Eine absurde Entwicklung der Postmoderne: politische Linke, die Kritik an religiösem Extremismus aufgeben. Exemplarisch dafür dieser Thread eines Aktivisten, der über die gedruckte Schahāda auf Flaggen bei Pro-Palästina-Demos sinniert als sei sie ein Friedenstauben-Emoji.
Natürlich kann man sich fragen, ob ein Verbot der Hamas-Flagge zielführend ist. Man kann auch über die Geschichte der Schahāda nachdenken, Hamas-Wording zitieren ("Widerstandsgruppierung") und harmlose Stockfotos von Politikern raussuchen. Ist dann halt aber naiv.
Man könnte sich stattdessen aus einer emanzipatorisch-liberalen Perspektive fragen, welche Gruppierungen sich eigentlich ein islamisches Glaubensbekenntnis auf Flaggen ballern und nach außen tragen, um es als politisches Symbol zu nutzen.
Kleine Auflösung, wer neben der "Widerstandsbewegung Hamas" noch die Schahāda auf Flaggen druckt: Terrororganisation Taliban, Terrororganisation Al Qaeda, Terrororganisation Boko Haram, Terrororganisation Hizbollah, Terrororganisation Al-Nusra, Terrororganisation Al-Shabab.
Daneben noch Kaukasus-Emirat, also sunnitische Splitterterrorgruppen, Hizb Ut-Tahrir (vom VfS beobachtet, das sind die aus Hamburg:
), Saudi-Arabien (Exportschlager Wahhabismus) und, nicht zu vergessen, "Daesh".
Nicht die beste Gesellschaft für emanzipatorische Kämpfe, aber was weiß ich schon.
Dann könnte man sich im nächsten Schritt fragen, was Flaggen mit Glaubensbekenntnissen überhaupt auf politischen "pro-palästinensischen" Demos zu suchen haben — zumal der Konflikt doch, wie wir wissen, nichts mit Religion zu tun.
Neben Hamas ist "Islamic Liberation Party", eine Organisation von Hizb ut-Tahrir, einflussreich in Palästina. Letztes Jahr versammelten sich 15k vor dem Tempelberg, um gegen Macron und Frankreich zu demonstrieren. (Foto von 2012 in Ramallah); Kontext 2020: jns.org/this-group-wan…
Achja, und natürlich war die Schahāda-Flagge bei etlichen "pro-palästinensidschen" Demonstrationen in den vergangenen Wochen immer wieder zu sehen. Auf die Schnelle gefunden in Berlin, Mannheim, Hamburg, Leipzig (Bilder u.a. via @democ_de, @KI_Mannheim)
(Dass der hier ausgetragene Nahostkonflikt wohl was mir Religion zu tun hat, haben andere und ich bereits an mehrerer Stelle ausgeführt, u.a.:
Man könnte das alles dann mal zusammenzählen und sich fragen, ob die gedruckte Schahāda auf Flaggen nicht übermäßig oft mit islamistischen und antisemitischen Gruppierungen korreliert und einen Track Record hat, der Terror legitimiert. (Die Antwort lautet: ja)
Man könnte sich aus emanzipatorisch-liberaler Perspektive fragen, ob es nicht einen gesellschaftlichen Zielkonflikt gibt, wenn manche Gläubige sich beleidigt fühlen, weil die Schahāda im Rahmen einer harmlosen Marketingaktion auf Kronkorken gedruckt wird. welt.de/politik/deutsc…
Man könnte auch weiter zu "Schahāda im politischen Kontext" recherchieren und fände heraus, dass es durchaus Anlass zur Sorge gibt, dass Rechtsterroristen und ihre Unterstützer immer wieder Bezug auf Islamismus und eben jenes gedrucktes Glaubensbekenntnis nehmen.
Diese Fotos etwa stammen von "Ivan der
Judenjäger" (links), der Sympathien für die Identitäre Bewegung bekundete und sich im Umfeld von David S. bewegte, dem Attentäter von München. Besagter Ivan war/ist in etwaigen rechtsterroristischen Kontexten vernetzt.
