Notarzteinsatz. Es ist 22:00 Uhr, Wochenende. Nachforderung vom RTW nach Irgendwo im Nirgendwo zur Analgesie. Nach 25 Minuten Anfahrt mit Blau im strömendem Regen kommen wir an einem Bauernhof an. Einsätze auf dem Bauernhof sind selten Quatsch
Da ruft man nur an, wenn's wirklich nicht anders geht.
So auch diesmal. Es erwartet uns der Sohn (um die 50) und führt uns in ein Zimmer. Der Patient ist der alte Bauer. 89 Jahre alt und offensichtlich - man hört es schon vor der Zimmertür - kardial dekompensiert
Das RTW-Team wollte ihn ins Krankenhaus bringen, wie schon einige Tage zuvor. Er hat dies vehement abgelehnt, deshalb die Nachforderung. Ich soll es jetzt richten und den Patienten mit ärztlicher Autorität zum Mitfahren bewegen. Er ist 89, blind, schwerhörig, aber orientiert.
Wenige Tage zuvor hat er sich gegen ärztlichen Rat entlassen. Der Hausarzt war seitdem zwar da, hat aber die Herzinsuffizienzmedikation nicht angepasst. Ich erkläre dem Patienten, dass ich ihn gern ins KH bringen möchte zur Behandlung, er lehnt ab. Wehrt sich gegen jede Maßnahme
Ich versuche ihm die medizinischen Optionen ruhig zu erklären. Er will nicht. Nicht ins Krankenhaus. Da bleiben. Immer wieder wiederholt er das. Es ist sehr eindeutig, was er möchte.
Aber er sagt auch immer wieder "Hilf mir!" - nur ohne Krankenhaus.
Der Sohn will dass wir ihn mitnehmen. Seine Geschwister würden ihm sonst Vorwürfe machen, dass er sich nicht gekümmert habe. Im Subtext schwingt mit, dass die Geschwister sich nicht kümmern und er ziemlich mit der Situation überfordert ist. Ich wisse gar nicht was ihm blühe...
Da stehen wir nun als Team, aber letztendlich schauen alle auf mich und warten auf meine Entscheidung.
Eigentlich ist die Situation klar. Medizinische Indikation steht, aber der Patientenwille auch. Zwingen kann ich ihn nicht.
Ich spreche mit dem Patienten, biete ihm an ihm ein Medikament gegen die quälende Atemnot zu verabreichen. Erkläre ihm, dass das nur die Symptome lindern wird. Dass er Versterben kann, auch noch in der gleichen Nacht. Er nickt.
Er ist einverstanden. Er unterschreibt dass er gegen ärztlichen Rat zu Hause bleibt. In seinem Bett, im Haus das er eigenhändig aufgebaut hat und dass er weiß, dass es zu Ende geht. Ich spritze ihm Morphin subkutan und noch während ich alles auf meinem Protokoll dokumentiere
höre ich wie er ruhiger wird. Eigentlich zu schnell für das Morphin, vielleicht ist es einfach die Erleichterung, dass wir ihn nicht mitnehmen. Ich spreche nochmal mit dem Sohn, sage ihm, dass er sich jederzeit wieder beim Rettungsdienst melden darf.
Ich verabschiede mich und gehe nach draußen, wo der RTW noch steht und mein Fahrer mich erwartet. Es gibt nicht mehr viel zu sagen. Es wird eine ruhige, nachdenkliche Heimfahrt und wir werden nicht mehr dorthin alarmiert. #Notarzt#24hNEF
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