Wer die andere Seite der Debatte verstehen will,sollte @BachmannRudi lesen oder den Podcast mit @christianbaye13 hören. Die beiden argumentieren dabei, dass die MwSt.-Senkung in„modernen makroökonomischen Modellen“begründet ist.
Unsere Befürchtung ist dagegen eher, dass die beiden den positiven Effekt der MwSt.-Senkung überschätzen, weil sie in der Theorie ein Paradebeispiel neukeynesianischer Fiskalpolitik ist, die an dieser Stelle aber empirisch auf sehr schwachem Fundament steht. 3/
Die neukeynesianischen DSGE-Modelle, auf die die beiden rekurrieren, haben einen zentralen Mechanismus zum Verhalten von Privathaushalten: Wenn die Zinsen sinken, verschieben die Haushalte Konsum von der Zukunft in die Gegenwart. 4/
Dabei geht es um REALzinsen, also den Nominalzins abzüglich der Inflationsrate. Hintergrund ist, dass für die Haushalte mit niedrigeren Zinsen Gegenwartskonsum relativ zu künftigem Konsum attraktiver wird. 5/
Nun interpretieren @BachmannRudi und @christianbaye13 die temporäre MwSt.-Senkung analog einer Zinssenkung. Weil Preise absehbar (zum 1.1.2021) steigen, wird Gegenwartskonsum relativ günstiger und die Haushalte ziehen Konsum vor. 6/
Das Problem ist nun aus unserer Sicht, dass dieses Verhalten der Haushalte (technisch „Euler-Gleichung“) in den Modellen zwar angenommen wird und auch für das Funktionieren der Modelle notwendig ist, aber empirisch schwach fundiert ist. 7/
Eine (recht) aktuelle Meta-Studie zur (makroökonomisch gemessenen) Reaktion von Privathaushalten auf den Zins kommt zu dem Ergebnis, dass diese empirisch nicht klar von 0 verschieden ist, und wenn, dann wohl doch sehr klein ist. ideas.repec.org/a/bla/jeurec/v… 8/
Ein anderer Punkt ist, dass unklar ist, ob die MwSt.-Senkung an die Kunden weitergegeben wird. Die Literatur zeigt, dass MwSt.-Senkungen tendenziell weniger weitergegeben werden als Erhöhungen (die üblicherweise voll weitergegeben werden). 9/
In dem Podcast scheint @christianbaye13 zu argumentieren, dass diese Erkenntnis derzeit nicht so wichtig sei, da man die temporäre Senkung quasi als Senkung plus Erhöhung interpretieren könne. Wenn die Senkung nicht weitergegeben würde, dann zumindest die Erhöhung. 10/
Zukunftskonsum werde dann immer noch teurer, also zögen die Haushalte Konsum vor. Das halten wir für unplausibel. Eine temporäre Senkung ist etwas anderes als eine isolierte Senkung und dann eine isolierte Erhöhung. 11/
Wir würden für den deutschen Fall damit rechnen, dass die Unternehmen, die die Senkung nicht weitergeben, zum 1.1.2021 dann auch nicht die Preise erhöhen, sondern diese eher konstant lassen werden. 12/
(Es scheint auch für UK keine Evidenz zu geben, dass jene Unternehmen, die zunächst die Senkung am 1.12.2008 nicht weitergegeben haben, trotzdem die Preise zum 1.1.2010 erhöht hätten.) 13/
Am Ende wird das natürlich eine empirische Frage sein. Wir alle werden genau beobachten, was im zweiten Halbjahr passiert. 14/
Von daher ist die MwSt.-Senkung für Makroökonomen ein spannendes Experiment. Leider aber auch ein teures. Aus unserer Sicht hätte man mit den 20 Mrd. € die Konjunktur an anderer Stelle deutlich besser stützen können. 15/
Hier jetzt etwas mehr Details zu #Haushalt & #Wachstumsinitiative.
Vorweg: Wie man das Ergebnis bewertet, kommt natürlich auf das mentale Referenzszenario an. Hätte ich mir (wenn es keine #Schuldenbremse gäbe) etwas anderes gewünscht? Ja.
