Thread by @m_hoppenstedt

Telegram ist der erfolgreichste Messenger der letzten Monate, vielleicht auch der gefährlichste. Seit vielen Monaten recherchieren @hebelowski @MarcelRosenbach und ich zu dem Dienst. Hier unser Ergebnis (€) und ein Thread zur Recherche: spiegel.de/netzwelt/apps/…

Das Bundesjustizministerium geht nach unseren Informationen seit kurzem gegen Telegram vor und will, dass die Plattform sich dem NetzDG unterwirft. Es laufen zwei Bußgeldverfahren gegen Durows Dienst wegen mutmaßl. Verstöße gegen §3 und §5 NetzDG.

Wir haben im letzten Jahr unzählige Kanäle, Gruppen und Chats ausgewertet. Es entsteht das Bild einer Plattform, die eben nicht nur privater Kommunikation dient, sondern auf der auch Straftaten öffentlich geplant, angebahnt und begangen werden.

Auf Telegram werden gefälschte Impfpässe verkauft, Drogen in großen und kleinen Mengen angeboten, Finanzmärkte manipuliert, NS-Inhalte verbreitet und Terror verherrlicht.
Es ist ein Darknet für die Hosentasche – nur dass es anders als im Tor-Netz eine Suchfunktion gibt.

Eine Datenanalyse @cemas_io zeigt, wie bekannte rechte Kanäle hierzulande verstärkt gewaltbefürwortende Inhalte verbreiten. Naidoo teilt mehr als 150 Mal Inhalte aus sogenannten „Terrorgram“-Kanälen; Nutzung von Ausdrücken wie Nürnberg 2.0 und Tribunale hat sich verzehnfacht.

Diese Begriffe sind Chiffren, die meist mehr oder weniger indirekte Morddrohungen gg. Politiker bedeuten. »Weil die Betreiber praktisch nie eingreifen, ist Telegram zum zentralen Ort für Verschwörungsideologien und rechtsextreme Inhalte im Netz geworden«, so @DittrichMiro.

Das seit vorgestern Attila Hildmann auf iOS und Android blockiert ist, bewertet @diss_onanz als „eine absolute Ausnahme“ der Moderation rechtsextremistischer Kanäle. Google und Apple dementieren gegenüber dem SPIEGEL übrigens beide, etwas mit der Sperrung zu tun zu haben.

Wir haben in den vergangenen Monaten mehrfach per Nachricht und Mail Kontakt aufgenommen und Nachfragen an Telegram und Pawel Durow gestellt. Alle blieben unbeantwortet, wie auch ein umfangreicher Fragenkatalog.

Wir waren vor Ort im Turm A der Kazim-Hochhäuser, wo Telegram seinen Firmensitz haben soll. Trotz mehrmaliger Versuche haben wir niemanden angetroffen, die Büros sind verschlossen.

Am Empfang heißt es: »Es ist sehr seltsam, wir haben nicht einmal einen Kontakt von denen. Nichts.« Immerhin, im System sei Telegram registriert.

Wenig ist über die Firma bekannt, nicht einmal die Zahl der Mitarbeiter. 25 – 30 sollen im Kernteam arbeiten. @hebelowski hat mit verschiedenen ehemaligen Mitarbeitern und Wegbegleitern von Chef Pawel Durow gesprochen, nur wenige wollten sich öffentlich äußern.

Aus den Gesprächen entsteht das Bild eines Firmenchefs, der eine Plattform schaffen will, auf der möglichst viele Menschen kommunizieren und Informationen frei teilen können. Und in die ihm niemand reinreden kann – nicht einmal Regierungen.

Durow hat sich mehrfach gg Zensur in Ländern mit eingeschränkter Meinungsfreiheit gestellt + gg Druck Russlands gewehrt, Aktivisten zu sperren oder ihre Daten rauszugeben. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass er ausgerechnet in Dubai residiert, sich mit Kronprinzen trifft.

Die gesamte Recherche wäre ohne @Roman_Hoefner, @moni_bol , Alexander Chernyshev und viele weitere KollegInnen im Haus so nicht möglich gewesen; nicht zuletzt im Layout und Graphik-Team, die eine tolle Optik gebaut haben (aber irgendwie alle nicht auf Twitter sind).

Hier der gesamte Artikel (€): spiegel.de/netzwelt/apps/…