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Nov 9, 2021 101 tweets 21 min read Read on X
Nach der Aufregung um diesen Thread zum Thema Klimakatastrophe muss ich einige Dinge klarstellen, weil einiges von verschiedenen Seiten missverstanden wurde, und ich habe Anlass zu Mißverständnissen gegeben, weil ich zu überspitzt formuliert und im Nerd-Mode geschrieben habe.
Es ging mir nicht darum, anzuweifeln, dass der Klimawandel katastrophale Folgen haben wird und wir ihn so weit es geht begrenzen sollten, am besten auf 1,5 Grad, aber meine Erleichterung nach dem Lesen verschiedener IPCC-Studien ist echt, und ich möchte sie konkreter erklären.
Die Studien, die ich mir angesehen habe, ist die geleakte 3994-Seiten Vorversion der "Physical Science Basis" sowie den "AR5 Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability", da WG2 noch am neuen AR6 "Impact Report" arbeitet. ipcc.ch/report/ar5/wg2/
Ich habe nicht jedes Wort in den Reports gelesen, aber jede Seite gesehen und die Teile gelesen, die mir Antworten auf meine Frage liefern konnten: "Wann wird es mit dem Klima so schlimm, das Leben für unsere Nachkommen auf der Erde nicht mehr möglich sein wird?"
Die Frage habe ich mir unter der Prämisse gestellt, dass es der Menschheit nicht gelingen wird, von Öl und Gas wegzukommen und dass die nächsten Jahrzehnte von immer schlimmer werdenden Krisen und Extremwetter geprägt sein werden, bis alles zusammenbricht.
Das viele CO2 erschwert das Atmen, die Ozeane sind tot und werden zu einer toten, stinkenden Plörre wie bei "Soylent Green", Dürren, Überschwemmungen und zusammengebrochen Ökosysteme führen zu Hungersnöten, weite Landstriche und zigtausend Städte versinken im Meer, ...
....Milliarden sterben und die Menschheit versinkt in Krieg und Chaos, bis sich irgendwann der letzte Mensch irgendwo in einem Bunker selbst umbringt, bevor die Meere verdunsten und wir Venusatmospäre kriegen. So ungefähr habe ich mir das vorgestellt, mit der Klimakatastrophe.
Und keine Frage, es ist nicht ausgeschlossenen, dass es so kommt, wenn wir nicht gegensteuern. Zu meiner Erleichterung aber räumt das IPCC einem solchen Szenario nicht nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit ein, es gibt so ein Szenario eigentlich nicht, aber ...
...es gibt eine Restwahrscheinlichkeit, dass alles viel, viel schlimmer kommt, als im "Worst Case"-Szenario, und diese Restwahrscheinlichkeit kann man als Motiv nehmen, um der Bekämpfung dieser Bedrohung Vorrang vor allem anderen zu geben.
Was sagt das IPPC dazu, wie gefährlich die Folgen des Klimawandel sind? Nun, in dieser FAQ aus dem AR5-Impact Report steht, dass das von einer subjektiven, politischen Bewertung abhängt, die die Wissenschaft nicht leisten kann. Ich denke, sie haben damit Recht. Image
Mit anderen Worten: Wir müssen uns die Daten selbst anschauen und bewerten, und das möchte im Folgenden tun. Hier sieht man die verschiedenen Szenarien, die mit SSP beginnen, was für "Shared Socioeconomic Pathway" steht. de.wikipedia.org/wiki/Shared_So… Image
Entscheidend sind aber die Zahlen dahinter, die den Strahlungsantrieb bezeichen. de.wikipedia.org/wiki/Strahlung… Das ist ein Wert in Watt/Quadratmeter, den die Erde von der Sonne mehr empfängt, als sie in den Weltraum abstrahlt.
