Thread by @systeon

1/ Heute berichtet die #Ostseezeitung über kleingerechnete Inzidenz-Werte im Landkreis #VorpommernGreifswald. Uns waren in dieser Woche auch Umgereimtheiten bei den LAGuS-Meldungen aufgefallen. Ein Thread.

https://twitter.com/OZlive/status/1372803628990275587?s=20

2/ Zum Verständnis muss man wissen, wie in Deutschland Fälle in der Statistik des RKI und anscheinend auch beim LAGuS geführt werden. Es gibt ein sogenanntes Meldedatum, das angibt, wann ein Fall dem Gesundheitsamt bekannt wurde.

3/ Die 7-Tage-Inzidenz eines Tages beruht auf der Zahl neuer Fälle dieses Tages und den 6 Tagen davor – und zwar nach dem Meldedatum. Meldedatum und Datum des Eingangs in die amtliche Statistik stimmen nicht zwingend überein.

4/ Unsere eigenen Auswertungen beruhten bis vor wenigen Wochen auf Datensätzen des RKI. Daher wissen wir, dass regelmäßig Nachmeldungen mit 1, 2 oder noch mehr Tagen Verspätung dazukommen.

5/ Die vom RKI gemeldete aktuelle Inzidenz kann man immer als vorläufig betrachten, sie erhöht sich in den kommenden Tagen noch. Leider ist das Datum des Eingangs in die Statistik selbst nicht Bestandteil der Daten!

6/ Das RKI markiert solche Datensätze nur einmalig als Neuzugang und am schon am nächsten Tag ist nicht mehr erkennbar, dass 10 Fälle mit Meldedatum 11.3. erst am 18.3. in die Statistik eingegangen sind.

7/ Wir haben unsere Auswertungen inzwischen auf die Daten des Thinktanks @Risklayer umgestellt. Dort gibt es ganz pragmatisch nur das Eingangsdatum. Nachmeldungen erhöhen die aktuelle Zahl und nicht für vergangene Tage.

8/ Ergebnis ist, dass auch aktuell eine 7-Tages-Inzidenz berichtet wird. Beim RKI gibt es aktuell eher eine 6,5-Tage Inzidenz, die erst mit den Nachmeldungen innerhalb der nächsten Tage zum 7-Tages-Wert wird.

9/ Nach dieser Erklärung können wir jetzt zum LAGuS MV kommen. Das Amt veröffentlicht kein Datensätze, sondern einen täglichen Bericht. Hier mal der entscheidende Ausschnitt aus dem Bericht von gestern.

10/ Wir kennen die zugrundeliegenden Datensätze und die Arbeitsweise des LAGuS nicht. Wir können diese nur aus dem Bericht und dessen Erläuterungen herleiten. Meldedatum und Auseinanderfallen mit Eingangsdatum werden erklärt.

11/ Die hervorgehobene Spalte zeigt die gestern neu hinzugekommenen Fälle. Die Summe taucht auch oben im Bericht als neue bestätigte Fälle auf.

12/ Die andere Spalte zeigt die Fälle der letzten 7 Tage. Aus diesen wird die Inzidenz durch Normierung auf Fälle pro 100.000 Einwohner berechnet.

13/ Die rechte Spalte bezieht sich naturgemäß auf das Eingangsdatum. Alle danach gemeldeten Fälle fließen in den nachfolgenden Tag ein. Die linke Spalte bezieht sich auf das Meldedatum. Also gilt alles schon für das RKI gesagte.

14/ Würde das Meldedatum immer auch dem Eingangsdatum entsprechen (keine Verzögerung), würden die Summen der Zahlen der rechten Spalte aus den letzten 7 Berichten den Fällen der linken Spalte entsprechen und somit alle in die Inzidenz einfließen.

15/ Wird ein Fall aber einen Tag verspätet gemeldet, bleibt er nur 6 Tage in der Fallzahl. Würde ein Gesundheitsamt rein hypothetisch alle Fälle immer mit einem Tag Verzögerung melden, würde das LAGuS für diesen Landkreis eine 6-Tages-Inzidenz ausweisen.

16/ Würde ein Gesundheitsamt rein hypothetisch alle Fälle immer mit 7 Tagen Verzögerung melden, würde das LAGuS (nach Ablauf der ersten 7 Tage) für diesen Landkreis immer 0 Fälle und eine Inzidenz von 0,0 melden.

17/ Wie sieht es denn in der Praxis aus? Wir haben die Werte aller Berichte vom 1.3. bis 18.3. in die Tabellenkalkulation eingegeben und können so ab dem 7.3. die Summen vergleichen. Die absolute und die prozentuale Differenz sind in den beiden rechten Blöcken.

18/ In den Landkreisen LUP, MSE, NWM und SN sind die Abweichungen gering. HRO hatte zumindest bis vor einigen Tagen Abweichungen über 10%. LRO hat um die 10% Abweichung, VR noch etwas mehr.

19/ #VorpommernGreifswald hat mit Abstand die höchste Abweichung: vorgestern am 17.3. waren es 77 Fälle, also 29%. So ergab sich aus den von Risklayer aggregierten Daten eine Inzidenz von 120,1 statt 80,2 – mit Nachmeldungen in einigen Tagen auch beim RKI in etwa zu sehen.

20/ Kann es andere mögliche Erklärungen für die Abweichungen geben als den Meldeverzug? Ein systematischer Fehler des LAGuS bei der Addition von 7 Zahlen (mal 8 Landkreise) erscheint nicht plausibel. Absichtliche Manipulation wäre schon sehr dreist.

21/ Der Meldeverzug dagegen ist Realität und der Einfluss auf die Inzidenz klar. Die Ergebnisse von Hannes Damm und Kollegen passen genau in dieses Bild. Während die RKI-Zahlen nach den Nachmeldungen stimmen, passt das LAGuS seine Berichte nicht rückwirkend an.

22/ Unsere frühere Auswertung auf RKI-Basis gibt es auch noch und sie wird täglich automatisch aktualisiert. Hier der Vergleich der Inzidenzkurven zuerst mit RKI-Daten und dann mit Risklayer-Daten. Vorhersage: Erstere wird für den 16. bis 18.3. bald höhere Werte zeigen.

23/ Wie oben erwähnt, wird in den RKI-Daten einmalig markiert, dass ein Fall heute neu hinzugekommen ist. Hier mal die Auswertung für dieses Kennzeichen in den heutigen RKI-Daten für die 3 Landkreise VG, LUP und LRO.

24/ Wir kommen damit zum gleichen Ergebnis wie Hannes Damm und Kollegen. Durch in Größenordnung verspätete Meldungen weist der LAGuS-Bericht deutlich zu niedrige Inzidenzen v.a. im Landkreis #VorpommernGreifswald aus.

25/ Da die vom LAGuS gemeldete Inzidenz Entscheidungsgrundlage für Politik und Verwaltung ist, muss hier etwas passieren. Was könnte das LAGuS selbst tun? Möglichkeiten später in einem weiteren Thread.