Dieses Foto stammt von C.T. Blevin, der im Verdacht steht, ein Attentat auf einen Walmart in Kerrville geplant zu haben. Neben rechtsextremen Versatzstücken (Schwarze Sonne, Falanga, Evola, "Turner Diaries") sind dort auch saudische Flagge mit Schahāda und Koran zu sehen.
@nomnomcookieez hatte gestern als erste darauf aufmerksam gemacht. Inzwischen findet sich bei Belltower News eine ganz gute Einordnung, die auch den islamistischen Einfluss auf Blevin thematisiert.
Rechtsextremismus und Islamismus sind Versatzideologien. Sie speisen sich aus denselben Feindbildern (Juden, Frauen, Medien, Eliten, Westen, LGTBQ), teilen Umsturzfantasien und Verschwörungsglauben und nutzen sich im Sinne des Akzelerationismus oft füreinander.
Das alles bedeutet nicht, dass man Palästina-Solidarität, Islamismus und Rechtsextremismus in einen Topf werfen kann. Aber dass es auffällige Schnittmengen gibt. Und dass Flaggen mit Schahāda auf Friedensdemonstrationen nichts zu suchen haben sollten.
Und hier schließt sich der Kreis und meine Kritik an gewissen Linken, die unzureichendes Kritikbewusstsein für Islamismus haben. Stattdessen reicht Religionskritik als Gratismut gegen Christen und orthodoxe Juden, bisschen Schahāda-Soli und ein Seitenhieb auf "Antideutsche".
Deshalb ist es auch egal, ob es eine "standardisierte Fahne" der Hamas mit Schahāda gibt oder nicht – das Symbol bleibt hoch problematisch. Sie wurde auch nicht durch Hamas politisiert, sondern durch Islamisten (und inzwischen Rechtsextreme) weltweit. Sie weht nie "unpolitisch".
Und bevor mir jetzt AntiImps hier reinsliden: Natürlich geht es nicht um das Glaubensbekenntnis per se, aber um Gruppierungen, die sich ein religiöses Glaubensbekenntnis als politisches Symbol auf Flaggen drucken und demonstrativ nach außen tragen.
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Musste diesen Take von @rike_tweet 4 mal lesen, um zu verstehen, dass das völlig unironisch gemeint und wirklich journalistisch gewollt ist. Aber fangen wir von vorne an, denn Böhmermann und Busch zeigen, was aus meiner Perspektive in der Publizistik grundlegend falsch läuft.
Der ganze Böhmermann-Ansatz war schon kaputt, weil man schnell ahnt, dass "Menschenfeindlichkeit" nicht dem Ausschluss wirklicher Extremisten dient (was ich noch verstehen könnte), sondern beliebig erweitert wird, weil irgendwann alles "false balance" ist.
Diese Verengung des Meinungskorridors, so Busch, sollen "wir alle" uns brav "auf 1 Post-It schreiben" und "an den Bildschirm kleben", damit wir es ja nicht vergessen. Und für journalistische Formate nutzen, damit es auch Einzug hält in den deutschen Medienbetrieb.
Da übermorgen 1. Mai ist: Wir brauchen in unserer Gesellschaft (und gerade im Bildungswesen) einen völlig neuen Umgang mit der UdSSR und den unmenschlichen Verbrechen, die im Namen des Kommunismus verübt wurden. Und jetzt folgt ein wütender Thread.
Während sich Jugendliche hierzulande gerne ein ☭ ins Profil heften und Tankie-Memes posten, weil die lokale Antifa ihnen eingeflüstert hat, dass die Rote Armee Deutschland befreite, hatten Menschen in der UdSSR reale Konsequenzen von Lenins, Trotzkis und Stalins Politik.
Diese Konsequenzen taugen allerdings weniger für ein romantisiertes Bild vom "Internationale"-pfeiffenden Sozialrevolutionär, sondern laufen (im best case) unter: "Großmutter, die ausgemergelt wurde" und "Urgroßvater, dem die Beine rausgeschossen wurden". (Bild aus den 1920ern)