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Sep 8, 2020 9 tweets 2 min read Read on X
Liebe Kollegin:innen,

Eine dringende Bitte an euch. Denkt an eine Vertrauensatmosphäre mit Euren Patienten und auch deren Angehörigen auf zu bauen. Am besten vor der Behandlung. Je invasiver und elektiver die Behandlung ist, desto wichtiger ist das. Wenn es eine Komplikation
gibt, redet mit den Angehörigen und den Patienten selbst. Wimmelt die Angehörigen nicht ab, wenn sie eine Auskunft vom Operateur wollen.
Ich weiß wie der Alltag läuft. Ich weiß, dass der Tag dafür kaum Platz bietet. Nehmt euch die Zeit.
Ich rede mit allen Patienten, die ich
operiere persönlich. Bei Hochrisikoeingriffen auch mit den Angehörigen. Wenn es eine Komplikation gibt, rede ich mit den Angehörigen und Patienten und erkläre was passiert ist selbst. Auch wenn das Gespräch unangenehm ist und man auch schämt. Man muss für das was man gedacht,
entschieden und gemacht hat, gerade stehen. Wir versuchen hoffentlich immer nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln - aber vor Komplikationen ist keiner von uns gewahrt.
Warum sage ich das? Weil nun ein Angehöriger von mir mit einer schwersten, vermeidbaren und sehr bekannten
Komplikation einer wirklich kleinen Operation auf der ITS liegt und wir um sein Leben bangen.
Als ich zu Beginn der Reihe an Komplikationen mich als Kollege gemeldet und um ein Telefongespräch gebeten habe, sagten mir der CA und der Operateur "es wäre nicht nötig" mit mir
zu sprechen. Zu dem Zeitpunkt ging es meinem Angehörigen noch halbwegs gut.
Ich weiß nicht, ob ihr euch die Wut in mir vorstellen könnt. Es wird sich in Form einer Klage entladen, denn das Handeln der Kollegen war bestenfalls grob fahrlässig. Dass ich abgewimmelt wurde, macht es
keineswegs besser.
Diese unbändige Wut, die ich empfinde, weil Kontrollen nicht durchgeführt, auf eine sehr bekannte, schwere Komplikation nicht geachtet wurde, alle klassischen Vorzeichen ignoriert wurden...
Daher mein Tipp und ja auch meine Bitte: Nehmt euch die Zeit, auch
wenn unser System das nicht vorsieht. Nehmt Euch die Zeit nach zu denken und nehmt euch die Zeit zu sprechen.

Die Patienten die Euch anvertraut sind Mütter, Väter, Kinder, Schwestern, Brüder, Freunde von andren. Geht mit denen so um, wie ihr es für euch und eure Angehörigen
wünschen würdet.

Ich hoffe, ich kann die Kontenance wahren und fange nicht mit wüsten Beschimpfungen an. Ich hoffe, die Kollegen sind jetzt klug genug die notwendige Demut zu zeigen.

