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Oct 3, 2020 17 tweets 3 min read Read on X
Na gut, dann lasst uns mal über das "fehlende Fürsorgesystem" sprechen. Über die fehlende Fort- und Weiterbildung in der Polizei und über die eklatante Mangelwirtschaft, die absurderweise von ebenjener CDU verursacht wurde, die nun all das beklagt.

Ein Thread.

/1
In Sachen Fortbildung gibt es 3 vorherrschende Situationen:

1. Es gibt keine Angebote.

2. Es gibt Angebote, aber die Beamten werden aus Mangel an Einsatzkräften nicht für die Weiterbildung freigestellt.

3. Es herrscht Unverständnis über die richtige Priorität der Angebote.

/2
Alle diese Verhältnisse sind bereits in sich eine Katastrophe. Denn, und dies ist eine Binsenweisheit, jede Stärkung von sozialer und interkultureller Kompetenz, von Deeskalation und Kommunikation verbessert die alltägliche Arbeit der Polizei mehr als jedes Sturmgewehr.

/3
Darüber hinaus gibt es viel zu wenig Polizeiseelsorge, zu wenig Supervision, psychosoziale Dienste oder Einsatzbegleitung und -nachbereitung. Überhaupt irgendwas, wo man sich mal alles von der Seele sprechen könnte, wo man das Gefühl hat, nicht alleine zu sein, ...

/4
... wo man Überforderung und Zweifel äußern kann. Wo man etwas lernt, auch was die eigene demokratische und staatsbürgerliche Gesinnung angeht.

/5
Häufig haben die Polizeischulen der Länder zwar ein schickes Programm, wenn es aber hart auf hart kommt, weisen die PI-Leiter oder DGLs an, dass man diese oder jene Weiterbildung „nicht brauche“, es nicht relevant für die Polizeiarbeit sei, ...

/6
... man nicht auf die Einsatzkraft verzichten könne. So werden Weiterbildungen teils über Jahre hinweg verschleppt oder gar nicht durchgeführt.

Das sagen mir Polizistinnen und Polizisten, aber auch Dienstgruppenleiter*innen und Führungskräfte des höheren Dienstes.

/7
In der Polizeiorganisation unter den Beamtinnen und Beamten gibt es durchaus ein ausgeprägtes Bedürfnis sich weiterzubilden, Arabisch zu lernen, die Religionen ihrer Community zu verstehen. Aber auch über das Einsatzgeschehen zu sprechen und schwierige Einsätze aufzuarbeiten.

/8
Aber es fehlt nahezu an allem.

Teilweise - und dies ist bezeichnend - ist der Mangel derart eklatant, dass nicht einmal das Schießtraining regelmäßig stattfindet, weil der Schießstand nicht besetzt ist, weil er abgebaut wurde oder die Patronen zu teuer sind.

/9
Mir sagte mal ein Polizist, dass die MP5 besser schießen lasse als die P99 - geübt werde mit beiden gleichermaßen wenig.

Es gibt Polizeien, die auf dem Gelände der Nachbarpolizei üben oder dem Gelände der Bundeswehr oder „privat“.

Und ja, das ist dann so wie es klingt.

/10
Stichwort: Nordkreuz.

11 der 17 Innenministerien werden von der CDU geführt. Dort allerdings lässt man sich lieber neben Polizeipanzern, Wasserwerfern und Anti-Terror-Equipment photographieren als den Bedürfnissen der Polizei gerecht zu werden.

/11


taz.de/Rechte-Prepper…
Dabei ist eine massive Investition in die Weiterbildung der Polizist*innen nahezu alternativlos. Oder dafür zu sorgen, dass durch Prävention und Sozialarbeit Kriminalität gar nicht erst entsteht und in zweiter Konsequenz Polizist*innen einen leichteren & besseren Job haben.

/12
Aber damit kann man sich halt schlecht als „Law and Order“-Sheriff präsentieren oder irgendwas in die Kamera halten. Und das wiederum ist für einen CDU-Innenminister immens wichtig.

Hier passiert ja aber noch etwas anderes: Hier findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt.

/13
Die Polizei-Nazis sind laut CDU-Dregger nicht die Täter, obwohl sie Hitlerbilder und Photos von Flüchtlingen im KZ herumgereicht haben, Schwarze in einer Gewahrsamszelle verprügelt oder angezündet haben.

/14
Nein, sie sind die Opfer, weil die bösen Anderen (im Kopf bitte „Linke“ und „Ausländer“ ergänzen) den armen Polizei-Mausis das Leben so schwer machen. Da können sie halt gar nicht anders als zu Nazis zu mutieren.

Ein Argument, das man aus dem Geschichtsunterricht kennt.

/15
Ich wünschte, ich könnte etwas anderes schreiben.

Aber dass die CDU sich selbst dazu erblödet formvollendete Nazis als Opfer ihrer eigenen Arbeit zu verteidigen, nun, dass wundert mich nun leider überhaupt nicht.

Und ja, das ist ein wesentlicher Teil des gesamten Problems.

