Szenario A: Kein Lockdown => Dass “nix tun” keine Option ist, sieht man sofort. 55.000 Todesfälle, 6 Millionen Infektionen, die zu 600.000 Longcovid-Fällen führen und eine Welle in den Intensivstationen, die nicht in die Grafik passt (Welle wäre ca. 4x so hoch wie 2. Welle). 2/x
Jetzt kommen zwei Szenarien mit ähnlichen Auswirkungen.
Szenario B: “Brems-chen” (wie 1. Märzwoche) ab 22.3.2021
=> Was passiert, wenn am Montag einige, aber keine tiefgreifenden Einschränkungen beschlossen werden? 3/x
Szenario C: Lockdown (wie 1. Februarwoche) ab 5.4.2021
=> Wie sieht es aus, wenn wir jetzt nichts ändern, und die Entscheidung für einen Lockdown mit Regeln ähnlich wie in der letzten Januarwoche/ersten Februarwoche bis Anfang April verschieben? 4/x
Interessanterweise haben Szenario B und C nahezu das gleiche Ergebnis: Etwa 25.000 Todesfälle, ca. 2 Mio Infizierte und 200.000 Longcovid-Fälle – beim “Brems-chen” bleibt aber die Welle in den Intensivstationen deutlich niedriger (7.600 Betten vs. 9.300)...
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... , weil sich die Welle etwas in die Länge zieht, ist aber immer noch um fast 25% höher als die erste Welle.
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Szenario D: Lockdown (wie 1. Februarwoche) ab 29.3.2021
=> Was würde es bringen den Lockdown eine Woche vorzuziehen? Dann sinkt die Gesamtanzahl der Infektionen und Longcovid Fälle 25% auf 1,5 Mio bzw. 150.000, die Sterbefälle sinken um 15%. 7/x
Fun Fact: In allen Szenarios mit Maßnahmen, also B/C/D, dauert es bis Juni um wieder auf die Fallzahlen zu kommen, die wir vor 4 Wochen hatten. 2 Monate Lockdown als Quittung für 4 Wochen Leben mit überstürzte Lockerungen – gegen die Empfehlungen der Wissenschaft.
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Merke: Für jeden Tag Inzidenz-Wachstum brauchst Du 2 Tage Lockdown. Das ist ein hoher Preis, den wir für die "unbedingt nötigen" Lockerungen bezahlen.
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Fazit: Wenn man die Ergebnisse des Modells miteinander vergleicht ergibt sich: Weil die Nebenwirkung der Einschränkungen beim “Brems-chen” wohl geringer ausfallen als bei einem härteren Lockdown, dürfte das z.Zt. unsere beste Option der 4 sein.
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Dazu müssten wir uns aber gleich am Montag entscheiden und das sofort umsetzen. Ist wohl nicht wahrscheinlich, dass die Politik das so schnell schafft.
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Alle anderen Modelle, also “Brem-schen” erst eine Woche später, oder Lockdowns später als 29.3. oder 5.4. haben deutlich schlechtere Aussichten, erscheinen aber wenigstens noch machbar.
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Das bringt uns zu “Szenario E”: Käme als “letzte Lösung” ein Lockdown erst am 12.4.2021, der ab 19.4.2021 wirkt, hätte das 5 Mio Infektionen, 100.000 Todesfälle und eine Welle in den Intensivstationen, die doppelt so groß ist wie im Dezember, zur Folge. 13/x
Immerhin besser als “durchlaufen zu lassen”, aber immer noch katastrophal. Das Gesundheitssystem würde kollabieren, andere Funktionsbereiche der Gesellschaft würden straucheln, was noch weitere Schäden nach sich zieht, die ich hier nicht eingerechnet habe.
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Also, ohne massive Einschränkungen kommen wir nicht bis in den Sommer. Und das alles trifft auch nur dann ein, wenn der ambitionierte Impfplan auch tatsächlich umgesetzt wird.
Nachtrag: Weil die Frage aufkam, warum in Szenario A ("nix machen") doch irgendwann der R-Effektiv Wert unter 1 sinkt und die Welle zu Ende geht. Das ist eine Kombination aus 3 Effekten
=> was jetzt kommt sind Stresstests für das Modell, bitte mit Wohlwollen betrachten 🙂
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Effekt 1: Die Impfung: Hier der Vergleich von Szenario A mit aktuellem Impfplan und mit 2 Monate verzögerter großer Impfwelle: Alle Schlüsselzahlen steigen um ca. 50% 2/4
Effekt 2: Saisonalität: Wenn ich die Absenkung des R-Wert über den Sommer (modelliert mit Sinus-Funktion) rausrechne, dann hat das etwa die gleichen Auswirkungen wie die verzögerte Impfung 3/4
Effekt 3: Lockdown: In Szenario A bleiben wir ja bei den aktuellen Restriktionen, wir sind ja praktisch in einem Dauer-Lockdown. Würden wir am 22.3. alle Restriktionen streichen, steigt R-wild auf R0=2 oder mehr und bis Juni hätten sich 54 Mio infiziert, 1 Mio wären tot. 4/4
Nachtrag 2: Es kam die Frage auf was passiert, wenn wir einen härteren "April-2020-Style" Lockdown machen würden.
Im Supplement unseres Papers "Modellierung der COVID-Infektionszahlen in Deutschland (2020–2024)" haben wir unsere Modellzahlen mit verschiedenen, öffentlich zugänglichen Quellen verglichen.
