Weil viele Fragen, wie die Situation auf der Wiener #mayday21 so spät noch & so schnell eskaliert ist, versuche ich mal eine mini-Chronologie zum Polizeieinsatz. Subjektive Wahrnehmung ohne Gewähr & Vollständigkeit versteht sich. #w0105
Die Mayday war zu dem Zeitpunkt schon an ihrem Endpunkt angekommen. Sie ist bis dahin komplett ruhig verlaufen. Geplant war nur mehr eine Schlusskundgebung im Park. Während der Abschlussreden wurde auf einem Baugerüst an der Votivkirche ein Banner gehisst. Dann ging es los.
Polizeieinheiten sind vor der Demo zur Kirche gelaufen, um die Aktivisten beim Hinunterklettern vom Gerüst abzupassen. Ein Teil der Demo ebenso. Dort standen zwei Personen, die zuvor auf den Coronademos waren. Einer hat in dieser Situation Linke mit Pfefferspray angegriffen.
Die Polizei hat in Reaktion darauf auch bzw. meiner Wahrnehmung nach nur Linke festgenommen (der Angreifer wurde angehalten). Als sie einen Linken mitten durch die Demo wegschleifen/tragen, wird es unübersichtlich und turbulent.
Die Kärnter Einheiten sind sichtlich überfordert. Sie prügeln sich den Weg frei, werfen Leute in ein Gebüsch oder zu Boden. Die Wiener EE kommt zur Hilfe. Beamte beschimpfen die Demo lt Betroffenen als scheiß Zecken, einzelne als Wichser, Arschloch etc. (Fotos by @PresseWien)
Das ganze schaukelt sich immer mehr auf. Mittlerweile sind mehrere Personen angehalten bzw. werden festgenommen. Einzelne verfolgt die Polizei über hundert Meter durch die Demo, Pfefferspray wird eingesetzt. Siehe dazu:
Eine Kollegin wird beim Dokumentieren einer Festnahme mit der DSLR in der Hand auf der Motorhaube eines Autos zu Fall gebracht, indem Polizisten ihr laut Augenzeugin die Beine wegziehen. Eine lebensgefährliche Aktion. Sie wird verhaftet.
Ein Mann schreit während seiner Festnahme furchtbar. Es wirkt, als wäre er verletzt. Er wird dennoch in einen Gefangenentransporter geschleppt und eingeschlossen. Sanitäter werden nicht zu ihm durchgelassen.
Als der Gefangenentransporter abfährt, stürmt die Polizei erneut den unteren Teil des Parks, in dem viele am Boden sitzen, um die Schlusskundgebung zu hören - sich aber auch komplett Unbeteiligte & spielende Kinder aufhalten. Die Polizei rennt durch, pfeffert. Es gibt Verletzte.
Sicher eine halbe Stunde bleibt sie danach noch mitten im Park stehen. Erst dann holt sie ein Wiener Kommandant sichtlich verärgert zurück - sie haben dort keine Aufgabe, es gibt längst keine Amtshandlung mehr abzusichern mitten im Park.
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Ich hab heute anlässlich aktueller Vorkommnisse schon einige Tweets gelesen, die sich fragen, wieso Betroffene sexualisierter Gewalt oft nicht offen ihre Vorwürfe äußern. Wieso Vorfälle nicht mit Ort & Zeit benannt werden. Wieso es nicht zu allem Anzeigen gibt. Die Kurzversion
ist: Weil wir in einem Patriarchat leben, das Täter schützt und Betroffene nicht. Und weil unser Rechtssystem dadurch bestimmt ist. Unter zehn Prozent der Anzeigen führen zu Verurteilungen der Beschuldigten. Ein Verfahren stellt eine enorme psychische Belastung dar, ist mit
Retraumatisierung, mit
erheblicher finanzieller Belastung und oft einem ungewollten Outing im persönlichen Umfeld und teils in der Öffentlichkeit verbunden. Dazu kommt: Sobald eine Betroffene ihre Vorwürfe öffentlich macht, kann der Täter sie klagen, selbst wenn parallel ein
Ziemlich genau sechs Jahre mach ich jetzt schon Doku-Arbeit auf Demos. Das waren so ziemlich meine ersten Fotos damals. Ein Angriff auf uns durch „Identitäre“ Kader - Verfahren eingestellt weil „keine Beweise“ vorlägen. Viel hat sich seither nicht getan. #rechteGewalt
Damals hatte ich noch wirklich daran geglaubt, dass bei so eindeutigen Bedingungen eine Anzeige sinnvoll ist. Naiv, ich weiß. Dann wurde ich in der Sache geladen - als Beschuldigte.
