Thread by @wirsindtierarzt

Plötzlich starten eher konservative Tierärzte emotionale Plakat-Kampagnen gegen einen EU-Antrag? (Foto)
Es geht um ein drohendes, weitreichendes Verbot wichtiger Antibiotika für die Behandlung von Tieren.
Der Thread erklärt die Argumente der Tierärzteschaft in der Debatte.
➡️ 2ff

(2) Vorab der Hintergrund (Quellen-Links)

Die EU-Tierarzneimittelverordnung 2019/6 (gilt ab 1/2022) – enthält u.a. Regeln zum Antibiotikaeinsatz bei Tieren (Art. 107) und die Möglichkeit, bestimmte Antibiotika für Tiere zu verbieten (Art. 37/3-5)
eur-lex.europa.eu/legal-content/…
➡️3ff

(3) Die Kriterien für ein Antibiotikaverbot soll ein ‚Delegierter Rechtsakt‘ festlegen
eur-lex.europa.eu/resource.html?…

Die Europäische Arzneimittel Agentur EMA hat diese Kriterien formuliert
eur-lex.europa.eu/resource.html?…

Es wäre die weltweit aktuell strengste Antibiotikaregulierung!

➡️4ff

(4) Gegen diesen Rechtsakt hat der Umweltausschuss (ENVI) des EU-Parlamentes Einspruch eingelegt.
Die Kriterien seien nicht streng genug.
Federführend ist der Grüne Abgeordnete Martin Häusling.
Einspruch im Wortlaut:
europarl.europa.eu/meetdocs/2014_…
➡️5ff

(5) Der Einspruch fordert die EU-Kommission auf,
von der WHO als besonders wichtig eingestufte Wirkstoffklassen „allein für Menschen zu reservieren“.
Bedeutet: Fluorchinolone, Cephalosporine der 3./4. Generation, Polymyxine und Makrolide werden für Tierbehandlungen verboten
➡️6ff

(6) Ein solches VERBOT IST lt. EU-VO 2019/6 (§ 37) MÖGLICH –> durch Entzug der Zulassung
Ohne Zulassung darf ein Medikament mit diesen antibiotischen Wirkstoffen bei KEINER TIERART mehr angewandt werden.
Tierärzte sehen einen Therapienotstand für Haus-/Heimtiere, Pferde …
➡️7ff

(7) Häusling-Unterstützer sagen: Man müsse die Verbotsforderung (5/ENVI-Einspruch) in Verbindung mit der geforderten Ausnahme zur Einzeltierbehandlung (6) sehen.

Eine solche Ausnahme ist zur Zeit aber RECHTLICH NICHT MÖGLICH.
Das steht so auch im ‚Einspruch‘ (Pkt. CCC).
➡️8ff

(8) Deshalb fordert der ‚Einspruch‘, den „neuen Rechtsakt“ (lt. 5 – das Verbot/„human use only“) mit einem (lt. 6) „Legislativvorschlag zu begleiten“.
Dafür muss die >8 Jahre verhandelte Verordnung 2019/6 erneut „geöffnet“ werden, die 27 EU-Staaten müssten neu zustimmen.
➡️9ff

(9) Ein Verbot (–> „RECHTSAKT“) ist also durch die 2019/6 bereits gedeckt. Es könnte in Kraft treten.
Die Ausnahme zur ‚Einzeltierbehandlung trotz entzogener Zulassung‘ (–> „LegislativVORSCHLAG“) muss erst noch rechtssicher erarbeitet werden – was als eher unmöglich gilt.
➡️10ff

(10) Tierarztverbände sagen deshalb:
Der ‚Einspruch‘ ist so formuliert, dass DIE MÖGLICHKEIT eines Verbots (Entzug der Zulassung) besteht, OHNE dass DIE AUSNAHME (Einzeltierbehandlung) zwingend mit beschlossen werden muss/kann.
Es entstünde für Tiere ein Therapienotstand

➡️11ff

(11) Diese Sichtweise teilen international rund 20 Vereinigungen und Verbände. Neben den Tierärzten z.B. auch der Deutsche Tierschutzbund.
Eine LINKLISTE zu den Stellungnahmen der Verbände ⬇️ gibt es hier:
wir-sind-tierarzt.de/download/Linkl…

➡️12ff

(12) Warum erwarten TÄ ein Verbot?

Der ‚ENVI-Einspruch’ baut in 55(!) von 57 Erwägungsgründen eine ausführliche Argumentationskette auf, WARUM die HPCI-Antibiotika dem Menschen vorbehalten = FÜR TIERE VERBOTEN WERDEN SOLLEN.
Das ist der ZENTRALE Inhalt des Einspruchs.

➡️13ff

(13) Nur 2 von 57 Erwägungsgründen (Pkt. CCC u. EEE) + die Forderung 6 sagen:
Es sollten ‚Bedingungen‘ in der 2019/6 festgelegt werden, um Gruppen/Einzelbehandlung zu unterscheiden und Einzeltiere mit ‚antimicrobials reserved for humans’ doch noch behandeln zu können.
➡️14ff

(14) Ob der rechtliche Konflikt –
‚erlaubte Einzeltierbehandlung‘ mit für ‚human use only“ reservierten Antibiotika, die ihre Zulassung für die Tiermedizin verloren haben –
gelöst werden kann, ist völlig offen.
Tierärzte befürchten: Letztlich hat nur das Verbot Bestand.

➡️15ff

(15) Argumentiert man wie oben, wechseln Befürworter (hier Germanwatch) die Ebene:
Der ‚ENVI-Einspruch‘ sei letztlich halb so schlimm wie Tierarztverbände glaubten, es sei ja nur ein Einspruch und eben kein ausformulierter Rechtsakt? Es gebe „(zunächst)“ kein Verbot.

➡️16ff

(16) Ob das EU-Parlament das genauso sieht?

‚Wir fordern mal was für die Galerie. Die Kommission kann daraus ‚bestmöglich’ (aus wessen Sicht?) machen was sie will.‘ 🤔

➡️17ff

(17) Oder gilt nicht eher, wenn das Parlament den ‚Einspruch‘ verabschiedet:

‚Wir als Parlament folgen der Argumentation der 55 Erwägungen und erwarten deshalb die Umsetzung eines HPCI-Antibiotikaverbotes … auch wenn eine Einzeltierbehandlung nicht möglich sein sollte‘

➡️18ff

(18) Der ‚Einspruch‘ enthält KEINE zwingende Verknüpfung von ‚Verbot nur, wenn Einzeltierbehandlung möglich bleibt‘.
Das Ergebnis kann „bestmöglich“ ausfallen (Tweet 15)

Vor der schlechtmöglichsten Konsequenz, Therapienotstand für sehr viele Tiere, warnen die Tierärzte.

➡️19ff

(19) Das EU-Parlament entscheidet voraussichtlich in der KW 37:
Tritt der Delegierte Rechtsakt mit den wissenschaftlich erarbeiteten EMA-Kriterien in Kraft.
Oder bringen sie ein umfassendes Antibiotikaverbot in der Tiermedizin auf den Weg, indem sie den ENVI-Antrag annehmen.
➡️20

(20/20) Die Tierarztverbände befürworten die wissenschaftsbasierten EMA-Kriterien
und protestieren gegen den ‚ENVI-Einspruch‘ u.a. mit einer Online-Petition ⬇️
change.org/p/europ%C3%A4i…

Mehr Informationen über internationale TA-Proteste in dieser Linkliste
wir-sind-tierarzt.de/download/Linkl…