1/ Hier ein Erklär-Thread zu Schnelltests: Wie gut sind Antigen-Schnelltests, und wie verlässlich sind Testergebnisse? Zunächst die Zahlen: Die Sensitivität liegt bei ca. 50%, die Spezifität bei ca 97% (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33452927/). Das ist schlechter als die Hersteller angeben.
2/ Sensitivität ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine tatsächlich infizierte Person durch den Test als infiziert erkannt wird. Sensitivität 50% heisst, von 100 in Wirklichkeit Infizierten werden nur 50 korrekt als positiv erkannt, 50 Personenbekommen FALSCH NEGATIVES Ergebnis.
3/ Spezifität eines Test ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine gesunde Person durch den Test korrekt als nicht infiziert erkannt wird. Spezifität 97% bedeutet, dass von 100 gesunden Personen 97 korrekt negativ getestet werden, 3 Personen erhalten ein FALSCH POSITIVES Ergebnis.
4/ Sensitivität und Spezifität sind Eigenschaften des Tests. Neben dem Test spielt aber auch die Gruppe eine Rolle, die getestet wird. Das kann man sich leicht überlegen:
Testet man 100 Personen, die alle positiv sind, ...
5/ ... so wird der Test wegen der schlechten Sensitivität nur ca. 50 davon erkennen. Diese 50 erhalten ein richtig positives Ergebnis. Die anderen 50 erhalten ein falsch negatives Ergebnis. Der Test liegt nur in 50% der Fälle richtig, in 50% der Fälle ist das Testergebnis falsch!
6/ Testet man 100 Personen, die alle in Wahrheit negativ sind, wird der Test bei 97 Personen dieses negative Ergebnis korrekt anzeigen. 3 Personen erhalten ein falsch positives Ergebnis. Der Test liegt also jetzt in 97% der Fälle richtig.
7/ Was bedeutet das in der Praxis? Wie verlässlich ein Testergebnis ist, hängt davon ab, wie häufig die Erkrankung in der Bevölkerung ist. Ich vereinfache: Nehmen wir eine Inzidenz von 100 an, und nehmen weiter an, ein Infizierter ist 7 Tage lang infektiös.
8/ Wir vernachlässigen hier dass hoffentlich die meisten positiven in Quarantäne sind, und vernachlässigen die Dunkelziffer – dann sind 100 Personen je 100.000 Einwohner infektiös, also 0,1% bzw. einer in Tausend.
9/ Praktisches Beispiel: Kinoaufführung mit 100 Personen. Die Wahrscheinlichkeit ohne Test, dass in unserem Kino mit 100 Personen mindestens ein (unerkannter) Infizierter dabei ist, beträgt dann etwa 9,5% (Rechnung geht mit Binomialverteilung).
10/ Jetzt machen wir am Eingang einen Schnelltest. Ins Kino kommen nur Personen mit negativem Schnelltest. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, bei negativem Schnelltestergebnis trotzdem infektiös zu sein?
11/ Überschlägig gerechnet: Die meisten Kinobesucher sind negativ, die Wahrscheinlichkeit dass im Kino unter 100 Personen mindestens ein Infizierter dabei ist, beträgt bei Inzidenz 100 etwa 9,5%. Wenn alle am Eingang getestet werden, wird dieser in 50% der Fälle erkannt.
12/ Es ergibt sich dann eine Wahrscheinlichkeit, das - obwohl alle am Eingang negativ getestet wurden - mindestens eine positive Person im Kinosaal ist von 5,1%. (Rechnung geht mit Bayes Theorem und Binomialverteilung).
13/ Der Schnelltest reduziert also das Risiko grob um 50% - bringt es aber nicht auf 0!
14/ Ein weiteres Problem sind falsch positive Ergebnisse. Hier spielt die Spezifität des Tests eine Rolle – von unseren 100 Personen werden ungefähr 3 ein falsch positives Ergebnis erhalten – diese können nicht in das Kino, obwohl sie eigentlich gesund sind.
15/ Fazit: Schnelltests sind wichtiger Baustein der Pandemiekontrolle, weil sie das Risiko einer Infektion in einer Gruppe um 50% reduzieren. Aber: Bei einer Inzidenz von 100 ist die Wahrscheinlichkeit, dass unter 1000 Personen trotz Schnelltest min ein Positver ist, bei ca. 41%!
16/ Schnelltests sind also nicht zum „Freizutesten“ geeignet (habe negatives Testergebnis, also bin ich nicht infektiös -> Stimmt nicht). Aber: Schnelltests können wenn breit und regelmässig getestet wird, dazu beitragen, Infizierte zu finden & Infektionsketten zu unterbrechen.
17/ Abschliessend noch zwei Überlegungen: Wie wahrscheinlich ist es, tatsächlich positiv zu sein, wenn man ein positives Schnelltestergebnis hat? Unter den Annahmen von oben ergibt sich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit von nur 1,6%.
18/ In 98% der Fälle ist man also trotz positivem Schnelltest negativ. Das liegt an der relativ niedrigen Verbreitung (1 in 1000 Personen ist infiziert). Diese 98% gelten aber nur, wenn man "anlasslos" testet - hatte man einen Kontakt, ist man viel wahrscheinlicher positiv!
19/ Entsprechend gilt - wenn man anlasslos testet, und ein negatives Testergebnis hat, ist man mit 99,9% Wahrscheinlichkeit tatsächlich negativ.
20/ Aber auch ohne Test wäre die Wahrscheinlichkeit, dass mann negativ ist, >99%. Der Test bringt hier also nur eine geringe zusätzliche Sicherheit.
Unsere aktuellen #covidsim Modellsimulationen für Deutschland. Schwarz: Blau: Kumulierte Infektionen, Grün: Genesene, Schwarz: Todesfälle, Rot: Neuinfektionen, Violett: Patienten auf Intensivstation.
2. Close-Up der Todesfälle (kumuliert), Neuinfektionen und Intensivpatienten. Die dritte Welle ist deutlich zu sehen. Krankenhausfälle steigen verzögert an, dort kommt der Anstieg erst noch!
3. Prognose bis Anfang Mai: Inzidenzen werden rapide ansteigen, der Anstieg wird sich beschleunigen: Exponentielles Wachstum. Bereits berücksichtigt: Impfungen, Saisonalität, B.117.