Egal wie eindeutig die Sache scheint, für die Polizei steht der Feind immer links. Das darf man nie vergessen. Wir können hier weder auf Gerechtigkeit noch auf Rechtmäßigkeit der Arbeit von Polizei und StA vertrauen.
Kleine Anekdote noch von der Demo. Ich hab ja erzählt, dass zwischendurch Typen mein Team angegangen sind. Beschimpfungen, mit Bier anschütten, schubsen. Das übliche Drohszenario. Nachdem nichts weiter kam, sind wir irgendwann weiter. Für uns war die Situation damit erledigt.
Aber auch nur für uns. Die Polizei hat zwei Aggressoren dann aufgeschrieben. Unklar mit welchem Vorwurf, waren da nicht involviert & sind auch nicht nach Personalien gefragt worden o.Ä. Damit dann also wirklich erledigt? Könnte man meinen.
Stunden später kommen die Aufgeschriebenen her, betonen sie wollten nur reden. Ob wir sie angezeigt hätten. Haben wir nicht. Wir sollen das nur machen, dann geben sie meine Adresse "dem Martin Sellner und der Austria". So viel zu nur reden.
In letzter Zeit war hier öfters Thema, womit man konfrontiert ist, wenn man Demos dokumentiert. Von systematischer Behinderung der Arbeit bis zu physischer Gewalt. Ich ergänze das mal um eine Perspektive, die sonst außen vor bleibt: Was heißt es, diese Arbeit als Frau zu machen?
Ja, das macht einen Unterschied. Wenn man als Frau & Feind gleichermaßen wahrgenommen wird, ist der Umgang ein anderer als bei Männern. Ein paar Beispiele zur Veranschaulichung. Für den weiteren Thread: [tw Gewalt; tw sexualisierte Gewalt]
Rechtsextreme wollen vom Arbeiten ablenken/abhalten? Bedeutet anzügliche Kommentare, Spekulationen über Beziehungen & Sexualität, bedeutet diverse Phantasien auf sich projiziert & mitgeteilt zu bekommen. Nicht statt der üblichen Strategien von Abschirmen über Abdrängen bis zu
Jene Maoisten, die auf der letzen Coronademo neben Rechtsextremen gelaufen und ihnen gegenüber abgestritten haben, Linke zu sein, konnten auf der kommunistischen 1. Mai Demo in Wien übrigens nicht nur mit Bannern mitlaufen, sondern auch eine Rede halten. Wieso auch immer..
Ich weiß, am ersten Mai hat jede linke Sekte ihren Platz, aber wer mit Faschos marschiert, sollte zumindest irgendwelche Konsequenzen in der Linken merken, oder?
Das sind Demos, aus denen heraus Linke physisch attackiert werden und das regelmäßig. Auch während die Maos vor Ort waren (wars nett, zuzuschauen?). Demos, auf denen die extreme Rechte den Ton angibt und literally Neonazis mitlaufen.
Ein kleiner Reminder zum Thema Aussageverweigerung - Weil bei dem Thema viel als Selbstverständlich gilt & gar nicht mehr behandelt wird, aber nur sehr wenig selbstverständlich ist:
Wenn du sagst „Ich habe damit nichts zu tun und möchte deshalb nichts dazu sagen“ dann ist das eine Aussage.
Wenn du sagst „Ich weiß nichts davon“, dann ist das eine Aussage.