Normalerweise sollte der Wert Nahe Null liegen, den die Erde sollte ingesamt genauso so viel Energie in den Raum abstrahlen, wie sie aus ihm empfängt, und das war bis vor einigen hundert Jahren auch so. Wer sich jetzt fragt, woher denn Pflanzen und Solarzellen ihre Energie ... Image
...nehmen, wenn alles wieder abgestrahlt wird: Nun, wir beziehen genau genommen negative Entropie von der Sonne: Es kommen kurzwellige Photonen an, die Arbeit leisten können, die am Ende zu Wärme wird und als langwellige Infrarot-Photonen wieder abgestrahlt wird, und der RCP...
...Wert bezeichnet den Überschuss bzw. das Defizit an abgestrahlten Infrarot-Photonen, die von Treibhausgasen in der Atmosphäre festgehalten werden, wodurch sich Erde und Atmosphäre so lange aufheizen, bis wieder ein Gleichgewicht herrscht.
Die verschiedenen SSP-Szenarien sind auch keine Prognosen, wie es wird, sondern machen verschiedene Annahmen, die zu einem ausgewählten Strahlungstrieb führen, und wir können quasi zwischen Pfaden wählen und wechseln.
Derzeit liegt der RCP wohl zwischen 4 und 5, und ob er steigen oder fallen wird, hängt halt im wesentlichen von der Veränderung der Treibhauskonzentration zusammen, aber auch von anderen Faktoren wie Eis, Wolken, Vegetation und Oberflächen- und Wassertemperaturen.
Was wir alle wollen ist das SSP1-1.9-Szenario oder das "1,5 Grad-Ziel", den "best case", denn selbst 2 Grad oder SSP1-2.6 würde uns wohl irgendwas um 98% der Korallenriffe kosten. Was aber, wenn wir einen neuen kalten Krieg bekommen... Image
...und China, Russland und der Westen das Wettrüsten ausweiten oder sich die Menschheit als nicht willens oder in Lage erweist, die Finger von Öl, Gas und Kohle zu lassen? Das beschreibt das SSP5-8.5 Szenario, das aber allgemein nicht als wahrscheinlich angesehen wird.
Wenn wir versagen, dann wahrscheinlich SSP2, habe ich gelernt, was ich auch eher beruhigend finde und vorher nicht wusste, daher interessierte mich halt der "worst case". Und wie sieht er jetzt konkret aus, der "worst case" des IPCC?
Bevor ich dazu komme: Wer der Meinung ist, wir brauchen mehr Panik, und ich halte das für eine völlig legitime Meinung, und das ist die Mehrheit hier, der könnte sich wieder getriggert fühlen, weil er es als Verharmlosung sieht, was jetzt kommt, und...
...ich bin ehrlich der Meinung, dass Fakten oder die Wahrheit auch schaden kann und uns die Fiktion vom Weltuntergang vor dem Schlimmsten bewahren kann, aber ich kann einfach nicht anders, als von meiner Begeisterung zu berichten, wenn ich etwas neues lerne oder Korrekturen...
...an meinem Weltbild erfahre, und das ist mir mit dem IPCC-Berichten so passiert, und deshalb schreibe ich hier über eine vielleicht schädliche Sicht auf die Dinge, die ich aber als eine auf Fakten beruhende, zulässige Bewertung empfinde.
Nun endlich zu SSP5-8. Schenke ich dieser Grafik Vertrauen, ist selbst SSP5-8 kein sicheres Todesurteil für die Menschheit. Ob sie das Überleben würde, ist auch fraglich, aber nach meiner neuen Überzeugung könnte sie. Das hätte ich nicht gedacht. Image
Warum? Nun, zum einen scheint sich der CO2-Anteil in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, das atembar ist, so 2.500ppm. Sicher sehr ungesund, aber nicht gleich tödlich; die maximale Arbeitsplatz-Konzentration liegt bei 5.000ppm. (Thread wird zeitnah fortgesetzt)
Ich fand es irgendwie beruhigend, dass unsere Nachfahren nicht ersticken müssen, selbst, wenn wir es verkacken. Was ist mit der Hitze? Nun, wir hätten wohl an manchen Orten bis zu 20 Grad mehr, weite Teile des Planeten wäre unbewohnbar, in den Meeren Todeszonen, Massensterben,... Image
...aber es gäbe noch hinreichend viele Orte, wo das Klima ein Leben ermöglicht - wahrscheinlich mehr ein Überleben, aber die Temperaturen wären kein zwingender Grund, dass alle Menschen sterben. Ich fand es irgendwie beruhigend, dass nicht alle Menschen den Hitzetod sterben...
