Neue Virusvarianten – was tun?

SARS-CoV-2 sammelt ca. 2 Mutationen jedes Monat in seinem 30.000 Buchstaben langen Genom an. Doch was braucht es, um diese Mutationen zu verstehen und gegebenfalls darauf zu reagieren? Ein paar allgemeine Überlegungen mit Fokus auf Österreich: 1/n
Wie identifiziert man in der Bevölkerung zirkulierende Mutationen?
Jedes Land folgt einer anderen Strategie. UK hat 20M für Virussequenzierungen bereit gestellt. In Ö stammen >98% der Virusgenome von unserer Kollaborationsplattform (@CeMM_News @oeaw @MedUni_Wien @agesnews ). 2/n
Wie viele Viren werden in jedem Land sequenziert?

Anzahl an Virussequenzen (aus Datenbank @GISAID), dividiert durch Anzahl bisher bestätigter SARS-CoV-2 Fälle (@JohnsHopkins):
DK0,12%
UK0.062%
CH0.0088%
NL0.0049%
AT0.0027%
IL0.0012%
FR0.0011%
IT0.00049%
HU0.00090%
3/n
Man hat die Sequenzen – was nun?

Man vergleicht die Virusgenome untereinander und mit >270.000 Virusgenomen weltweit, erstellt Stammbäume etc. Darüber schaut man sich die einzelnen Mutationen an und versucht zu interpretieren, welchen Einfluß eine Mutation haben könnte. 4/n
Was bewirken einzelne Virusmutationen?

Dies zu beantworten dauert deutlich länger (d.h. Wochen, Monate und eventuell auch Jahre) als die eigentlichje Identifizierung der Mutation. Es benötigt Laborarbeit mit Zellkultur, Computeranalysen, Tiermodelle und auch klinische Daten. 5/n
D614G - die wohl bestbeschriebene Mutation

Über die weltweit verbreitete Mutation D614G im Spikeprotein, die schon im Jän entstanden ist, wissen wir viel. Im Labor stabilisiert es das Spikeprotein und erhöht die Infektiösität. Unklar aber, ob das im Mensch auch genauso ist. 6/n
Theorie <–> Praxis
Ein Virus ist völlig vom Wirt abhängig. Evolutionär betrachtet versucht ein Virus, sich an den Wirt anzupassen und keine schwere Erkrankung zu verursachen. Es ist aber unklar für SARS-CoV-2, ob das schon oder erst in Monaten oder Jahrzehnten passiert. 7/n
Britische Variante VUI-202012/01 (B.1.1.7-Linie) - so what?

Diese Variante wurde im Sept zum ersten Mal beschrieben und zeichnet sich durch ungewöhnlich viele Mutationen aus (17 Virusprotein-verändernde Mutationen und weitere 6 Mutationen). Manche davon kennt man schon. 8/n
Labordaten suggerieren, daß manche Mutationen die Infektiösität erhöhen, andere wiederum das Virus abschwächen. Eine Veränderung könnte u.U. erschweren, daß Antikörper das Virus neutralisieren. Forschung ist nötig um alle Mutationen und deren Kombination zu verstehen. 9/n
Diskrepanz Wissenschaft – Politik

Wie geht man nun damit um, daß einerseits Mutationen in SARS-CoV2 ständig entstehen, wir aber meist deutlich verzögert erst wirklich verstehen, ob eine bestimmte Mutation (oder auch Kombinationen) einen messbaren Effekt im Mensch haben? 10/n
Hierzu werden die Begleitumstände berücksichtigt, z.B. im Fall von VUI-202012/01 die überdurchschnittlich rasche Verbreitung. Dies kann ein Hinweis sein auf eine erhöhte Infektiösität, muß es aber nicht. Zufälle (z.B. „Founder Effekte“) können genauso verantwortlich sein 11/n.
Infektiösität - Virulenz - Anfälligkeit für Immunantwort - ...

Virusmutationen können vielfältige Effekte zeigen, nicht alle sind zwingend negativ. Dafür braucht es Forschung, gerade auch im Hinblick auf wie SARS-CoV-2 auf Immunantworten reagiert. 12/n
Conclusio
Forschung muß gestärkt werden, damit wir möglichst detailiert und rasch verstehen, wie sich SARS-CoV-2 verändert, ob dies das Infektionsgeschehen verändert, welche Auswirkungen das auf Impfstoffe hat, usw. 13/n
Solch neue SARS-CoV-2 Varianten sollten kein Anlass zur Furcht ein. Gleichzeitig muß man sich der Tatsache bewußt sein, daß wir uns nachwievor im Auge des Sturms (= unberechenbare Pandemie) befinden und nie ausreichend Informationen in Echtzeit zur Verfügung haben werden. 14/n
Last but not least, Good News: ;O)

Es liegt an jedem einzelnen von uns, die Schutzmaßnahmen zu befolgen, damit die Verbreitung des Virus zu verlangsamen und letztlich die Pandemie in die Knie zu zwingen . 15/n
Korrektur zu 3/n: Zahlen mit 100 multiplizieren für Prozentsätze. dh Dänemark hat 12% aller Fälle sequenziert, und Ö 0.27%.

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