Thread by @ardenthistorian

Angesichts von Trumps Äußerungen vor dem Nationalarchiv, in dem die Gründungsdokumente der USA aufbewahrt werden, eine Analyse zur Rolle von Schulen und Erziehung im Faschismus, anhand von Trumps Rede. Leider kein Witz #ardentanalyse

Erst einmal zur Kulisse: Ähnlich wie schon seine Rede zum vierten Juli vor Mount Rushmore, nutzt er die bedeutungsschwersten Symbole des Staates für eine Wahlkampfrede, in der er sich als der einzige Beschützer eines Landes im Belagerungszustand inszeniert.

Eingeleitet werden Trumps Worte von Mike Pence, der die Steilvorlage liefert: In den heiligen Hallen des Nationalarchivs feiern sie die Geschichte des Landes, die in Gefahr ist, weil es Kräfte gebe, die versuchen würden, sie auszumerzen.

"Wir müssen das verdrehte Netz von Lügen aus unseren Klassenräumen vertreiben und unseren Kindern die glorreiche Wahrheit über unser Land lehren. Wir wollen, dass unsere Söhne und Töchter wissen, dass sie Bürger der außergewöhnlichsten Nation der Welt sind."

Amerikanischer Exzeptionalismus ist damit als Tenor der Rede eingeführt: die Vorstellung, dass die USA auf der Welt eine besondere Stellung einnehmen und von Gott zu Größerem berufen sind. Eine solche Nation ist allen anderen überlegen, muss niemandem Rechenschaft

...ablegen. Trump hat so das Frame eingeleitet: Diese Dokumente sind Symbole der heiligen Geschichte unserer Nation, und sie sind in Gefahr. Denn: "Während wir hier heute Nachmittag zusammenkommen, versucht eine radikale Bewegung, dieses gehütete und wertvolle Erbe zu zerstören."

"Linke Mobs" bekämen Unterstützung von Politikern, Medien und Firmen: "Ob es der Mob auf den Straßen oder die Cancel Culture im Büro ist, das Ziel ist dasselbe: Widerspruch zum Schweigen zu bringen, euch Angst einzujagen die Wahrheit zu sagen, und Amerikaner zu schikanieren, .."

"...damit sie ihre Werte, ihr Erbe und sogar ihre Lebensweise verleugnen." Es geht, so Trumps Narrativ, um die Seele, den Kern des Landes. Dieser sei unter Belagerung von linken Extremisten, deren Ziel es sei, Amerika zu zerstören.

Um diese "radikale Transformation" durchzuführen, so Trump, müssten die Extremisten Amerikaner dazu bringen, "Selbstvertrauen darin zu verlieren, wer wir sind, wo wir herkommen und was wir glauben." Hier wird ein zutiefst faschistisches Narrativ aufgebaut:

Wer krit. Geschichtsforschung betreibt, ist un-amerikanisch, ein Feind des Staates und ein Verräter an den Amerikanern. Denn eine kritische Forschung zur eigenen Vergangenheit nimmt der faschistoiden Verklärung der Vergangenheit die Basis,auf der die Überhöhung der Nation aufbaut

Nicht ohne Grund sind in faschistischen Staaten die Schulen eine Grundsäule der nationalen Überhöhung und der Zementierung eines wir-gegen-die-Gefühls, der Positionierung von Volkes und der Nation gegenüber dem Individuum, von kritischer Wissenschaft als Feind der Nation.

Und so ist auch Trump direkt bei Erziehung angekommen: Die "Gewalt auf den Straßen", sagt er, sei das direkte Ergebnis von "linker Indoktrination" in den Schulen. Schülern würde beigebracht, sich für ihre Geschichte zu schämen, "die Linke" habe die "amerikanische Geschichte"

verdreht und mit Täuschungen und Lügen überzogen, man würde behaupten, die USA seien auf "Unterdrückung" gegründet: Diese Narrative, so Trump "ähnelnd auffallend der anti-amerikanischen Propaganda unserer Feinde" - und er geht noch weiter.

