Thread by @SuperSebb

Gespräche mit meiner #Familie darüber, dass #Weihnachten2020 anders ist, sind schwierig, kontrovers und emotional belastend. Keiner ist ignorant, aber alle haben einfach Bedürfnis nach Nähe. Ich habe ein paar Argumente aufgeschrieben. Vielleicht helfen sie euch.

Ein Threat.

1. "Wir haben schon so lange durchgehalten, wir brauchen das"
Stimmt. Wir haben lange durchgehalten und brauchen das. Aber: Noch ein BISSCHEN durchhalten. Es gibt Licht am Ende des Tunnels. Wozu wären wir all die Monate vorsichtig gewesen, wenn wir jetzt alle Vorsicht aufgeben?

2. "Es gab schon Risikomomente, wir haben Oma besucht, warum an Weihnachten nicht?"
Risikomomente ähneln alkoholisiert Autofahren:
0,3 Promille ist nicht 2 Promille. Risiko ist nicht gleich Risiko. Damals war die Inzidenz anders, wir waren draußen. Das IST ein Unterschied.

Außerdem: Vielleicht hatten wir beim letzten Mal Glück, es ist nichts passiert, aber das sagt doch nichts über das nächste Mal aus, das nächste Mal kann es anders ausgehen.

3. "Ich bin auf der Arbeit eh Risikomomenten ausgesetzt und ausgerechnet das, was mir wichtig ist, geht nicht?"
Das ist unfair, stimmt. Und deswegen bin ich den Politikern auch böse. Der Lockdown Light war einseitig und es wird jetzt zu spät reagiert.

Aber gerade deswegen und weil du so viele Kontakte auf der Arbeit hast, ist das Risiko höher. Und so böse ich bin, ich kann es nicht ändern.

Verzicht schmerzt, aber schmerzt vielleicht weniger als Krankheit, Tod, Abschied nehmen.

4. "Oma sagt, sie hat so viel erlebt, sie ist am Ende ihres Lebens, sie ist bereit das Risiko einzugehen"
Ja ...heftig. Aber sagt Oma das auch, wenn sie auf der Intensivstation liegt? Oder ... bereut sie es dann vielleicht? Und es geht nicht nur um Oma...

Können WIR damit leben, wenn Oma was passiert und wir sind vielleicht Mitschuld? Oder werden wir uns schreckliche Vorwürfe machen und war es das dann wert?

5. "Wir können Oma nicht allein lassen. Sie war so viel allein".
Okay, stimmt. Vielleicht kommen wir erwachsene Kinder dann nicht dazu? Oder wir schalten uns virtuell zu, via Zoom auf den Fernseher? Das ist natürlich nicht so schön, aber immerhin etwas?

Oder, wenn Oma doch dazu kommt und wir virtuell nicht wollen, können wir alle darauf achten alle 20 Minuten zu lüften und können wir beim Essen auf Abstand gehen und ansonsten eine Maske tragen? Auch nicht schön, aber wenn das der Preis ist?

6. "Aber Weihnachten ist unser Familienfest!"
Ja, natürlich. Lasst uns jetzt schon gemeinsam ein Sommerfest planen, zu dem wir alle Verwandten einladen. Dann freuen wir uns darauf, auf Grillen und 20 Salate. Unsere Familie ist so stark, wir sind nicht an einzelne Tage gebunden.

7. "Ich habe mich bisher an alles gehalten, DAS will ich mir nicht nehmen lassen".
Und was, wenn das alles umsonst war, wenn jetzt was passiert? Das ist leicht gesagt - bevor etwas passiert. Aber wir haben vor 2 Tagen Opa beerdigt. Das war absehbar, und trotzdem schwer.

Ich will nicht herausfinden wie es ist, wenn zu der Belastung dieser Zeit noch der Schmerz eines weiteren Abschieds dazu kommt. Ich habe Angst davor.

8. "Es ist einfach auch schwer nachzuvollziehen, weil man keinen kennt, der daran gestorben ist. Ich lese die Zahlen, aber ich fühle sie nicht".
Ja, wir stumpfen ab. 598 Menschen sind heute gestorben. Das sind 598 Geschichten, 598 Schicksale, 598 mal Angehörige, die trauern.

Viele sterben einsam.
Manchmal müssen wir uns das bewusst machen, damit wir so handeln, dass wir auch zukünftig keinen kennen, der daran gestorben sein wird, weil unser Handeln dazu beiträgt, dass weniger Menschen sterben müssen.

Als Kontext: Wir wollten zu sechst Weihnachten feiern. Meine Eltern, meine Schwester, meine Oma und ihr Partner.
Wie das nun wird? Wir wissen es noch nicht.
Ich sage ehrlich: Ich habe Angst. Angst vor Weihnachten, Angst vor der Zeit danach. Angst davor, was das mit uns macht.

@threadreaderapp unroll pls