Ein Thread dazu:
Der Vergleich mit der Viruslast für ganz Deutschland aus dem Projekt AMELAG (Abwassermonitoring für die epidemiologische Lagebewertung) des RKI zeigt ab 2022 sieben Infektionswellen (Abbildung 5). Die drei Modelle zeichnen den Verlauf der Viruslast im Abwasser sehr genau nach.
In einer Studie aus 9/2024 (Loenenbach et al., 2024) berechnen Mitarbeiter des RKI den Dunkelzifferfaktor für Deutschland für 2020 bis Anfang 2024. Die Werte von Loenenbach passen sehr gut zu unseren Modell-Ergebnissen in Abbildung 6.
Unser Paper "Modellierung der COVID-Infektionszahlen in Deutschland (2020–2024)" ist online:
Zusammen mit @rv_enigma, @Martin46er1, @SNeefischer und Prof. H. Dormann haben wir versucht, die tatsächliche Anzahl (also inkl. Dunkelziffer) an COVID Infektionen in DE abzuschätzen.
Auf Basis von 3 unterschiedlich aufgebauten Modellrechnungen schätzen wir monatlichen SARS-CoV-2-Infektionszahlen in DE für die ersten 5 Jahre der Pandemie (2020–2024) ab. Es ergeben sich insg. zwischen 160 und 197 Mio. Infektionen für DE (bei 83 Mio Einwohnern).
D. h. wesentlich mehr als die vom RKI gemeldeten 39 Mio. Infektionen. d. h., im Schnitt wäre jeder Bürger mindestens 2-mal infiziert worden.
**WENN** (Achtung, Konjunktiv) die aktuelle COVID Welle ähnlich verlaufen würde wie die letzte Welle, dann **könnte** das im Herbst so aussehen: Peak der Welle könnte Anfang Oktober zwischen Inzidenz 2500-5500 sein, dafür dieses Jahr ruhigerer Jahreswechsel.
Let me explain 🧵
Wenn man sich geglättete Wochen-R-Werte (=aktuelle Woche durch Mittelwert 2 Vorwochen) anschaut und mit Anzahl der "Ansteckbaren" (=Bevölkerung minus Infektionen der letzten 12 Wochen) anschaut, könnte es Zusammenhang geben: Bei ca. 55 Mio Ansteckbaren, sinkt der R-Wert unter 1.
Dann bleibt der R-Wert unter 1, die Welle läuft aus, bis wieder ca. 78 Mio Ansteckbare erreicht sind, dann geht der R-Wert wieder über 1 und die nächste Welle beginnt. Diese Augenblicke sind in der Grafik mit rosa Pfeilen markiert.
Ich habe hier mal versucht, das aktuelle Infektionsgeschehen in Deutschland (rechts) anhand der COVID-Hospitalsierungen (links) der @diedgina Notaufnahme Ampel **abzuschätzen**. Links sieht es so aus, als wären wir auf Vorjahresniveau. Aber...
Aber weil wir (optimistisch) davon ausgehen wollen, dass die Hospitalisierungsrate über die Zeit stetig sinkt (durch mehr und mehr Infektions/Impfbedingte Immunität), müßten wir jetzt aktuell im August 2024 deutlich über der Anzahl der täglichen Neu-Infektionen des Vorjahres liegen.
Das ist hier aber natürlich nur eine ABSCHÄTZUNG mit großer Unsicherheit ("Error bars"), die man auch wieder nur abschätzen kann und die ich mit den lila Linien eingezeichnet habe. Aber hier geht es ja auch um die Darstellung des Trends.
Kann man die tatsächlichen SARS CoV2 Infektionszahlen und die daraus folgenden Longcovid Patientenzahlen aus öffentlich verfügbaren Daten abschätzen? Eine Statistik-Fingerübung zum Zuschauen. #manycharts
Ein längerer 🧵
1.
Was folgt ist eine Abschätzung der Zahlen für die COVID-Infektionen und LongCovid-Patienten in Deutschland. Aufgrund der mauen Datenlage kann das hier nur ein Versuch einer Annäherung sein. Trotzdem sollten diese Zahlen zumindest eine brauchbare Abschätzung "nach unten" sein.
2.
Wir gehen von den vom RKI vermeldeten Fallzahlen der letzten Jahre aus. Irgendetwas ist ab März 2023 passiert, die offiziellen Fallzahlen könnten suggerieren, dass die Pandemie vorbei gewesen wäre, aber....
Im Vergleich zur Vorwoche liegt die Modellrechnung mit den neuen Daten aus dieser Woche etwas optimistischer, aber nicht erheblich verändert. Spitze der Welle im Modell in der KW des 6.3.2023.
Der Peak bei den COVID-Hospitalisierungen hat sich um eine Woche nach vorne verschoben auf die KW des 6.3.2023 mit dem Wert 9250. Auch der Peak der COVID ITS-Belegung hat sich um eine Woche nach vorne verschoben auf ca. 1220 in der KW des 20.3.2023.
Mit den neuen Krankenstands-Daten der @BKKDV zeigt sich, dass die Krankenstands-Berechnung des Modells für Januar den Wert korrekt vorhergesagt hat. Für Mitte März erwartet das Modell einen höheren Krankenstand als im Dezember.