Noch einmal, weil es so spannend ist: Robert Musils „Tabelle des Zigarettenrauchens“, 1940-1942
Das ist ein kleines Heft von ca. 60 Seiten, der Titel stammt wahrscheinlich aus der Hand von Musils Ehefrau Martha.
Parallel dazu führte Musil ein Notizbuch, in dem die Beziehungen zwischen Schreiben und Rauchen immer wieder reflektiert werden.
„Arbeite, statt zu rauchen“, heißt es dort, und das ist, wie Walter Fanta richtig gesagt hat, ein „Stellverteterkrieg im Kampf um die literarische Produktion“.
Es geht in dieser Tabelle, die vielmehr ein Protokoll ist, also darum, das Rauchen als eine zwanghafte Ablenkungshandlung vom Schreiben einzuschränken, weniger aus Gesundheit.
Deswegen ist das Ganze auch nicht nur eine Zahlenkolonne, die schon visuell anzeigt, wie viel geraucht wurde, sondern auch eine Leistungsschau.
Musil erstellte außerdem irgendwann zwischen 1916 und 1919 ein Sex-Arbeit-Diagramm, das entweder parallel zu einem Protokoll über „Arbeitsstimmung“ und „physiologische Erregtheit“ lief oder nachträglich gezeichnet wurde.
An solchen Protokollen lässt sich nicht nur beobachten, wie Verhältnisse von Körper und Produktion als Übergänge gedacht werden, sondern auch, wie in solchen Mischformen Deduktionen umgangen werden, die entstehen würden, würde man einfach nur protokollieren.
Die zusätzliche graphische Darstellung lässt also das Protokollierte erst sichtbar werden.
Musil führt zur selben Zeit auch andere Leistungsprotokolle, etwa über Seitenzahl-Durchschnitte, über Stockungen und Hemmungen des Schreibens, in die auch immer wieder Körperdaten rutschen.
Man sieht hier also ganz greifbar, wie Schriftsteller um 1900 versucht haben, Körperdaten festzuhalten, um ihren Output sichtbar und quantifizierbar und damit planbar zu machen.
Wer also immer noch von Genius sprechen mag, dann bitte von einem Genius mit Stoppuhr.
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