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Sep 4, 2020 11 tweets 2 min read Read on X
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung von Islamkritikern aus dem türkisch-arabischen Raum (beispielsweise Ahmad Mansour oder Necla Kelek). Sie gehören beide zu der Sorte Islamkritiker, die im Westen leben und in ihren Werken ihre Erfahrungen aus erster Hand
(teilweise autobiografisch) dokumentieren. Auffallend ist allerdings folgendes Phänomen: selbige werden in den Medien gerne als islamfeindlich tituliert, aber beim Lesen ihrer Bücher stellt man oft fest, dass sie lediglich einen Reformbedarf/wunsch kundgeben. Mit anderen Worten:
Obwohl sie teilweise brutale Erfahrungen aus erster Hand vorweisen können, sie im Schlaf tausend Sachen, die ihnen am Islam missfallen, auflisten könnten, lehnen sie den Islam als solchen nicht ab. Vielmehr scheint es so, dass sie trotz ihrer Situationen dem Islam näher stehen
als der westlichen Kultur - oder präziser: der deutschen Kultur, da beide in Deutschland leben - auch wenn sie anderweitiges behaupten und die westliche (deutsche) Gesellschaft aus ihrer Sicht die bessere ist. Warum ist das so? Einerseits bieten die islamischen Kulturkreise, in
denen beide aufwuchsen, das, was die westliche (deutsche) Gesellschaft nicht bieten kann: ein ethnokulturelles Zugehörigkeitsgefühl. Das bedeutet andererseits auch, dass die westliche Gesellschaft zwar ihre normativen Hoffnungen größtenteils verkörpern kann, sie sich aber nicht
der westlichen Gesellschaft zugehörig fühlen. In ihren Werken wird deutlich, dass sie den Islam als solchen nicht ablehnen, da dieser unter anderem wegen ihrer Erlebnisse und der ethnokulturellen Komponente sehr wohl einen Teil ihrer Identität ausmacht, die sie nicht ablegen
möchten. Kübra Gümüsay brachte den von vielen verteufelten Take, dass sie gegen Integration ist, weil man sich verlieren, aufgeben und vollständig anpassen müsse. Ungewollterweise hat sie genau das zum Ausdruck gebracht, was auch ein Mansour oder eine Kelek praktizieren. Beide
fordern lediglich einen liberaleren Islam, der die ethnokulturellen Elemente, die sie kennen, beibehält und die Elemete, die sie an der westlichen Gesellschaft positiv wahrnehmen, kombiniert. Diese Kompromisslösung ist aber zugleich ein Bekenntnis, sich teilweise von der
westlichen Gesellschaft irgendwo doch in einem nennenswerten Ausmaß abgrenzen zu wollen. Darum stellen sie sich auch nicht gegen Einwanderung per se. Eine weitere Sache, die ich vermute, ist die, dass sie sich aus einem weiteren bestimmten Grund dagegen entscheiden, ihre
ethnokulturelle Zugehörigkeit nicht beim Westen zu suchen: insgeheim wissen beide, dass ihre Ethnie das relevanteste Distinktionsmerkmal auch in der Islamdebatte darstellt. Die ethnische Zugehörigkeit als vollkommen irrelevant zu erklären wäre zum Nachteil für die beiden, da sie
so nur einige Islamkritiker unter vielen wären, wodurch sich wesentlich weniger Leute für ihre Meinungen interessieren würden. Auch ein Ali Utlu fällt z.T. unter dieses Muster. Wäre er kein türkischer schwuler Ex-Muslim, wie viele würden sich für seine Meinung interessieren?

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