...müssen, selbst, wenn wir es komplett verkacken mit dem Klima. Was ist mit dem Anstieg des Meeresspiegels? Nun, im Worst Case hätten wir wahrscheinlich 7, vielleicht auch mehr als 15m. Das wäre mehr als übel, und auch reiche Länder kämen mit 15m nur schwer klar; es wäre zwar... Image
...technisch möglich, aber meist nicht bezahlbar, Städte und Küsten vor solchen Anstiegen zu schützen. Ohnehin ist es wahrscheinlich, dass es zu Zusammenbrüchen käme und die Menschheit riesige Probleme hätte, auch nur Taschen von Zivilisation aufrecht zu erhalten.
Es ist weder ausgeschlossen, dass die Menschheit es nicht überlebt, noch, dass sie das alles überlebt und nach Jahrhunderten oder Jahrtausenden wieder einen Aufschwung erlebt. Im besten Fall gibt es noch technologische Durchbrüche, die alles verändern könnten, aber...
...sich darauf zu verlassen, dass wir "Wunderwaffen" finden, die alles magisch lösen, halte ich für Flucht vor dem Problem. Nichtsdestotrotz sollten wir viel mehr unserer Mittel in Forschung und Innovation stecken, denn selbst, wenn wir keine Wunderwaffe finden, werden uns...
...viele kleine Fortschritte helfen und unsere Chancen erhöhen, doch den einen oder anderen "Game Changer" zu erfinden.
Ja, das Jahr 2300 wäre im SSP5-8 wohl die Hölle, Milliarden Menschen und die meisten Tier- und Pflanzenarten dürften (aus-)sterben, aber die Menschheit hätte dennoch eine gute Chance zu überleben, selbst, wenn wir es komplett verkacken.
Ich finde das beruhigend, aber niemand, der bei Trost ist, kann das riskieren wollen, aber vor allem wären die ökologischen Schäden gewaltig und irreparabel, und die Lebensqualität wäre allein durch den hohen CO2-Anteil massiv eingeschränkt, und CO2-Filter in Innenräumen...
...wären wahrscheinlich aus gesundheitlichen Gründen erforderlich, und der Spaziergang an der "frischen Luft" würde sich eher wie Atmen in einem unbelüfteten Klo voller Leute anfühlen. So stelle ich mir das vor.
Andererseits haben Leute auch den großen Smog von London überlebt, die meisten jedenfalls, aber so schlimm wie das dürfte es nicht sein. Dennoch kann niemand, der bei Trost ist, dieses Szenario riskieren wollen, aber zum Glück ist auch unwahrscheinlich, dass es dazu kommt, was...
...zwar so nicht im Bericht steht, aber mein Eindruck aus Kommentaren ist, dass das "Worst Case"-Szenario von Experten als nicht allzu wahrscheinlich gesehen wird. Der politische Kampf spielt sich eher zwischen 1,5 und 3 Grad ab, wobei wir mit jedem halben Grad viel verlieren.
So weit erst mal zum "worst case" in 2300. Im nächsten Teil des Threads geht es um das worst-case Szenario 2100, das ich im oben zitierten Thread als Anlass für meine Behauptung genommen habe, 2100 wird gar nicht schlimm, egal, wie das mit dem Klima läuft.
Im zitierten Thread habe ich versucht, mir vorzustellen, wie den mein Leben als "normaler" Berliner im Jahr 2100 im SSP5-85 Szenario aussehen würde. (Ich sehe schon die Berlin-Witze in den Replies) Und wie es für die meisten Menschen auf der Welt aussehen würde.
