Darf man es als falsch werten, wenn ein Kind bei der Multiplikation die Zahlen in der umgekehrten Reihenfolge schreibt? Ich bin gestern in eine wilde Mathe-Unterrichts-Diskussion hineingeraten. Ein paar persönliche Gedanken dazu. (Thread)
Ich mochte Mathematik als Kind: Regeln, die logisch sind, die sich nicht einfach jemand nur so ausgedacht hat. Man erkennt: Es geht nicht anders. Es gibt eindeutige Lösungen und klare Antworten. Das ist schön, das schafft Sicherheit - und gleichzeitig Raum für kreatives Denken.
Ich erinnere mich aber noch heute an eine Mathematikstunde, die mir panische Angst bereitete. Es ging darum, Additionen zu visualisieren, indem man Punkte einkringelte.
Kein Problem! Ich löste das so:
Die Lehrerin meinte: "Ach schau, da links, die fünf Punkte, die sehen aus wie auf dem Würfel. Diesen schönen Würfel-Fünfer willst du doch nicht auseinanderreißen!" Sie wollte es so:
Und zum ersten Mal im Mathematikunterricht hatte ich Angst. Die Sicherheit war weg. Was war passiert? Welche Regel hatte ich übersehen? Warum sind Würfelmuster wichtiger als andere? Gibt es noch andere wichtige Muster? Hilfe!
Die Lehrerin (es war eine Aushilfslehrerin, weil die Klassenlehrerin krank war) meinte das nicht böse. Sie wollte helfen. Hätte sie einfach gesagt: "Ja, passt, es gibt mehrere richtige Antworten. Man kann es zum Beispiel auch so machen", dann wäre alles gut gewesen.
Aber so hat sie etwas ausgelöst, woran ich mich Jahrzehnte später noch erinnere: Frustration, Angst, Unsicherheit. Das Gefühl, keine Kontrolle zu haben. Das Schöne an der Mathematik - die logische Verlässlichkeit - war beschädigt.
Das war zum Glück kein bleibender Schaden. Aber ich frage mich: Wäre mein Mathematikunterricht so weitergegangen, mit dieser Sorte von Enttäuschungen, hätte ich dann je ein Mathe-Talent entwickelt? Hätte ich je Physik studiert und in Quantentheorie promoviert? Nein, sicher nicht.
Und daher ärgert es mich, wenn jetzt Mathe-LehrerInnen erklären: Das ist Didaktik! In der 2. Klasse ist 4*5 eben falsch, wenn 5*4 gefragt war! Isso!
Nein! Ihr wisst nicht, was ihr damit anrichtet!
So etwas ist keine technische Harmlosigkeit! Vielleicht habt ihr gerade der nächsten Marie Curie oder dem nächsten Albert Einstein die Freude am logischen Denken zerstört. Bitte Vorsicht!
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Wenn wir von Klima-Kipppunkten reden, denken wir vielleicht an Grönlandeis oder Permafrostböden. Ich glaube, ein wesentlicher Klima-Kipppunkt ist die Präsidentschaftswahl in den USA. Wenn Trump gewinnt - wie soll es dann jemals globale Klimapolitik geben? (Thread)
Wir leben in dem Jahrzehnt, in dem entscheidende Weichen für das Weltklima gestellt werden, und damit für den möglichen Wohlstand im Rest des Jahrhunderts. Wenn ein CO2-Riese wie die USA in dieser heiklen Phase von einem Klimawandelignoranten regiert werden, ist das katastrophal.
Trump ist bereits in seiner ersten Amtszeit aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Jetzt planen seine Gefolgsleute auch noch massive Einschnitte in der Umweltbehörde EPA. Er feiert das Fördern von Öl und Gas. Da bleibt nicht viel Spielraum für Interpretation.
"Die jungen Leute sind für Energiesparen, aber dann scrollen sie selbst ständig am Handy rum!" Dieses Argument ist Unfug. Smartphones sind für unseren Energieverbrauch praktisch egal. Sehen wir uns das mal an. (Thread)
Die Kapazität eines Smartphone-Akkus wird meist in mAh angegeben (Milli-Ampere-Stunden). Ein großer Handy-Akku hat vielleicht 4000mAh. Das ist eigentlich eine etwas irreführende Einheit, weil das nämlich nicht verrät, wie viel Energie er speichert.
