Im Sommer habe ich mich gefragt: Hilft eigentlich irgendjemand den Menschen im Krankenhaus mit dem Erlebten klarzukommen?
Die kurze Antwort: Nein.
Ein paar Erkenntnisse meiner Recherche für @zeitonline im Thread. 1/12
Eine Krankenpflegekraft verlässt im Durchschnitt das Krankenhaus nach 12 Jahren. Sie wechselt nicht den Arbeitgeber, sie wechselt den Beruf.
Das passiert seit Corona noch schneller, es gibt ein Wort dafür: #Pflexit 2/12
Die Menschen kündigen, weil sie nicht mehr können. Die Idee einfach mehr zu zahlen ist so hilflos wie wirkungslos, insbesondere kurzfristig, wenn man sich bewusst macht, was Menschen im Krankenhaus erleben. 3/12
Im ganz normalen Krankenhausalltag passieren traumatische Dinge. In den beiden Krankenhäusern, in denen ich recherchiert habe, waren es dieses Jahr zum Beispiel: 4/12
Dort traf ich auch Claudia, die von einem Patienten angegriffen wurde. So wie 70 Prozent aller Pflegekräfte, die alle mindestens einmal körperliche Gewalt erlebt haben. 5/12
Ja, die Bezahlung muss besser werden und die grundsätzliche Arbeitslast weniger, aber unabhängig davon passieren solche Dinge in jedem Krankenhaus.
Und in nahezu keinem Krankenhaus gibt es nach solchen Vorfällen psychologische Unterstützung. 6/12
Experten schätzen: Höchstens 10 Prozent der Krankenhäuser haben psychologische Angebote für die Mitarbeiter.
Es gibt 1.900 Krankenhäuser in Deutschland. Höchstens 190 kümmern sich um die Psyche ihrer Leute.
Etwas, das bei Polizei oder Feuerwehr inzwischen Standard ist. 7/12
Ulrike Radix ist Seelsorgerin und leitet ein solches Team in den beiden Krankenhäusern, in denen sie arbeitet.
Sie kommen, wenn traumatisches passiert, aber auch dann, wenn jemand einfach mal reden muss. Es gibt sie seit 2017
Und dann kam ja auch noch die Pandemie. 8/12
Im März diesen Jahres hat der @BBK_Bund ein PDF veröffentlicht mit "psychosozialen Hilfen für Krankenhauspersonal". Sie haben zwei Hotlines empfohlen, und das, was Ulrike Radix in ihren Krankenhäusern macht.
Im Sommer habe ich sie bei ihrer Arbeit begleitet. 9/12
Ich war dabei, wie sie mit einer Pflegeschülerin über Suizidgedanken sprach.
Wie sie ihre extra für die Pandemie entwickelte Entlastungsrunde leitet.
Und wie sie einen nach Hause schickte, der gar nicht mehr konnte. 10/12
Der @BBK_Bund schrieb in seinem PDF: "Organisationen, die entsprechende Strukturen bereits vorher aufgebaut hatten, sind jetzt am widerstandsfähigsten."
Zur Erinnerung: Höchstens 190 Krankenhäuser haben irgendein Angebot.
Ein Team wie das von Radix gibt es acht Mal. 11/12
Ich war bei der Recherche immer wieder überrascht, wie schlecht die Situation ist. Wie alleine die Menschen gelassen werden. Wie wenig sie sich trotz allem beschweren.
Am Montag wollte der Hamburger Polizeipräsident im NDR meiner Recherche für @DIEZEIT widersprechen. Stattdessen unterliefen ihm einige "sprachliche Ungenauigkeiten". Oder einfach: Er sagte im Fernsehen schlichtweg falsche Dinge. Mehr Irritierendes meiner Recherche. 1/12
Zur Erinnerung: Nach der #BlackLivesMatter Demo in Hamburg wurden 35 junge Menschen in Gewahrsam genommen. Die Polizei will sie in einer Gruppe gesehen haben, die Steine geschmissen und Beamte angegriffen haben. 2/12 zeit.de/hamburg/2020-0…
Ich habe die ganze Woche mit Betroffenen und der Polizei gesprochen. Die Polizei betont immer wieder den Grund der Maßnahmen, verliert aber wenig Worte über die Härte, von der die Betroffenen verstört sind. 3/12