Thread by @fuwolff

Ich stehe dem üblichen Refrain von "mehr Wissen, Sichtbarkeit & Begegnung gegen Antisemitismus!" sonst sehr skeptisch gegenüber, aber die letzten Tage haben mir gezeigt, dass das Verhältnis vieler zu "jüdischem Leben" in Deutschland wirklich sehr fragil ist, Jew and gentile alike

Die nichtjüdische Seite ist schnell skizziert: Hanukkah-Grüße in die Leere, Trauer an Gedenktagen und natürlich "Israel-Solidarität" sind die Marker einer imaginierten ~Nähe~ zu jüdischem Leben, ganz ohne Gegenüber oder mit dieser einen jüdischen Person, die halt jeder kennt

Es wird oft gesagt (auch von Juden), dass dieser Phantomsemitismus in jedem Deutschen steckt. Ich glaube das nicht. Mein Eindruck ist, dass sehr viele das nur als gelegentliches unwissendes Oberflächenwallen erleben und es nur bei einem kleineren Kern ein echtes ~Anliegen~ ist

Dieser kleinere Kern nun reagiert irritiert bis ärgerlich, wenn eine jüdische Person z.B. Hanukkah-Grüße albern, Erinnerungsphrasen eklig und die IDF als Armee nicht ganz so ❤️-able wie sie findet. Vernünftige Menschen reflektieren dann ihre Einstellungen und wachsen.

Aber wer eh schon scheiße und hohl ist, wird dann pampig, ablehend oder spricht der jüdischen Person sogar ihr Jüdisch-sein ab. (Nichts anderes ist ein Antisemitismusvorwurf.) Denn - und ich vermeide solche Rhetorik eigentlich - als Deutsche kennen sie sich einfach besser aus.

But whatever. Es geht darum, solche Leute in ihrer ganzen herrischen Clownhaftigkeit zu zeigen, und wer es dann noch nicht verstanden hat, ist vielleicht einfach selbst ein Clown, oder halt indifferent. Which is fine I guess?

Interessanter, heikler auch: warum einige jüdische Stimmen so ablehnend reagieren, wenn sie, na ja, andere Entwürfe von Jewishness sehen. Im Gegensatz zu ihnen unterstelle ich ihnen nicht, etwas nicht verstanden zu haben oder Selbsthass oder Opportunismus. Ich finds einfach sad.

Sad, weil es so eine Selbstlimitierung ist, immer wieder "aber wir sind in Deutschland" zu murmeln. Und weil es sicher kein angenehmes Leben ist, z.B. hinter jeder "Israelkritik" ein kommendes Pogrom zu erahnen oder in, random example, AOC eine steinharte Antisemitin zu sehen

But whatever. Für mich ärgerlich - jenseits vom Absprechen von Jewishness, once again - ist der Versuch einiger dieser Leute, sich als Teil einer antirassistischen Koalition zu etablieren, bzw eher die Prämissen dieses Versuchs.

Eine der für mich hoffnungsvollsten Entwicklungen des letzten Jahres sind die ersten Anfänge einer *echten* Black-Jewish alliance in Deutschland, in Reaktion auf einen gemeinsamen Feind, aber auch eine gemeinsame (oft schmerzhafte!) Geschichte, der man sich stellt.

Diese Allianz kann, für mich, unter nur einem Vorzeichen stehen, auch hier. So let me say it very loud and clear: white Jews are white. Nicht "white passing", nicht vage "of color", sondern white. Dass white supremacy uns immer wieder angreift, ändert daran gar nichts. Gornisht.

Darüber lässt sich streiten, klar, oder über innere Hierarchien von whiteness (h/t @brat_skoff) reden. Und dass whiteness historisch fluide ist, mal mehr und mal weniger durchlässig, steht auch außer Frage.

Oder, to put it more succinctly:

https://twitter.com/mordkhetzvi/status/1283813856079380480

Es kann nicht sein, für sich non-whiteness zu claimen, um damit z.B. angeblich fehlende allyship von Schwarzen Menschen zu beklagen, oder konsequenzlos selber racist zu sein oder einfach ein paar "look at me, I'm PoC"-Tänzchen aufzuführen. FOH.

(Same for Arab-Jewish, Muslim-Jewish...)