Ein weiteres schwieriges Detail in dem aktuellen Text von #ElHassan , das klein anmutet, aber für ein größeres Problem steht: Die Gleichzeitigkeit ihrer Betonung „Ich bin Palästinenserin - deal with it!“ und ihre Spekulationen zum „kollektiven Gedächtnis der Deutschen“. Ich weiß
nicht, ob sie deutsche Staatsbürgerin ist. Aber in dieser ausdrücklichen gedanklichen und sprachlichen Trennung von „Ihr“-Deutschen und „Wir“-Palästinensern offenbart sich eine identitäre Eindeutigkeit und Ausschließlichkeit, die mir aus chauvinistisch und nationalistisch
geprägten muslimischen Gemeinschaften bekannt ist. Dieser eindeutigen Unterscheidung folgt auch ihre Einordnung des Antisemitismus: Ihr Deutschen seid historisch erwiesen antisemitisch und benutzt Muslime, um euren Antisemitismus anderen anzuhängen. Aber wir Palästinenser
haben aufgrund der jüdischen Besatzung unseres Landes und familiärer Gewalterfahrungen einen Grund für unseren Judenhass. Eure Maßstäbe bei dem Thema Antisemitismus gelten nicht für uns Palästinenser. Deal with it, dass unser Antisemitismus von Juden selbst verursacht und
damit legitim ist.
Das ist exakt jene Selbstentlastung, mit der Palästinenser auf Demos ihren Judenhass skandieren. Nach eigenem Bekunden schämt sich #ElHassan für diese Zeit ihrer Teilnahme an einer solchen Demo. Vor dem Hintergrund ihrer aktuellen Ausführungen fragt sich nur,
wofür oder weswegen sie sich schämt? Was für Deutsche ein Eklat ist, will sie für sich und Palästinenser allgemein als eine Art Geburtsrecht reklamieren. Das ist ebenso rassistisch und stigmatisierend wie ihre frühere „Entlastung“, die so klang, als ob sie weniger antisemitisch
sei, weil sie heute weniger religiös sei als früher. Es ist merkwürdig, dass sie sich über einen rassistischen Diskurs beschwert, aber gleichzeitig selbst wiederholt rassistische Denkmuster bedient. Und sie stellt sich selbst und im Diskurs generell nicht die Frage, wie ihre
Lebenswirklichkeit in Deutschland, vielleicht gar als deutsche Staatsbürgerin, mit einer ausschließlich palästinensischen Perspektive auf Israel verknüpft werden kann? Und was diese Verknüpfung für ihre Sensibilität beim Thema Antisemitismus unter Palästinensern bedeuten mag?
Ihr „deal with it“ klingt vor diesem Hintergrund wie der Wunsch, nicht nur ausschließlich Palästinenserin zu sein, sondern das auch für immer bleiben zu wollen, ohne jemals deutsch oder auch-deutsch werden zu wollen. Das wirkt wie die Flucht in die dauerhafte ausländische
Identität, nur um den eigenen Antisemitismus aus der permanenten Opfersituation heraus rechtfertigen zu können und niemals hinterfragen zu müssen. Damit ist dieser Diskurs nicht nur eine Debatte über Antisemitismus, sondern auch eine über Deutschland als Einwanderungsland, wie
wir uns als Gesellschaft definieren und wie wir mit identitären Wagenburgen umgehen wollen, um auch den Judenhass aus diesen zu unterbinden. Das ist keine rein akademische Debatte. Es geht ganz konkret um das Sicherheitsbedürfnis unserer jüdischen Mitbürger.
