Es ist beachtlich, dass sich der @DLF so viel Mühe mit der öffentlichen Erörterung von Kritik gibt wie im Podcast "Der Tag". Bei anderen Medien, zumal gedruckten, findet solche Selbstprüfung nicht-öffentlich statt, wenn überhaupt. 1/16 deutschlandfunk.de/der-tag-kommun…
Aber gemessen am Aufwand ist das Ergebnis hier dann erst recht ernüchternd. Um nicht zu sagen deprimierend. Eine Viertelstunde wird über den Kommentar von Silke Hasselmann diskutiert. Die Diskussion dauert also sechsmal so lang wie der Kommentar selbst. 2/16
Doch in dieser langen Zeit wird das Skandalöse des Textes, das nach Zugeständnis des Senders weithin als skandalös Empfundene, nie auf den Begriff gebracht oder auch nur umschrieben. 3/16
In meinen Augen sind die beiden skandalösen Inhalte der Erpressungsvorwurf gegen die Lagerbewohner und die Unterstellung der Illegitimität der von Ministerpräsidentin Schwesig abgegebenen Willenserklärung. 4/16
Über dem Abscheulichen des ersten Punktes sollte das Gefährliche des zweiten nicht übersehen werden. 5/16
Wegen des Verdachts auf Verzweiflungstaten einzelner erfolgt die Bestrafung eines Kollektivs: Das ist die Logik der deutschen Partisanenbekämpfung im Zweiten Weltkrieg. Die Chefredakteurin verteidigt die Überlegung als alternatives menschenrechtliches Schutzkonzept. 6/16
Ausdrücklich wird für diese Apologie auch noch eine von den Sendermitarbeitern und mutmaßlich auch den Hörern geteilte gemeinsame "Werteordnung" bemüht. Es wäre besser, den hier aufbrechenden Wertekonflikt beim Namen zu nennen. Wenn man ihn wirklich "abbilden" will. 7/16
Eine Erpressung braucht Leute, die sich erpressen lassen. Der Kommentar ist darin kunstgerecht, dass er aus einem Guss ist. Die Argumente gehören zusammen. Es wird suggeriert, die Erpresser könnten reüssieren, weil die Exekutive ungestraft Versprechen machen könne. 8/16
Sie soll nämlich die verfassungsmäßige Kontrolle durch die Legislative (einschließlich der Kommunalparlamente!) ausgehebelt haben. Das ist das Narrativ vom Verfassungsbruch 2015 - der hier als seitdem durchgehendes Muster behauptet wird. 9/16
Das sagt nicht irgendein Redakteur, den man in der Kantine aufgegabelt hat und nun mit seiner extrem schrägen Meinung zu Wort kommen lässt. Das sagt die Landeskorrespondentin für Mecklenburg-Vorpommern. Was heißt das für die Berichterstattung zur Landespolitik? 10/16
Es mag Argumente geben, unter denen man auch diese Perspektive des Illegitimitätsverdachts rechtfertigen kann. Aber dann müssten die Chefredakteurin und die sie befragende Moderatorin das Problematische der Perspektive erst einmal ansprechen. Und sehen. 11/16
Immerhin erwähnt Sonja Meschkat einmal (einmal in 15 Minuten!) das Anstößige des unbewiesenen Brandstiftungsverdachts. Aber die Frage, welche Topoi und seit Jahren eingeschliffenen Standardargumente die Kommentatorin reproduziert, kommt gar nicht auf. 12/16
Wenn man rechte Systemkritik im Pool der Kommentatoren (die ausdrücklich nach "Richtung" ausgewählt werden!) partout "spiegeln" will, weil sie in der Gesellschaft vorkommt, dann muss sie doch zugleich und vorher schon Gegenstand der Analyse sein. 13/16
Aber die Abbildtheorie des Sendeauftrags blendet aus, dass Medien durch die Verbreitung von Meinungen auch Meinungen prägen. Das ist unvermeidlich und auch gewollt. Doch man muss dann auch darüber sprechen. 14/16
Sonst sollte der @DLF bitte auf einen Schlag Sendezeit sparen, durch Streichung aller Formate, in denen sich Experten zu den Ursachen der Polarisierung und kommunikativen Verrohung in der Gesellschaft äußern. 15/16
Unglaublich, aber wahr: Nach einem Tag interner Generaldebatte lautet das Fazit von Chefredakteurin Birgit Wentzien: Es soll im Interesse des "Clashs" der Meinungen noch mehr Kommentare geben, an denen sich Hörer "reiben", mehr Kommentare wie den von Silke Hasselmann. 16/16
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@elif_oezmen @ArndPollmann Strohmann nicht in dem technischen Sinne der Internet-Debattenkritik. Besser passt der andere Topos: Pappkamerad.