In Berlin hätten wir wahrscheinlich im Mittel 5 Grad mehr, was in etwa Rom entspricht, aber Berlin hätte wohl extremere Ausschläge als Rom. Berlin ist auf so ein Wetter nicht eingerichtet, aber wenn das Klima den Weg nähme, würde sich die Stadt über 80 Jahre sicher anpassen. Image
Hier die Skala: Image
Gut, die Stadt und die Menschen könnten sich anpassen, würde halt Geld kosten und wird Geld kosten, aber was ist mit der Vegetation und den Ökosystemen? Hier die zu erwartende Veränderung der Niederschläge. Image
Deutschland hätte bis zu +10% Niederschläge, der Mittelmeerraum bis zu -10%, in Teilen bis zu -20% Niederschläge. Image
Das resultiert aber nicht unbedingt in mehr Feuchtigkeit im Boden, den wenn viel auf einmal fällt, fließt mehr ab, und wenn es wärmer ist, verdunstet in der Regel auch mehr. Diese Karte zeigt, dass es in Europa zu einer Zunahme von Trockenperioden kommen dürfte. Image
Die Angabe als Standardabweichung ist erklärungsbedürftig, die Legende erklärt, dass eine Abnahme um 1 die Bodenfeuchtigkeit auf die 6-Jahres-Dürren im Zeitraum 1850-1900 absinkt. Deutschland kann -0,5 erwarten, der Mittelmeerraum bis zu -1,5. ImageImage
Hier ist das finde ich gut erklärt, und eine halbe Standardabweichung entspricht ungefähr einer Verdoppelung der Dürren. Eine Dürre, die früher nur alle 6 Jahre auftrat, kommt alle drei Jahre. Oder alle 5 statt alle 10 Jahre wie in der Tabelle. Image
Und wir bekommen wohl drei mal so häufig Starkregen, in Deutschland eher zwei mal so häufig. Die schlimmsten 10-Jahresregen aus 1850-1900 werden alle 3-5 Jahre auftreten. Langfristig geht aber die Bodenfeuchtigkeit zurück, wobei ich das nicht für SSP5-8.5, sondern nur SSP2-4.5... Image
...gefunden habe. Bei uns wird wohl mit einer Abnahme der Bodenfeuchtigkeit bis 2100 um 5% ggü. heute zu rechnen ist.
Noch mal zurück zu den Temperaturen: Wir werden in dem Worst-case-Szenario praktisch in jedem Jahr die Höchstemperatur von 1850-1900 haben, und alle drei Jahre den Hitzerekord der letzten 10 Jahre haben. Image
Alle diese Zahlen über den Worst-Case im 2100 finde ich ehrlich gesagt viel weniger schlimm, als ich befürchtet hatte: Temperaturen wie Rom, 10% mehr Regen, doppelt so oft Dürre, jedes Jahr einmal die Höchsttemperatur der letzen 10 Jahre, also einmal 42 Grad, ...
...und alle 10 Jahre einmal 48-50 Grad, was ich mir ziemlich mörderisch vorstelle in Berlin, aber viele italienische Städte hatten neulich um die 49 Grad, insofern würde ich davon ausgehen, dass sich das managen ließe. Nicht, dass das ein irgendwie anzustrebendes Szenario wäre,..
...und es ist ja nur eine Momentaufnahme, und es würde sich weiter verschlimmern, aber für jemanden, der im Jahr 2100 lebt, wird das nicht von einem Tag auf den anderen gekommen sein, und ich sehe an dieser Momentaufnahme bisher nichts, wo ein Mensch unter diesen ...
...Wetterbedingungen mehr leiden müsste, als viele Menschen heute im Mittelmeerraum unter ihrem Klima leiden. Wie gesagt, diese Momentaufnahme ist nur sehr bedingt relevant für die Frage, wie schnell wir das Problem angehen, denn wir würden dann fast unausweichlich in das...
...oben beschriebene Jahr 2300-Szenario laufen. Dennoch fand ich die Vorstellung, dass das Klima selbst im "worst case" noch in einem Rahmen liegen würde, den ich als "genießbar" einschätzen würde, bemerkenswert.