/16
An dieser Stelle möchte ich gerne folgendes Lied empfehlen, das mittlerweile 27 Jahre alt ist. Veröffentlicht wurde es von der mutmaßlich besten Band der Welt:

"Deine Gewalt ist nur eine stummer Schrei nach Liebe"

/17


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Mar 26
ACHT WOCHEN SPÄTER

Es gibt gesellschaftliche Themen, die wichtig sind. Und es gibt gesellschaftliche Themen, die Aufmerksamkeit erregen. Das muss nicht beides dasselbe sein.

Ein Thread zum Kindesmissbrauch in der evangelischen Kirche.

zeit.de/2024/13/missbr…
Ich habe für @DIEZEIT @christundwelt einen langen Text über den Kindesmissbrauch in der evangelischen Kirche geschrieben. Über das institutionelle Versagen der @EKD. Über die Entwürdigung der Betroffenen. Über den Schutz der Täter. Über die jahrzehntelang verschleppte Aufklärung.
Ich halte den Umgang mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche für ein überragend wichtiges Thema. Gleichzeitig frage ich mich, warum wir nicht leidenschaftlich(er) darüber reden.
Read 53 tweets
Oct 13, 2023
+++ DIESER ACCOUNT WIRD VON DER JÜDISCHEN STUDIERENDENUNION DEUTSCHLAND ÜBERNOMMEN +++

Der Terror gegen Israel und der tausendfache Mord an Juden zwingen uns alle zu einem unmissverständlichen Bekenntnis.

/1
Die Existenz des Staates Israel und die Sicherheit der Jüdinnen und Juden in Deutschland sind unverhandelbar.

/2
Sie haben oberste Priorität für alle, die sich Deutschland zugehörig fühlen. Wer dies infrage stellt, kann keinen Platz in unserer Mitte haben.

Dass nun Manche schweigen, die sich an anderer Stelle laut gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung engagieren, ist beschämend.

/3
Read 7 tweets
Sep 21, 2023
Ein kurzer Nachtrag zum Tweet mit der "Gestapo-Nachfolgeorganisation" sowie meiner juristischen Auseinandersetzung mit @jreichelt (Ex-BILD) und @ZaraRiffler (WELT). Mittlerweile gibt es eine gerichtliche Würdigung der Berichterstattung über mich. Und die ist nicht uninteressant.
Der dpa habe ich gesagt, dass mein Tweet "Mist" war. Daran hat sich für mich nichts geändert. Der Tweet war eine unsachliche, verkürzte und polemische Antwort auf einen unsachlichen, verkürzten und polemischen Tweet eines Polizisten gegenüber einem demokratischen Politiker.
Das kann man anders und vor allen Dingen besser machen. Als langjähriger Internet-Bewohner weiß ich, dass der ironische Spiegel in sozialen Medien nicht funktioniert. "Der Klügere gibt nach" hieß es von meiner tamilischen Großmutter. Das hätte ich beherzigen und nachgeben sollen.
Read 15 tweets
Jun 11, 2023
Keine Straftat begangen, kein Gesetz übertreten. Tatverdacht „Hat Bargeld dabeigehabt“.
Ohne jeglichen Zusammenhang.

swr.de/swraktuell/rhe…
Ohne jeglichen Zusammenhang.

fnp.de/hessen/polizei…
Read 9 tweets
Mar 8, 2023
Ich würde Rudis Ökonomie-Thread gerne mit einigen Erkenntnissen aus der deutschen Unternehmenslandschaft ergänzen.

In deutschen Unternehmen - insbesondere im Personalbereich - fehlt es schlichtweg an Kompetenz, das Problem des Arbeitskräftemangels überhaupt zu überblicken.
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass es gerade in HR/Personal an strategischer Weitsicht, an Innovationsfreude und an Gespür für Vertrieb und Werbung mangelt. Substanziell mangelt. Das war immer schon ein Problem, ist nur nie so aufgefallen, wie heute.
Man hat in Teilen noch immer das Bild im Kopf, wie die ankommenden Gastarbeiter in Busse gestopft und anschließend hinter dem Werkseingang ausgekippt wurden. Wenn die Arbeiter dann freudestrahlend und dankbar in die Fabrik hineingeströmt sind, hat man das Tor wieder zugemacht.
Read 19 tweets
Feb 7, 2023
Dieselben Journalisten, die Lisa Eckharts antijüdische Witzchen und Dieter Nuhrs antisemitische Andeutungen verteidigt haben, ziehen die Grenze der Satirefreiheit nun bei einer Karnevalsrede, in der Friedrich Merz aufs Korn genommen wird. Weil Grüne und Linke applaudiert haben.
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Man könnte eine gesamte Kolumne darüber schreiben, wie dieselben Leute, die die „Pflicht zu beleidigen“ als Freiheit propagieren, nun beleidigt reagieren, weil ihr politisches Idol zersägt wurde. Und zwar fast ausschließlich mit Dingen, die er auch noch selbst gesagt hat…
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