@elif_oezmen @ArndPollmann Ich nehme Herrn Pollmann schon ab, dass er keine illiberale Agenda hat, die meiner Ansicht nach die politische Implikation seiner Position ist. Er schreibt offenbar aus echter philosophischer Überzeugung.
@elif_oezmen @ArndPollmann Aber es sind altbekannte, längst ausdiskutierte Argumente, die philosophisch in die Sackgasse führen. Und das heißt auch politisch nichts Gutes.
In einem Artikel über die Folgen des Vernichtungskriegs der Hamas gegen Israel hat @ArminNassehi von „einer migrantischen Realität in Deutschland“ geschrieben, „die zumindest im Hinblick auf dieses Thema derzeit kaum zivilisierbar erscheint“. 1/19 zeit.de/kultur/2023-10…
Einige Leser haben die Formulierung verteidigt. Falls man in der Semantik von Zivilisation und Barbarei bleiben möchte: ein Zeichen der Verrohung des Diskurses. 2/19
Migrantische Realität: eine maßlose, sachlich durch nichts begründete Verallgemeinerung, im Hauptwort und vor allem im Adjektiv. 3/19
War die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015 eine geistige Wasserscheide in Deutschland? In diesem einen Punkt stimme ich Juli Zeh zu. Damals wurde die Regierungssystemkritik salonfähig, deren Hauptargument die Tyrannei der Mainstream-Medien ist. 1/10
In meinem Buch über den Aufstieg des neuen deutschen Nationalismus (@KlettCottaTweet) komme ich daher mehrfach auf die Krise von 2015 zurück, das damalige Nervenversagen der politischen Intelligenz, die Irrationalität ihrer Lagebeschreibungen. 2/10
Und ich bemühe mich um Entmythologisierung durch Quellenkritik. Legenden wie die Behauptung, Merkel habe gesagt, dass Deutschland seine Grenzen nicht mehr schützen könne, wurden auch von seriösen Zeitungen verbreitet sowie von Garanten der Liberalität wie Joachim Gauck. 3/10
Denn Integration benötigen ja nur die, die in „unseren“ Städten von Natur aus Fremde sind.
Gebricht es meiner Lesart an hermeneutischem Wohlwollen? Der zweite Tweet der Bundesinnenministerin bestätigt sie. „Wir“ haben ein Problem mit „bestimmten“ jungen Männern „mit Migrationshintergrund“.
Im Feuilleton der heutigen F.A.S. entwerfen @CAmlinger und @onachtwey ein Soziopsychogramm der verhinderten Putschisten. Im Fall des Reuß-Prinzen greifen sie die Information auf, dass ihn offenbar verlorene Prozesse radikalisiert hätten. faz.net/aktuell/feuill…
Einen Parallelfall von Reichsbürgerwerdung am anderen Ende der sozialen Hierarchie erörtere ich in meinem Buch "Die Wiederkehr. Die AfD und der neue deutsche Nationalismus", das am 14. Januar bei @KlettCottaTweet erscheint: die Zaunrebellin von Rodaborn. klett-cotta.de/buch/Gesellsch…
Die 2009 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Bonn veräußerte Autobahnraststätte entpuppte sich für die Käuferin ebenfalls als "Phantombesitz", weil ihr die Behörden mit Billigung der Gerichte die Bewirtung von Autofahrern mit Rostbratwürsten untersagten.
„Aber auch ein eigentlich als besonnen geltender Politiker wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff scheute nicht davor zurück, die Aktivisten unmittelbar für den Tod der Frau verantwortlich zu machen.“
Wichtig auch die Erinnerung daran, dass die Berliner Innensenatorin von der SPD von „Geiselhaft“ sprach, also die Blockierer mit Terroristen gleichsetzte.