Energie ist Stromstärke mal Spannung mal Zeit. Stromstärke und Zeit ist in unserem Wert von 4000mAh schon drin. Wir müssen aber noch die Spannung dranmultiplizieren. Das sind beim Handy ca. 4 Volt. 4000mAh mal 4 Volt sind 16000mWh (Milliwattstunden). Also 16Wh (Wattstunden).
Das Abendland ist wieder mal gerettet! Der Wiener Michaelerplatz bleibt dominiert von Autos und Beton. Wo kämen wir denn hin, wenn dort Platz für Grün und Kinder wäre!
Eine interessante Fallstudie darüber, wie menschenfeindlich wir mit Raum in unseren Städten umgehen: (Thread)
Der Michaelerplatz ist ein prominenter Platz mitten in Wien. Dominiert wird er derzeit von einer kreisrunden Autostraße. Die Gebäude ringsum sind wunderschön, aber ein Ort zum Verweilen oder gar Hinsetzen ist er nicht.
Auch weil die Innenstadt klimabedingt im Sommer immer unerträglicher wird, wurden Pläne entwickelt: Mehr Bäume, mehr Grün. Wasserspiele, die für Abkühlung sorgen. Eigentlich eine völlig unambitionierte Mini-Reform. Keine Rede etwa davon, den Platz autofrei zu machen. Aber ok.
"Haha, in Mathe bin ich schlecht, aber das braucht ja niemand!" So etwas hat wohl jeder schon mal gehört. Ein paar Sätze darüber, warum ich Mathe-Feindlichkeit für gefährlich halte. (Thread)
Ich habe vorhin eine simple Rechenaufgabe repostet, die von vielen Leuten falsch beantwortet wurde. (Jemand gibt 80 aus, nimmt 125 ein, gibt 140 aus, nimmt 155 ein. Wie hoch ist der Gewinn?) Ich fand das bedenklich, das führte zu Diskussionen. Ich sollte das wohl erklären.
Klar ist: Es ist völlig ok, schlecht in Mathe zu sein. Wir alle haben unsere Stärken und Schwächen. Ich z.B. bin ziemlich unsportlich. Das ist auch ok. Wir haben völlig unabhängig davon alle das Recht, uns in unserer demokratischen Gesellschaft zu äußern.
Die europäische Überheblichkeit, wenn es um Wissenschaft & Technologie geht, ist erstaunlich. Man scheint es als Naturgesetz zu betrachten, in diesen Bereichen Weltspitze zu sein. Über das Szenario, technologisch überholt & abgehängt zu werden, denkt man gar nicht nach. (Thread)
Ich wurde gestern bei einer Podiumsdiskussion wieder damit konfrontiert: China werde in der Wissenschaft weniger erfolgreich bleiben als Europa, weil das Klima einer Diktatur schädlich sei für Kreativität und kritisches wissenschaftliches Hinterfragen, hieß es da.
Da ist schon etwas Wahres dran. Ich glaube auch, dass ein kreativitätsförderndes Klima, in dem Widerspruch erwünscht ist und Autoritäten hinterfragt werden, positiv für Wissenschaft ist. Daraus eine dauerhafte Überlegenheit abzuleiten, halte ich für naiv und gefährlich.
Lange dachte ich, die Flache-Erde-Theorie sei die verrücktest mögliche These überhaupt. Aber da kannte ich die Schwerkraft-Leugner-Szene noch nicht. Da bleibt einem wirklich der Atem weg. Was behaupten diese Leute? (Thread)
Natürlich glauben auch die Gravitations-Gegner nicht, dass sie aus dem Fenster springen und davonfliegen können. Sie sagen aber: Das ist nicht Gravitation, wie sie etwa Newton beschrieb (eine Kraft zwischen Objekten, proportional zu ihrer Masse).
Stattdessen sagen sie: Es gibt bloß Auftriebskraft. Jedes Objekt hat eine bestimmte Dichte. Was dichter ist als die Umgebung, bewegt sich nach unten, was weniger dicht ist als die Umgebung bewegt sich nach oben.