Ich bin aber noch nicht am Ende, denn nur weil das Klima bei uns für Menschen im Jahr 2100 erträglich sein dürfte, könnte andere Folgen uns das Leben vermiesen, und da bietet das IPCC die "Impacts, Adaptation, and Vulnerability"-Berichte an, ...
...wobei es da bisher nur die von 2014 gibt. ipcc.ch/report/ar5/wg2/ Teil A ist global, Teil B beleuchtet die Regionen der Welt.
Springen wir doch einfach mal rein, wie die Wissenschaft in Teil den Schrecken beschreibt, der da auf uns zurollt. Holy shit. Oder? Image
"In line with AR4, the climate for general tourist activities especially after 2070 is expected to improve significantly during summer and less during autumn and spring in northern Continental Europe, Finland, southern Scandinavia, and southern England"
"Others concluded that before 2030 (or even 2060) this region as a whole will not become too hot for beach or urban tourism (Moreno and Amelung, 2009; Rutty and Scott, 2010), while surveys showed that beach tourists are deterred mostly by rain (De Freitas, 2008; Moreno, 2010)."
Ich schicke den Teil jetzt ab, bevor der Browser ihn frisst, aber es gibt noch viel zum Impact zu sagen, vor allem den globalen, aber ich bleibe erst mal noch in Europa.
Ja, ich gebe zu, das ist gemein, aber laut 2014er IPCC Impact Report bietet der Klimawandel wohl echte Chancen für den Weinanbau in Europa. Image
Wir werden wohl an den Küsten leben können, aber müssen die Deiche erhöhen oder haben es bereits gemacht, aber einige Gegenden werden wohl aufgegeben werden müssen. Image
Hier die Schätzungen, was da kosten wird. Da kommt zwar schon was zusammen, aber es sieht nicht so aus, als wenn uns das Deichbauen ruinieren würde, selbst, wenn es viel schlimmer kommt, als hier erwartet: Image
Und wie sieht es mit Nahrungsmitteln aus? Das hier klingt nicht so, als würden in absehbarer Zeit Hungersnöte erwartet, aber unter Umständen müssten wir wohl gelegentlich importieren, wenn es zu Missernten käme. Image
Die FAQ bezieht sich aber nur auf Europa, und ist recht wage, unter welchen Bedinungen das gilt. Interessanter ist diese Grafik, die auch erklärungsbedürtig. Sie zeigt, was im worst-case, als +4 Grad mit den Ernteerträgen passiert. Die Säulenpaare sind zusammen immer 100%. Image
Die Höhe der blaugrünen Säulen gibt jeweils an, bei welchem Anteil von Ernten ein Zuwachs erwartet wird in dem jeweiligen Zeitraum, und zwar immer ggü. Ende der 1990er. Die Höhe der gelb/braunen Säule sind Ernteminderungen. Die Farben in der Säule geben wiederum an, welcher...
...Anteil sich um wie viel erhöht oder reduziert. Bei +4 Grad wird erwartet, dass bis 2100 bei 77% der Ernten die Erträge zurückgehen erwartet und bei 23% die Erträge steigen. Die Hälfte der Ertragsrückgänge liegt im Bereich 10-25%, ein Fünftel bei 50-100%.
Umgekehrt steigt bis 2100 in ~10% der Ernten der Ertrag um 25-50% an. Oder einfacher gesagt: Im +4-Grad Szenario gehen bis 2100 die Ernten überwiegend zurück, und es wird wahrscheinlich in vielen Regionen Probleme mit der Nahrungsmittelversorgung geben.
Es sieht aber für mich in dem Szenario nicht so aus, als würde wegen des Klimas der Großteil der Erträge wegfallen, jedenfalls nicht bis 2100, und es gibt Regionen und Früchte, wo die Erträge steigen.