Das Leben ist ja kein Wunschkonzert. Es gibt die Schuldenbremse und auch keine absehbare politische Mehrheit, diese schnell zu ändern. Und im Vergleich zu den Szenarien, die denkbar gewesen wären, ist das Kompromissergebnis aus meiner Sicht ziemlich gut. 2/
Es ist zunächst positiv, dass der Haushaltsstreit der Ampel-Koalition jetzt (hoffentlich) beendet ist. Die anhaltende Unsicherheit alleine war bereits ein Wachstumshindernis. Positiv ist außerdem, dass wohl massive Einschnitte im Bundeshaushalt vermieden werden konnten. 3/
Angesichts der aktuellen Debatte, wie man Fachkräfte zur Mehrarbeit bringen kann und welche Rolle die Frauenerwerbstätigkeit dabei spielt, ist ein Blick auf die Daten hilfreich. Wie so oft mit Empirie: Es gibt Überraschungen! Ein 🧵 1/
Grundsätzlich: Seit den frühen 1990ern und auch gegenüber 2006 ist Gesamterwerbstätigkeit vor allem bei Frauen gestiegen. 2/
Besonders deutlich ist der Effekt bei älteren Frauen, der Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt hat sich bei vielen nach hinten verschoben. Und ab Mitte 40 steigt die Erwerbstätigkeit sogar noch einmal und liegt bei den älteren Jahrgängen höher als bei den Jüngeren. 3/
Die Idee von @c_lindner , #Überstunden steuerfrei zu stellen, ist nicht neu. Im Herbst war sie bereits von der CDU ins Gespräch gebracht worden. Die Idee bleibt aus meiner Sicht aber eine schlechte Idee, aus einer ganzen Reihe von Gründen: 1/
Erstens gibt es keinerlei empirische Evidenz, dass Beschäftigte in relevantem Maß derzeit Überstunden jenseits der Vollbeschäftigung ablehnen würden, weil heute die Steuerbelastung zu hoch wäre. Von daher ist der Effekt auf das Arbeitsangebot unklar. 2/
Zweitens schafft eine Besserstellung von Überstunden den Anreiz bei den Unternehmen, lieber auf überlange Arbeitszeiten zu setzen, statt Nachwuchs zu rekrutieren oder auszubilden oder bei Teilzeitbeschäftigten die Voraussetzungen für Mehrarbeit zu schaffen. 3/
Weil das bei einigen ÖkonomInnen in der Debatte wild durcheinander zu gehen scheint:
Die EU-Lieferkettenrichtlinie sollte nie europäische oder deutsche Arbeitsstandards weltweit durchsetzen.
Es geht vielmehr um grundlegende Menschenrechte und @ILO -Kernarbeitsnormen. 1/
Dabei geht es um Dinge wie das Verbot von Sklaven- und Zwangsarbeit ebenso wie Kinderarbeit, die Garantie grundsätzlicher Organisationsfreiheit sowie des Diskriminierungsverbots aufgrund von Ethnie, Geschlecht oder Religion. 2/
Wer es im Detail nachlesen will: Hier die Liste der Normen, die durch die EU-Richtlinie geschützt werden sollte:
(Übrigens überwiegend von den meisten Ländern weltweit unterzeichnet.) 3/eur-lex.europa.eu/resource.html?…
Neuer @IMKFlash Policy Brief von Lukas Endres zur CO2-Bepreisung und #Klimageld.
Ergebnis: Ein – wie absehbar ab 2027 stark steigender – CO2-Preis würde auch in der Mitte der Verteilung zu vielen VerliererInnen führen. Ein 🧵 1/ imk-boeckler.de/de/faust-detai…
Was haben wir gemacht? Wir haben mit Haushaltsdaten aus der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe errechnet, wie stark ein CO2-Preis von 275 €/t im Jahr 2030 Haushalte jeweils belasten würde und eine Entlastung durch eine volle Rückerstattung mit einem Klimageld gegengerechnet. 2/
Das Ergebnis: Es bleiben fast 5 Mio. Hauhalte (etwa 11 %), die netto (also nach Zahlung des Klimageldes) stark belastet bleiben, im Saldo mehr als 2 % ihres Nettoeinkommens verlieren. Dabei sind dies nicht reiche Haushalte, sondern verstärkt jene in der Mitte der Verteilung. 3/
Aktuellen Debatten vermitteln den Eindruck, in Deutschland seien die Sozialausgaben explodiert und der Staat über alle Maße aufgebläht worden.
Ein genauer Blick auf die OECD-/EU-Statistiken offenbart: Dieser Eindruck ist von Fakten nicht gedeckt.
Ein 🧵1/
Fangen wir einmal mit dem Wachstum der realen öffentlichen Sozialausgaben der vergangenen 20 Jahre an.
Hier liegt Deutschland bei den OECD-Ländern ziemlich weit hinten - d.h. die Sozialausgaben sind WENIG gewachsen. 2/
Nun könnte man denken, 🇩🇪 habe halt schon vor 20 Jahren einen im internationalen Vergleich aufgeblähten Sozialstaat gehabt, wie sieht es also mit Sozialausgaben relativ zur Wirtschaftsleistung aus? Auch hier ist Deutschland im Vergleich der reichen OECD-Länder unauffällig. 3/