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Feb 14, 2023
Vielleicht zum Verständnis: Um die Maskenpflicht in den Kliniken kontrollieren zu können, ist die Vorschrift: Maske überall in Gebäuden. Das heißt wenn ich um 2 Uhr morgens alleine in der Eingangshalle stehe, Türen weit offen, laufe ich mit einer FFP2 Maske herum. Why?
Umgekehrt
das Maskentragen in die Verantwortung der Kliniken zu geben, dass man in der Klinik nach Infektionsgeschehen (lokal), Kranheitsschwere und Vulnarabilität des Patienten Masken trägt oder weglässt, ist nicht verantwortungslos. Das haben wir gemacht, bevor jeder eine Meinung zu
Masken hatte. Transplant-Patienten z.B. habe ich vor 15 Jahren bei der Aufklärung erklärt, dass man zu Infektzeiten Menschenmengen meidet und/oder Maske trägt.
Das kann man durchaus den meisten Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zutrauen. So wie man uns zutraut unsere Hände
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Jan 27, 2023
Wieso muss ich mir von Vollpfosten anhören, dass Menschen mit Migrationshintergrund dem Land nichts beitragen? Habt ihr Blindschleichen mal die Augen aufgemacht? Habt ihr mal euer braunes Hirn eingeschaltet? Jeder 4. in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Was meint ihr
wie das verdammte Land funktioniert? Wer pflegt euch? Wer operiert euch? Wer unterrichtet eure Kinder? Wer ist der Handwerker, der euer Zeug repariert? Wer produziert die Produkte? Wer sind die ganzen Leute, die die Gesellschaft am Laufen halten? Wie könnt ihr euch erdreisten so
diffamierenden Mist zu verzapfen? Ja, die Messerstecher waren aus dem Nahen Osten. Ja und? Die Nazis, die die Polizisten angreifen, Politiker erschießen sind es nicht.
Was wir brauchen: Ein Zuwanderungsgesetz. Was wir brauchen: Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Was wir brauchen:
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Jan 11, 2023
27,3% der Ärzt:innen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund.
10% der Ärzt:innen in Deutschland kommen direkt aus dem Ausland.
Wieso redet die CDU nicht darüber?
Warum müssen wir mit Migrationshintergund erneut dafür herhalten, damit Merz öffentlich seine rassisitischen
Vorurteile ausbreiten kann?
Warum muss bei jedem Thema von der Union diese Karte gezogen werden?
Mal ganz abgesehen davon, dass das Thema viel zu Komplex ist, um es mal eben mit "Paschas" abzhandeln. Wer von den "Ausländern" sind Deutsche? Wer sind eche Migrenten? Welche Rollen
spielen Geschlecht, Bildung und gesellschaftliche Akzeptanz?
Glaubt Herr Merz wirklich, dass die Kinder der systischen Kolleg:innen (5000 syrische Ärzt:innen arbeiten z.Z. in Deutschland) kleine Paschas sind?
Wir kann das sein, dass das die Haltung einer Volkspartei wie CDU ist?
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Dec 23, 2022
Vor einpaar Wochen habe ich eine Frau am Sonntag um 16 Uhr operiert. Die 4 Tage auf diese Operation gewartet hat. Mit einem Infekt und Eiter im Körper. Sie war noch nicht "dringend" genug. Es gab immer noch dringendere Fälle. Immer andere "echte" Notfälle. Ein "ecther" Notfall
heißt: Operiere jetzt, oder der Patient ist tot. 4 Tage nüchtern. 4 Tage Angst. 4 Tage weiteres Risiko. Sie hat alles überstanden klar. Es ist alles gutgegangen.
Das ist leider kein Einzelfall mehr. Inzwischen sind wir so weit, dass nicht nur elektive Operationen verschoben
werden. Wer am nächsten Tag noch lebt, kann nicht operiert werden. Das kann gut gehen, kann aber auch dazu führen, dass ein Patient in Lebensgefahr gerät, war vermeidbar gewesen wäre.
Mehr als durchgehend zu arbeiten, im Urlaub in die Klinik fahren, über eigene Grenzen gehen,
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Oct 8, 2022
Aortendissektion: Ein Einriss der Hauptschlagader. Unbehandelt hat es eine 1-3% Sterblichkeit pro Stunde. Deswegen müssen Patienten so schnell wie möglich operiert werden.
Ein verzweifelter Kollege ruft an: Wir haben eine Aortendissektion. Können Sie uns helfen?
Ich: Wir haben
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5-15%
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Sep 3, 2022
Der Urlaub ist fast vorbei und die Gedanken kehren zurück in die Klinik. Einer meiner letzten Dienste ist mir gut in Erinnerung geblieben. Ein Patient hatte angefangen in den Herzbeutel zu bluten. Obwohl die diensthabende Kollegin das früh erkannt und reagiert hatte, ging es
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