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Die beste Reaktion auf Abhandlungen, die im neurechten Blog „Tichys Einblick“ erscheinen, ist normalerweise die gepflegte Nicht-Reaktion. Das, was dort als „Einblick“ gepriesen wird, ist nämlich bestenfalls ein „Zerrblick“.

Ausnahmen bestätigen die Regel… #Vaatz 1/20
Mit Arnold #Vaatz meldet sich dort nämlich nicht irgendjemand, sondern ein wichtiger politischer Funktionsträger zu Wort.

Vaatz ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und gehört seit Ewigkeiten (2002) dem Bundesvorstand an. 2/20
Wenn Ihr Lust habt und es gerade passt, lesen wir uns seinen Aufsatz gemeinsam durch und betreiben etwas Textanalyse. Seine Ausführungen verraten uns nämlich einiges über den aktuellen Diskurs.
Bitte anschnallen, es wird ein Schlingerkurs! 3/20
Wer seinen Text mit einem Disclaimer beginnt, ahnt, dass er sich auf dünnem Eis bewegt. So auch Vaatz, der sich als Mitglied der Regierungsfraktion zumindest formal hinter die Regierung stellen will. 4/20
Um aus dem Dilemma zu kommen, einerseits Regierungsverantwortung zu tragen und andererseits Regierungshandeln in Frage zu stellen, unternimmt er eine kühne Volte: Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie seien nicht die „Kernfrage“. 5/20
Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Bei den Leuten, die deswegen auf die Straße gehen, ist genau das die "Kernfrage".
Aber lesen wir weiter. 6/20
Nun ja, das mag zunächst etwas mit den Themen zu tun haben:

- Die Black-Lives-Matter-Bewegung setzt sich gegen Gewalt gegen Schwarze bzw. PoC ein.

- Die Anti-Corona-Bewegung setzt sich gegen das Tragen von Masken und gegen den wissenschaftlichen Konsens ein. 7/20
Oder anders ausgedrückt: Die einen wollen, dass es in der Gesellschaft insgesamt fairer zugeht. Die anderen wollen ihr individuelles Freiheitsbedürfnis (keine Masken) auf Kosten anderer ausleben und riskieren damit die Gesundheit aller. 8/20
(Und wenn man sich das vergegenwärtigt, könnte man leicht darauf kommen, warum das eine eher „gelobt“ und das andere eher „verflucht“ wird, oder Herr Vaatz?) 9/20
Jetzt leitet V. einen rhetorischen Kniff ein. Er kontrastiert Diktatur und Demokratie. Warum? Er will etwas andeuten, ohne es zum momentanen Zeitpunkt direkt auszusprechen...

Er hält Deutschland nämlich eher für eine Diktatur als für eine Demokratie. Dazu später mehr. 10/ 20
Vaatz unterstellt, dass „Regierung und Medien“ wegsehen würden, wenn sich BLM-Protestierende nicht an Maskenzwang und Kontaktgebot halten würden. Was nicht den Tatsachen entspricht, denn die Polizei hat bei Verstößen hart durchgegriffen + es kam zu zahlreichen Festnahmen. 11/20
Nun will Vaatz das große Bild aufziehen, das zu seiner Kernthese führen soll... 12/20
Es ist - ta ta ta taaa - eine Art Gleichsetzung von Deutschland mit der DDR.

Ein Vergleich, der jedoch nicht zieht, denn bei uns wurde umgedacht und die Masken sind verfügbar. Von Bananen konnte in der DDR bis zuletzt nur geträumt werden. 13/20
Erinnern wir uns zwischendurch an die Grundregel: Je kühner die Behauptung, desto stärker der Beweis!

V. vergleicht die Berliner Polizei mit den „DDR-Medien“, bleibt aber den Beweis schuldig, auf welcher Berechnungsgrundlage er auf welche alternativen Zahlen kommen würde. 14/ 20
Natürlich kann man als Demonstrierender nicht in jeden Kopf von Mit-Demonstrierenden schauen. Man kann aber auf die Veranstalter-Liste schauen. Und wenn dort zum Beispiel Nazi-oder andere obskure Gruppierungen aufgeführt werden, muss man sich das zumindest vorhalten lassen. 15/20
Was uns der Meister der aberwitzigen Vergleiche hier sagen will: Die „Sprachregler“ von heute (was und wen er auch immer damit konkret meint), sind nicht weit davon entfernt, auf ihn und seinesgleichen zu schießen.

Kommentar? Ähh, nein. Dazu fällt mir nichts ein. 16/20
Mühsam kriegt er die Kurve, baut seine letzten Worte jedoch weiterhin mit an Verschwörungsideen erinnernden „gefühlten Wahrheiten“ auf, die er nicht annähernd erklären bzw. ansatzweise beweisen kann. 17/20
Man ahnt, worunter Vaatz leidet. Als strammer „Werte-Unionist“ muss es ihn fuchsen, dass Leute wie Trump und Bolsanoro wegen ihrer Corona-Versäumnisse kritisiert werden. Also zündet er eine Nebelkerze nach der anderen und versteigt sich in einer absurden Schluss-Pointe. 18/20
Schlussworte: Vaatz unternimmt einen wilden Parforce-Ritt durch den Rechtspopulismus mit kruden Thesen und abwegigen Vergleichen. Es ist das mühsam und umständlich zusammenfantasierte AfD-Narrativ vom „Nichts darf man mehr sagen“ und „Wir haben keine Meinungsfreiheit“. 19/20
Was er dabei übersieht: Doch, man darf jede Meinung vertreten! Man muss nur damit klarkommen, dass andere Leute sich eventuell konträr dazu äußern.

Und apropos klarkommen: Als CDU/CSU würde ich schwer damit klarkommen, so jemanden als Unionsfraktionsvize zu beschäftigen. 20/20
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