Denn, so Trump, die Linke und die "Feinde" Amerikas seien letzten Endes dieselbe Gruppe: "beide Gruppen wollen Amerika geschwächt, verspottet und total herabgesetzt sehen." Den politischen Gegner als Landesverräter zu diskreditieren, weil er Wissenschaft befördert,

ist aus dem faschistoiden 1x1. Denn eine kritische Wissenschaft unterwandert faschistische Denkmuster, sorgt für Pluralität, Diskurs und kritische Hinterfragung - Dinge, die ein faschistischer Staat unterdrücken muss, um seine Existenz zu verteidigen.

Er schießt sich auf "Critical Race Theory", ein Zweig der Sozialwissenschaften, der sich u.a. mit institutionellem Rassismus, White Privilege, internalisiertem Rassismus und der Benachteiligung und Unterdrückung von BIPOC in der Gesellschaft auf Grund ihrer Hautfarbe beschäftigt.

Dabei handle es sich, so Trump, um ein "Marxistisches Dokument", dass besage, dass "Amerika eine bösartige und rassistische Nation ist und dass sogar kleine Kinder mitschuldig an der Unterdrückung sind." Diese Critical Race Theory werde an Schulen und Arbeitsplätzen angewandt, um

"Freunde und Familien auseinanderzureißen". Hier auch das Frame, dass somit versucht werde, das Grundgerüst der Nation zu zerstören: die Familie. Die Theorie würde besagen, dass "Konzepte wie harte Arbeit, rationales denken, und die Kernfamilie, und der Glaube an Gott..."

"keine Werte waren, die Amerikaner vereint haben, sonder
tatsächlich Aspekte des Weißseins." Diese absichtliche Vereinfachung wird noch auf die Spitze getrieben: "Diese schreckliche Doktrin unseren Kindern beizubringen ist nichts anderes als Kindesmissbrauch."

Richtig. Der Präsident der Vereinigten Staaten nennt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Amerikas rassistischer Vergangenheit "Kindesmissbrauch im wortwörtlichen Sinne".

Damit ist die Rede leider noch nicht vorbei, aber es ist schon spät. Morgen folgt der Rest. 10€+ Patrons erhalten dann wie immer auch eine detaillierter Version der Analyse in Textform (Link in Bio).

Liebe 10€+ Patrons, Teil 1 der langen Form der Analyse findet ihr hier, u.a. mit detaillierterem Bezug auf Trumps Mount Rushmore Rede vom 4. Juli und Pence. Teil 2 folgt heute natürlich, wollte es in zwei (besser verdauliche) Blöcke teilen. #ardentanalyse
patreon.com/posts/patrioti…

Weiter geht es (sorry). Trump sagt, die Liebe "patriotischer Mamas und Papas" zu ihren Kindern sei die Waffe gegen den angeblichen Angriff durch die böse Linke auf die amerikanische Identität, die er in einer weichgespülten, revisionistischen Geschichte der USA sieht:

Amerikanische Eltern würden jetzt endlich fordern, dass ihre Kinder nicht mehr gezwungen würden, "hasserfüllte Lügen" über ihr Land zu glauben, die ihnen angeblich im Geschichtsunterricht "gefüttert" würden. Eltern würden "Indoktrination in unseren Schulen, Cancel Culture an..."

"...unseren Arbeitsplätzen oder die Unterdrückung von traditionellem Glauben, Kultur und Werten in der Öffentlichkeit" nicht mehr hinnehmen. Eines ist klar: damit ist das Christentum gemeint und nichts anderes. Weiter geht es mit einer neo-faschistischen Nebelkerze:

Forschung zu strukturellem Rassismus diene lediglich einer neuen Rassenteilung, einer neuen "Segregation" und sei dadurch in sich selbst rassistisch. Statt der "wunderschönen Vision Amerikas" anzuhängen würden Amerikaner so in Rassen eingeteilt um der politischen Macht willen.

Hierbei handelt es sich um ein klassisches Strohmann-Argument, mit dem Diskussionen zu system-immanentem Rassismus im Keim erstickt werden sollen. Trump folgert: "Critical Race Theory, das 1619 Projekt und der Kreuzzug gegen amerikanische Geschichte sind giftige Propaganda."

Deswegen solle jetzt ein "pro-amerikanischer Lehrplan" erstellt werden. Mit Gruseln kann man sich vorstellen, was da wohl drinstehen mag. Ein ausführlicherer Teil 2 der Analyse für 10€+ Patrons ist jetzt übrigens online: patreon.com/posts/patrioti…