Das kann schon passieren, ist aber (meiner wie immer laienhaften Einschätzung nach) nicht sehr wahrscheinlich.

1/
Überschlagen wir mal ganz großzügig für Berlin. Dort gibt es offiziell knapp über 300 aktive Fälle. Nehmen wir mal an, es sind in Wirklichkeit etwa acht Mal so viele, also 2500. Das ist dann auf die Berliner Bevölkerung gerechnet eine von 1.500 Personen.

2/
Gehen wir auch davon aus, dass das alles grob gleich verteilt ist (oder sich die Ungleichheiten rausmitteln), dann wären auf dem Alexanderplatz vielleicht zehn infizierte Personen gewesen.

3/
Weil die Infizierten nur in einer recht kurzen Zeit auch wirklich infektiös sind, kann man mit ungefähr zwei bis drei infektiösen Personen rechnen. Wie vielen Menschen kommen diese zwei bis drei bei einer solchen Gelegenheit unter freiem Himmel nahe genug, um sie anzustecken?

4/
Sagen wir mal, es seien je zehn, die sich wirklich anstecken (was hochgegriffen ist). Dann wären wir bei 20-30 Neuinfektionen in der nächsten Woche -- und das bei jeweils eher übertriebenen Schätzungen. Das fiele in der Berliner Statistik kaum auf.

5/
Sicherlich könnten sich von diesen Fällen aus neue Ketten und Cluster bilden. Wenn aber sonst im Groben dieselben Beschränkungen gelten wie bisher, werden viele dieser Ketten abreißen. Wenn sie nicht abreißen, wird man das nicht leicht zu der Demo zurückverfolgen können.

6/
Was heißt das:
1) Superspreading ist im Einzelfall gerade nicht einfach berechen- und vorhersagbar, sondern ebenfalls ein statistischer Prozess.

7/
2) Einzelne Großveranstaltungen (insb. unter freiem Himmel) sind bei niedrigen Fallzahlen gar nicht das Problem. Ein Problem gibt es vermutlich erst, wenn sich überschneidende Gruppen immer wieder neue große Veranstaltungen besuchen und die Zahlen höher sind.

8/
3) Ein Problem könnte es umso mehr geben, wenn Menschen das nicht verstehen und mit Verweis auf die einzelne infektiologisch folgenlose Veranstaltung meinen, die Beschränkungen seien insgesamt egal.
4) Die kognitiv vielleicht größte Herausforderung in der Pandemie: Sich selbst und das eigene Handeln als Teil eines stochastischen Prozesses zu verstehen.
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