Weiter hohe Ansteckungsraten in Moskau (und ganz RUS), trotzdem überstürzte Aufhebung des Lockdowns ab morgen. Was steckt dahinter?
Kurz und allgemein: Putin ist in der nächsten Legitimationskrise. Wie kam es? Zustimmung geht seit 2018 runter. /2
Kurz und allgemein: Putin ist in der nächsten Legitimationskrise. Wie kam es? Zustimmung geht seit 2018 runter. /2
Die Wirkung der Krimannexion, die Putin in schwindelnde Höhen von 80% gehoben hatte, ist vorbei. Seit 2013 ist RUS in der Wirtschaftskrise. Seit Wiederwahl im März 2018 denken alle (Politiker/innen) zudem vorwiegend über das "Problem 2024" nach. /3
Also darüber, ob und wie Putin nach Ende der jetzigen Amtszeit die macht abgibt oder nicht. Deswegen drohte er zur "lahmen Ente" zu werden. Dieses Problem sollte Anfang des Jahres mit der Verfassungsänderung gelöst werden. P. kann wieder antreten. Mit ihm ist weiter zu rechen. /4
Das schien Mitte März erfolgreich zu, wenn auch ziemlich holzhammerartig. Wegen Art, wie eine Geheinddienstoperation, gab es zwar Unmut oder vielleicht besser nicht Unmut, sondern leichten Widerwillen bei vielen, der aber nicht so groß schien, Leute auf die Straße zu bringen. /5
Doch dann kam die Doppelkrise Corona und Öl. Zwar verbunden miteinander, aber wg. der Aufkündigung des OPEC+-Deals vom Kreml selbstverschuldet verschärft. Das ist bei Weitem nicht nur in Oppositionskreisen bemerkt worden. Das schlechte Corona-Management... /6
...hat Putins Ansehen, vor allem aber das Vertrauen in ihn weiter beschädigt. Erst sah er abwesend und uninteressiert aus, dann ungewohnt unbeholfen (Videokonferenzen sind sein Ding nicht). Die wirtschaftliche Hilfe war unterirdisch klein, ... /7
so dass sowohl bei Business als auch Bevölkerung der (wahrscheinlich richtige) Eindruck entstand, dass es um den Kreml geht, nicht um sie. Hinzu kommt das Lügen mit Ansteckungs- und Todesrate, die kaum jemand glaubt (was aber wiederum nicht sooo schlimm ist, ... /8
...weil es auch niemand anders erwartet hat). Referendum und Parade mussten dann (nach langem, unentschlossen und unwillig wirkenden) Zögern abgesagt werden. Wieder hatten viele den Eindruck, dass es nicht um die Menschen geht. /9
Jetzt sollen beide ganz hastig nachgeholt werde, obwohl viele verstehen, dass die Pandemie nicht vorbei ist (auch wenn sie der Einschränkungen müde sind). (Fast) Alle hier erwarten nun eine zweite Welle im August oder Herbst. Warum macht der Kreml das? Meine Vermutung: /10
Die tiefe Wirtschaftskrise ist in den Köpfen der Menschen angekommen, aber noch nicht ins Gefühl eingesackt. Im Herbst wird das aber so sein. Also, mag man im Kreml denken, lieber jetzt alles hinter sich bringen und in trockene Tücher. /11
Manipulieren muss man beim Referendum zwar ohnehin, damit Teilnahme und Zustimmung stimmen, aber jetzt vielleicht nicht so viel wie dann im Herbst. Außerdem ist die Kritik wohl jetzt kleiner, weil es mit der (ersehnten) Lockerung einhergeht. /12
Interessant ist auch die Umkehrung von Referendum und Parade. Geplant war Referendum zuerst und dann Parade als Feier des Ausgangs. Nun braucht man offenbar die Parade am 24.6., um wenigstens ein bisschen Stimmung für das Referendum eine Woche später hinzubekommen. /13
Interessant auch, warum die Hilfe für menschen und Wirtschaft bisher so vergleichsweise mau war (verglichen mit westlichen Staaten aber auch z.B. China) und der gut gefüllten Wohlfahrtsfond kaum angezapft wurde. /14
Meine Vermutung: Der Fond ist Ps (Über-) Lebensversicherung. Ihn jetzt so einzusetzen, dass es sich lohnte, also einen merklichen Effekt hätte, wäre eine Wette auf einen (internationalen) Wirtschaftsaufschwung und damit steigende Ölpreise und (wichtiger noch) -nachfrage... /15
...spätestens in der ersten Hälfte 2021. Viel weiter würde er bei massiven Ausgaben kaum reichen. Diese Wette war/ist dem Kreml wohl zu riskant. Mal sehen, wie es ausgeht. /Ende