Grundsätzlich werden wohl die Erträge in gemäßigten Breiten sinken und im Norden sinken oder steigen. Image
Wir werden Erträge durch veränderte Zucht- und Anbaumethoden steigern, aber nicht in allen Fällen, und insbesondere sind Temperaturextreme über 30 Grad sind besonders schlecht für Getreide. Image
Nahrung wird überwiegend teuer werden, aber es gibt vielfältiges Anpassungspotential etwa bei der Tierzucht, Aquakultur und Fischereiwirtschaft wie auch in der Verarbeitungs- und Transportkette. Image
Aber was ist mit der Natur? Den Wildplanzen- und tieren? Können die sich anpassen? Nun, wenn sich Klimazonen verschieben, wandern Pflanzen und Tiere mit, aber es gibt Grenzen. Image
In den meisten Szenarien kommen die meisten Pflanzen und Tiere grundsätzlich mit, aber in flachen Gebieten marschiert der Klimawandel schneller voran als in gebirgigen Gegenden. Alles über RCP2.6 macht im Flachland mindestens den Bäumen Probleme, so dass...
...wir bei Verfehlen des 2-Grad Ziel langfristig mit Waldsterben in globalen Dimensionen rechnen müssten, aber das dürfte auch erst nach 2100 so richtig losgehen.
Folgende Box fasst die Folgen und Risiken eines 4-Grad-Szenarios zusammen, und das will man alles nicht haben. Es ist aber auch kein Doomsday-Szenario, dass da beschrieben wird, jedenfalls nicht bis 2100. Image
Menschen werden in Teilen der Welt Probleme haben, draußen Tätigkeiten nachzugehen, und zwar dort, wo hohe Temperatur und Luftfeuchtigkeit es unmöglich machen, durch Schwitzen den Körper zu kühlen. Image
Das alles ist aber noch weit entfernt davon, dass der Planet in weiten Teilen unbewohnbar ist, nicht in 2100, und es sieht für mich auch nicht so aus, dass man 2100 in Deutschland wegen des Klimas draußen nicht mehr joggen könnte.
Ich glaube noch immer, dass laut Stand der Wissenschaft wahrscheinlich niemand in Deutschland im Jahr 2100 wegen des Klimas ein Scheißleben haben muss, sondern weiterhin andere, individuelle Faktoren die Lebensqualität viel mehr bestimmen werden, wie heute auch, aber es spielt...
...gleichzeitig für mich auch überhaupt keine Rolle, weil es eine Momentaufnahme ist, so wie für mich auch keine Rolle spielt, dass uns 2040 nicht die Luft ausgeht.
Wäre das jetzt für euren Einsatz gegen den Klimawandel demotivierend, wenn es so wäre, dass jemand im Jahr 2100 noch gut klarkäme, auch, wenn wir einen katastrophalen Emissionspfad einschlagen würden?
Wäret ihr weniger motiviert oder bereit was gegen den Klimawandel zu tun, wenn ihr glauben würdet, dass die Menschheit es wahrscheinlich überleben wird, auch, wenn wir so lange Fossile verfeuern, wie es geht oder sich lohnt?
Und wärt ihr weniger motiviert, für das 1,5 Grad-Ziel zu arbeiten, wenn sich die Menschheit wahrscheinlich mit 3 Grad durchmogeln könnte?
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, wie sich meine neue, etwas entspanntere Sicht auf die Dinge und auf mein Verhalten auswirken wird. Einerseits ändert sich nichts daran, dass ich wie vorher auch 1,5 Grad will, unter weiter fürchte, dass wir es nicht schaffen.
Zudem ist vieles, was wir tun können, nicht nur gut fürs Klima, sondern auch die Lebensqualität, so dass es in vielen Fällen gar keine Zielkonflikte gibt, aber es gibt eben auch Zielkonflikte, und es geht auch immer um Prioritäten und Allokation von begrenzten Mitteln.
Das Thema hebe ich mir aber für andermal auf. Zum Schluss noch ein paar Dinge zum Thema Risiken und Wahrscheinlichkeiten. Wir können alles, was kommen wird, nur Wahrscheinlichkeiten angeben und selten zu 100% sicher sein, aber die Realität ist halt zum Teil auch probablistisch. Image
Das zeigt auch ganz anschaulich das obenstehende Bild. Ein zentraler Wert für viele Berechnungen ist die Klimasensitivität (ECS), und wir kennen sie nicht genau genug, und je nachdem, mit welchem ECS man rechnet, kommen andere Ergebnisse dabei heraus, ... de.wikipedia.org/wiki/Klimasens…
...und es bleibt uns mehr oder weniger Zeit, bevor sich die Probleme manifestieren oder vielleicht gar nicht maniestieren. Die minimalen Klimarisiken haben wir, wenn wir 1,5 Grad fahren. Je höher wir kommen, umso weniger Kontrolle haben wir.