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Was man zu den Bildern der verheerenden Brände in Los Angeles in den realen und virtuellen Resonanzräumen der muslimischen Community hört, ist besorgniserregend. Freude, Verwünschungen, die Erwartung, es möge noch viel schlimmer werden, Begeisterung darüber, dass dies Zeichen
einer göttlichen Rache für die Zerstörung in Gaza sei und so weiter, und so weiter. Das sind spirituelle Verwüstungen der muslimischen Seele, zu denen sich muslimische Religionsgemeinschaften eigentlich kritisch äußern müssten. Wenn wir denn welche hätten. Durch das Schweigen zu
solchen Phänomenen verstärken sich die Gefühle der Gegnerschaft zu nicht muslimischen Gemeinschaften und das Gefühl, die eigene Religion als Wagenburg zu erleben, in der man sich gegen die Feindseligkeit der nicht muslimischen Umwelt verteidigt - und darin von einem Gott
Was mir in den letzten Tagen aufgefallen ist: Als muslimische Community sind wir sehr schnell dabei, verweigerte Handschläge auf dem diplomatischen Parkett zu kommentieren und zu erläutern, dass das respektvolle Gesten sind, die im Kontext religiöser und kultureller Vorstellungen
von Achtsamkeit, Zurückhaltung, Moral und Pietät zu verstehen seien, auch wenn sie von den Bräuchen nichtmuslimischer europäischer Gesellschaften abweichen. Was wir in diesem Kontext überhaupt nicht diskutieren ist die Frage, wie diese Erläuterungen zu der Ungleichbehandlung von
Frauen und Mädchen in unseren eigenen muslimischen Gemeinschaften passen. Und warum es keinen kollektiven Aufschrei in unseren muslimischen Gemeinschaften zum britischen Missbrauchsskandal gibt. Das dortige Opfer- und Täterprofil müsste doch zu einer ernsten, tiefgreifenden
Das sollte aufmerksam gelesen werden. Insbesondere von unserer Religionspolitik in Land und Bund, die auf Anerkennung und Kooperation mit muslimischen Verbänden setzen, ohne Bedingungen dafür zu formulieren. Hier wird sichtbar, was ich wiederholt angesprochen habe. Ein
Religionsverständnis, das sich als Erzählung der Gegnerschaft gegenüber der hiesigen Gesellschaft konstruiert. Eine Gegnerschaft, die jetzt kurz vor Weihnachten ausdrücklich als antichristliche und antijüdische Haltung eingefordert wird. Eine Vermischung antisemitischer
Boykottaufrufe mit dem Aufruf zum „Boykott“ der Teilnahme an oder auch nur der Ähnlichkeit mit weihnachtlichen Festlichkeiten. Religion wird nicht als Bestandteil eines vielfältigen Zusammenlebens begriffen, sondern als Instrument der nationalen Identitätsbildung und -bewahrung.
Die relativierenden Reaktionen auf Amsterdam und die Verharmlosung der Gewalt als Prügelei zwischen Fußballfans macht die Zustände sichtbar, die unsere gesellschaftlichen Debatten tatsächlich prägen: Viele - auf allen gesellschaftlichen Ebenen - wollen nicht zwischen Hooligans
und unbeteiligten Juden unterscheiden. Das Fehlverhalten eines israelischen Hooligans soll als Rechtfertigung für Gewalt gegen alle Juden gelten. Dabei ist aber nicht das konkrete Fehlverhalten die Motivation der Gewalt, sondern die Eigenschaft jüdisch zu sein. Jedes
kritikwürdige Verhalten eines Einzelnen ist Anlass genug, Gewalt gegen Juden zu rechtfertigen oder zumindest als selbstverschuldet zu relativieren. Es geht dabei nicht um das Gefühl der Gerechtigkeit. Es geht darum, dass Gewalt gegen Juden als gerecht empfunden werden soll. Es
Jetzt war die Gewalt in Amsterdam also auch nur Widerstand gegen israelische Hooligans. Judenhass findet immer eine Begründung dafür begründet zu sein. Der Mob in Amsterdam hat nicht nach Hooligans gesucht, um sie für rassistische Schmähgesänge oder abgerissene Fahnen zu
bestrafen. Er hat Pässe kontrolliert, um Juden aus Israel zu finden und sie dafür zu bestrafen, dass sie Juden sind. Die Opfer haben das sehr genau verstanden. Deshalb haben sie auch nicht geschrien „Ich bin kein Hooligan!“. Sie haben geschrien „Ich bin kein Jude!“. Und
welche absurde Dimension unsere hiesige Debatte erreicht hat, sieht man daran, dass es immer noch Menschen gibt, die sich für besonders sensibel im Hinblick auf Rassismus halten und gleichzeitig Juden erklären wollen, dass diese kollektive Gewalt gegen sie kein Antisemitismus
Eine muslimische Perspektive auf die Diskussionen um die Antisemitismus-Resolution: Mir kommt die Leidenschaft in muslimischen und diskriminierungssensiblen Kreisen nicht überzeugend vor, wenn darauf gepocht wird, Israel kritisieren zu dürfen, ohne sich dem Vorwurf des
Antisemitismus aussetzen zu müssen. Wer unsere innermuslimischen Dynamiken kennt, weiß wie selten Kritik an Israel ist, die nicht spätestens im zweiten Satz antisemitische Muster reproduziert. Ich habe es bislang auch nicht häufig erlebt, dass wir Muslime uns dafür
einsetzen, dass man den Islam kritisieren können soll, ohne mit dem Vorwurf der Muslimfeindlichkeit rechnen zu müssen. Muslimische und diskriminierungssensible Positionen gewinnen nur dann an Glaubwürdigkeit, wenn sie ein Verhalten, dem sie selbst nicht ausgesetzt sein wollen,