Thread by @AnkeJulieMartin

Ich habe 2021, also 76 Jahre nach Holocaust "Akteneinsicht" erhalten, dank des sehr engagierten Leiters einer Gedenkstätte. Es war nicht die SS. Die "normale" Kriminalpolizei war es, die willkürlich meinen Grossvater verhaftete und dafür sorgte, dass er nach Neuengamme kam. Und

als die Befreiung von Neuengamme kurz bevor stand, wurden die Gefangenen in Neuengamme, die nicht ermordet wurden, nach Buchenwald geschickt. Mein Grossvater hat das Alles körperlich verkrüppelt und seelisch verstümmelt überlebt. Wenn ich jetzt lese, dass die Polizei feststellen

will, ob Menschen, die wegen Israel-Fahne bedroht oder angegriffen werden, jüdisch sind, deren Personalien überprüft, ihnen Platzverweise gibt, ANSTATT gegen ANTISEMITISCHE ANGREIFER vorzugehen (wie in Hagen), dann bin ich wütend. Sehr sehr wütend.
Kein Vergeben. Kein Vergessen.

Ich habe dabei zum ersten Mal erfahren, dass mein Grossvater zum Zeitpunkt seiner Deportation verheiratet war und Vater von 2 Kindern war. Diese 3 Menschen hat er verloren. Meine Grossmutter, von deren Familie niemand die Shoa überlebte, war seine zweite Frau. Wenn seine ersten

2 Kinder überlebt haben, hätte ich eventuell doch noch Blutsverwandte. Die ich niemals kennenlernen werde. Ihr seht, "Familie" ist bei vielen Enkeln von Holocaustüberlebenden zahlenmässig sehr überschaubar. Weil Alles ausgelöscht wurde. Ausser die sorgfältigen deutschen Akten.

Geholfen hat mir dieser wunderbare Mensch, Licht ins absolute Dunkel zu bringen. Denn sprechen konnte mein Grossvater über das Erlebte kaum.
wz.de/nrw/duesseldor…

Das Buch amazon.de/Die-Kommissare… kann man beim örtlichen Buchhändler des Vertrauens bestimmt auch bestellen.

Mein Grossvater hat als KZ-Insasse hunderte Menschen sterben sehen. Er überlebte traumatisiert, ausgemergelt, unterernährt, nach massiver Gewalt nur einem intakter Lungenflügel.
Er verdrängte, um weiterleben zu können. Darum sprach er nicht darüber.

https://twitter.com/franzl94563388/status/1396406509354037249

Das ist so typisch. Anfang der 80er in Deutschland trug mein Grossvater immer Langarm, um die tätowierte KZ-Nr zu verbergen. Denn Reaktionen auf die lebenslange Brandmarkung waren grob zusammengefasst "Juden sind ja alle tot oder weg, das kann also nur ein Krimineller sein!"