Niemand kann genau vorhersagen, wie es sich im Jahr 2100 anfühlen wird, aber ich denke, die Wissenschaft kann uns gute Anhaltspunkte geben, was wahrscheinlich und möglich ist, und auch, wenn 2100 wahrscheinlich in jedem Szenario noch eine Form von "ok" sein wird, wird es ...
...in den Szenarien über RCP4.5 spätestens ab 2100, vielleicht schon ab 2080, zunehmend schnell ungemütlicher, und die Gefahr eines Zusammenbruchs nimmt rapide zu.
Wir könnten uns wahrscheinlich auch mit 2,5-3 Grad durchmogeln, aber die Verluste an Biodiversität und unumkehrbare Schäden wären die Folge, und die Risiken, dass Dinge außer Kontrolle geraten, wären signifikant.
Alles über 3 Grad dürfte wahrscheinlich langfristig sehr böse werden, mit vielen Opfern, und wenn auch wahrscheinlich kein Extinction-Level-Event, gibt es in den Szenarien bereits eine Restwahrscheinlichkeit, dass die Menschheit es nicht überlebt.
So stellt sich mir die Situation gerade da, und mich demotiviert es bisher nicht, für 1,5 Grad zu kämpfen, dass die Klimasituation weniger furchterregend ist, als dachte. Ich finde die 1 Grad, die wir haben, furchterregend genug, denn auf lange Sicht müsste das nach meinem ...
...Verständnis zu einem deutlichen weiteren Anstieg der Meere führen, und am besten wäre es, wenn wir das ganze anthropogene CO2 wieder aus der Atmosphäre holen, und ich halte das auch nicht für völlig utopisch.
Klimaforschung dürfte so ziemlich das komplexeste sein, was ich mir gerade an Forschung vorstellen kann, weil pyhsikalische, chemische, biologische, soziale und wirtschaftliche Modelle...
...ineinandergreifen und wechselwirken, und es ist übermenschlich, was da bereits alles erforscht wurde und wie breit und tief das Gebiet ist, und zu manchen Kapiteln gibt es zehn Seiten nur mit Referenzen auf Papers.
Ansonsten bin ich immer für Anregungen, Kritik, Korrekturen und neue Erkenntnisse offen, und ich hoffe, dass ich ein paar Missverständnis oder Irritation ausgeräumt habe, die ich etwas unbedacht erzeugt habe.
Ich habe mich diesmal um Klarheit und die Vermeidung von Überspitzungen bemüht, aber ich weiß, dass es Leute gibt, die auch diesen Thread ungeheuerlich finden werden, weil es für sie wie Verharmlosung des Klimawandels klingt, wenn ich die Dinge nicht so schrecklich sehe wie sie.
Eure andere Sicht ist legitim, ich muss sie aber genausowenig teilen wie ihr die meine Sicht. Ich will euch von nichts überzeugen, sondern versuche, meine Sicht erklären und zu begründen und zur Debatte zu stellen, um zu lernen.
Wenn ihr eine andere Sicht auf die Dinge habt, würde ich mich freuen zu hören, was ihr euch vorstellt, wie die Klimazukunft und die Zukunft der Menschheit wahrscheinlich aussehen wird und warum ihr das glaubt.
Im übrigen bin ich vielleicht ein radikalerer Klimaschutzverfechter, als ihr denkt, denn ich hätte lieber ein 0-Grad-Ziel und die Verpflichtung, dass alle Länder den von ihnen emittierten Kohlenstoff wieder aus der Atmosphäre entfernen, bis wir negativen Strahlungsantrieb haben.

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