Sie ist 63 Jahre, putzt seit 28 Jahren für ihren Lebensunterhalt und lange Jahre auch für den ihrer Kinder.
6 Tage die Woche.
Kann sich kein Ticket oder Auto leisten und fährt daher bei Wind und Wetter mit dem Rad zur Arbeit und nach Stunden Knochenjob wieder zurück.
1/
Musste zuletzt die meisten ihrer Putzjobs aufgeben, weil der Körper nicht mehr mitgemacht hat und hält sich mit den verbliebenen zweien noch soweit über Wasser, dass ihr zumindest 20 Euro die Woche für Einkäufe bleiben.
Die Schmerzen nehmen zu, wechseln von häufig zu ständig.
2/
Sie weiß, dass die Knie kaputt sind, die Schulter und noch manches andere.
Aber sie jammert nicht. Weil sie eine hohe Schmerzgrenze hat und sich jammern nicht leisten kann. Putzt an Feiertagen und bei Minusgraden mit kaltem Wasser, weil ihr Arbeitgeber sich nicht kümmert.
3/
Lag im Krankenhaus, wäre fast gestorben, weil sie die Schmerzen zu lang als nicht so schlimm empfand. Hat sich die Hüfte angeschlagen, die Hand gebrochen, unzählige Verletzungen mehr mitgemacht, immer in der Sorge, nicht arbeiten = nicht verdienen zu können.
4/
An manchen Tagen kann sie nach 5 Stunden Putzen vor Schmerzen das Fahrrad nicht heim fahren und muss es daher schieben.
Die verbliebenen Jobs aufgeben? Auf keinen Fall, sie will nicht noch das letzte bisschen Selbstständigkeit verlieren, sich ab und zu noch was kaufen können.
5/
Die Untersuchung hat 6 Stunden gedauert, sie hatte große Angst.
Jetzt steht fest, die Arthrose ist in ausnahmslos jedem Gelenk, die Hüfte ist am Ende und der Rücken auch kaputt. Und ihr Gefühl hat sie nicht getrogen, auch die Daumen sind kaum mehr zu gebrauchen.
6/
Aufhören, zu arbeiten?
Auf keinen Fall, sie hat doch schon manches aufgegeben, sie kann doch nicht, wie soll das gehen?
Sie möchte doch zumindest hier und da mal ein bisschen was Süßes kaufen und nähen ist doch ihr allergrößtes Hobby, ihre Leidenschaft und kostet doch auch!
7/
Ich liebe meine Mutter.
Und ich sehe ein, dass es ihre Entscheidung ist, dass es schwer ist und beängstigend.
Und ich sehe, wie #Altersarmut bei Frauen weiter kaum eine öffentliche Rolle spielt und könnte schreien.
Das war's schon.
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Nee, war's noch nicht, sorry.
Ich hasse diesen Thread.
Ich hasse es, ihn geschrieben zu haben, hasse es, ihn habe schreiben müssen, um mir ein bisschen des Gefühls raus zu schreiben, was in mir wütet.
Die Scheiße tut weh.
Und vielleicht ist das halt jetzt so.
Fin.
Nachtrag:
Habe lange überlegt, ob ich das so schreibe und stehen lasse.
Das ist sehr persönlich.
Das muss es aber vermutlich, weil dieses Thema politische Ursachen und zutiefst persönliche Konsequenzen hat.
Noch ein (vielleicht) letzter Nachtrag:
Meine Mutter ist eine großartige Frau, intelligent, neugierig, lebensfroh, empathisch bis zuletzt, mit vielfältigen Interessen und einem tollen Humor.
Sie auf den Mist, und was das für sie bedeutet, zu reduzieren, wäre grundfalsch.
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Da liegt jetzt dieses Kind im Schlafzimmer, das ohne Probleme, voller Verständnis & Akzeptanz fast 2 Jahre lang jede beschissene Wendung, jede neue Regel mitgetragen hat, ertragen hat, was zu ertragen war und mehr.
Und fiebert hoch, weil sie sich in der Schule angesteckt hat.
Weil sich Politiker:innen von Kapitalinteressen und Lobbytätigkeiten ablenken lassen und den so hehren Vorsatz, zum Wohle des Volkes sein Diener zu sein, an die Meistbietenden verscherbeln und die Gesundheit, körperlich wie emotional, der Kinder als Goodie obendrauf packen.
Weil sich Eltern nicht zu blöde dafür sind, allesamt geimpft - mit Ausnahme des Kindes natürlich - fröhlich munter Partys zu feiern.
Mit dem Kind natürlich.
Ihnen wichtig ist, dass Klausuren geschrieben werden und sie zur Arbeit können, nicht etwa, dass ihr Kind gesund bleibt.