Bei #ichbinsophiescholl sehen wir heute einen gut gelaunten Robert Scholl aus der Heft zurückkommen. Es mag sein, dass er (relativ) erleichterte Haftbedingungen hatte und seine Familie nicht beunruhigen wollte - trotzdem ist die Darstellung verstörend. (1/3)
Er schiene im Gefängnis in "guter Gesellschaft" gewesen zu sein, habe viele Gleichgesinnte getroffen, heißt es in der dazugehörigen Insta-Story.
Fast könnte man meinen, Gestapo-Haft sei eine Art geschlossenes Klassentreffen für Regimekritiker:innen gewesen. (2/3)
Eine Frau, die auch mehrere Monate in Haft saß und dann (nach Intervention aus dem Ausland) freigelassen wurde, war Marie-Elisabeth Lüders. Auch sie schreibt in warmherzigen Worten über ihre Mitgefangenen - aber zum Scherzen war ihr wohl nicht zumute.
Dabei war auch Marie-Elisabeth Lüders, die internationale Kontakte hatte, noch relativ privilegiert gegenüber anderen Inhaftierten. @fraunora (Insta: fraunora.h) hat in ihrer Insta-Story von heute noch ganz andere Beispiele.
Für mich bleibt wieder die Frage: Was will #ichbinsophiescholl uns mit dieser Darstellung sagen? Wieder bekommen wir Wohlfühl-History fürs weiße, bürgerliche, nichtjüdische Publikum. Vorgestern war Honigbrot alle. Ach, backen wir uns doch ein Neues. 1942. uebermedien.de/64502/wenn-ein…
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#OnThisDay 1830 wurde Marianne North geboren. Nach dem Tod des Vaters ging sie auf Weltreisen, malte Botanik so exakt, dass Pflanzen nach ihren Bildern klassifiziert wurden. @kewgardens ehrte sie mit einer Galerie; die fleischfressende Nepenthes northiana (Bild) trägt ihren Namen
Und auch hier gilt wieder, was ich bei Tweets zu fernreisenden Frauen immer gern dazusage:
Gleichzeitig vermitteln Marianne Norths zweiteilige Memoiren, "Recollections of a Happy Life", das Bild einer Frau der englischen Oberschicht, deren Blick von sehr viel mehr Humor und Warmherzigkeit geprägt ist als es bei vielen anderen Zeitgenossinnen der Fall war.
Re #ichbinsophiescholl:
Ich glaube, ich kann glaubwürdig behaupten, dass ich nicht grundsätzlich gegen Projekte bin, in denen so getan wird, als würde 1 historische Person einen Social-Media-Account betreiben.
Meine Kritik betrifft also nur die Ausführung. Thread.
Als ich die Idee hatte, mir mit @PappritzOnTour einen Spaß zu machen, der hoffentlich unterhaltsam etwas Wissen vermittelt, zweifelte ich zunächst. Kann das gehen? Kann es mehr sein als Rollenspiel? Passt es zu meinem Ansatz, keine "Heldinnengeschichte" zu schreiben?
Ich kann "als" twitternde Anna Pappritz ja nicht kontextualisieren. Alles, was rausgeht, steht erst mal ohne Kontext im Netz. Das ist unproblematisch, wenn es um Landschaftsbeobachtungen oder lustige Bemerkungen über die nackten Füße der männlichen Mitreisenden geht.
Ika Freudenberg hat keinen Nachlass hinterlassen. Woher weiß ich, wann sie zur Frauenbewegung stieß?
Die Antwort liegt in Basel. Ein Nebengleis-Threadchen. ⬇️
Im Sommer 2019 war ich dank eines Reisekostenzuschusses der lieben @UniSiegen in Basel, um im Nachlass der Frauenrechtlerin Meta von Salis nach Spuren des Gerichtsprozesses gegen die Ärztin Caroline Farner und ihre Lebensgefährtin Anna Pfrunder zu suchen.
Farner und Pfrunder waren zu Unrecht der Veruntreuung von Mündelgeldern angeklagt; Salis hatte die Verteidigung organisiert. Außerdem hatte sie um Unterstützungsadressen aus dem In- und Ausland gebeten.
Am 24.3.1858 wurde Ika Freudenberg geboren. Sie war Mitgründerin und Vorsitzende des Vereins für Fraueninteressen, Vorstandsmitglied des Bunds deutscher Frauenvereine, Publizistin, Musikerin, Poetin, Philosophin, Integratorin. Kleiner Thread über eine große Frauenrechtlerin.⬇️
Ika Freudenberg wuchs in #Wiesbaden auf. Künstlerisch begabt, wurde sie zunächst Pianistin, unterrichtete am Konservatorium. Spätestens 1893 (wohl früher) stieß sie zur Frauenbewegung und begann, im Wiesbadener Verein Frauenbildungsreform für bessere Mädchenbildung zu kämpfen.
1894 zog sie nach München, gründete dort mit Anita Augspurg und Sophia Goudstikker die "Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau" (heute: Verein für Fraueninteressen). Als humorvolle Vortragsrednerin und geschickte Integratorin war sie bald landesweit gefragt.