Thread by @kaffeecup

Aus aktuellem Anlass.

Weil sich unsere Politik seit Monaten von radikalen Querdullis, Corona-Leugnern und bockigen Actimel-Anitas vor sich hertreiben lässt und dank AfD, BILD und Konsorten unter anderem das kurzzeitige Tragen eines Stückchen Stoffs, das nachweislich

das Ansteckungs-Risiko deutlich verringert, erfolgreich als "Freiheitsraub" und "Hygiene-Diktatur" geframed wurde, sollen Ende März sämtliche Maßnahmen fallen – man plant den „Freedom Day“. Ohne hoffentlich neue Corona-Varianten werden wir also vermutlich einen "normalen"

Sommer erleben – bevor wir einmal mehr weitestgehend ungeschützt und dümmlich-überrascht in den Herbst stolpern. Same procedure as every year! Wussten wir ja alles nicht, konnte keiner ahnen. Da hätten wir uns früher Warnungen gewünscht. Spoileralarm:

Auch im Herbst wird die Impfquote in Deutschland bei einer sehr alten Bevölkerung noch sehr niedrig sein. Zu niedrig. Dumm gelaufen, aber an einer allgemeinen Impfpflicht wollte sich schließlich niemand die politischen Finger verbrennen, Stichwort Landtagswahlen.

Und dank Hetzorchester "Bild" wissen wir längst: Die Intensivstationen waren ja nie ausgelastet, alles nur Panikmache, alles tipp topp in der Pflege! Omicron ist mild, basta. Und überhaupt: Eine Impfpflicht hilft uns jetzt (im Februar) eh nicht, sondern frühestens

in ein paar Monaten (Moment, also genau im Herbst?!). Wie es dann kommen wird? Nun ja, diejenigen, die bislang schon am meisten unter der Pandemie, den Maßnahmen und den falschen politischen Entscheidungen gelitten haben – Kinder, pflegebedürftige Menschen

in Heimen, Risikopatienten und zahlreiche mehr – werden auch im dritten Jahr damit vertröstet, dass JETZT eben alle Opfer bringen müssen. Dass wir uns "solidarisch" gegenseitig schützen sollen. Und, dass Kinder eben auch im dritten Herbst auf nahezu alles verzichten dürfen.

Nur in die Schule geht es gefälligst, weil die Eltern ja weiter zur Arbeit müssen. Luftfilter? Ne, waren zu teuer und irgendwie hatten wir auch keine Zeit dafür, waren ja wie gesagt Landtagswahlen, sorry. Und mit digitalem Unterricht haben wir es in diesem Land leider auch nicht

unbedingt. Also fordert die Politik wieder alle Vernünftigen dazu auf, "sich nochmal für ein paar anstrengende Wochen zusammenzureißen". Damit Weihnachten dann dafür umso schöner wird! Kleine Gastrobetriebe werden wie schon in den Jahren zuvor gemeinsam mit Kunst und Kultur

die Ersten sein, die geschlossen werden. Flatten the Curve! Und während sich die eh schon unwiederbringlich von der Gesellschaft abgespaltenen Querdullis und Corona-Leugner mit der AfD als ihrem parlamentarischen Arm weiter und weiter radikalisieren,

fällt es auch den letzten Vernünftigen von Tag zu Tag schwerer, irgendwie vernünftig zu bleiben. Vernünftige, die bisher nicht von Gates, DDR 2.0, Aluhut-Verschwörung oder Diktatur fabuliert haben. Die alles ertragen, ja sogar bewusst mitgetragen haben, drei verdammte Jahre lang!

Denen eine funktionierende und vor allem solidarische Gemein- und Gesellschaft wichtiger waren als Après-Ski in Ischgl oder All-Inclusive auf Malle. Die wirklich daran geglaubt haben, dass "alles wieder gut" wird. Und ja, vielleicht sogar wieder ein bisschen wie vor Corona.

Und das ist bei allen Einschränkungen das Schlimmste:

Dass man dank der Pandemie nun ganz genau weiß, dass eben nicht die Vernünftigen oder zumindest die Ehrlichen den Ton angeben. Dass nicht auf die Wissenschaft gehört wird, sondern rein auf das eigene politische Kalkül und den

eigenen Geldbeutel, Stichwort "ist ja nicht verboten"-Maskendeals. Dass man möglichst schrill, dumpf, lautstark, dreist und schlicht dämlich auftreten muss, um Gehör zu finden. Mit Fackeln vor Wohnhäusern aufmarschieren – oder mit den schäumenden Brandstiftern der AfD

ein Virus verharmlosen oder gar leugnen zum Beispiel. Oder sich auf öffentlicher Bühne als "Jana aus Kassel" allen Ernstes mit Sophie Scholl zu vergleichen oder als selbst ernannte "Querdenker" die Maßnahmen zur Eindämmung eines Virus mit dem Holocaust

und der millionenfachen Verfolgung und Ermordung von Menschen.

Das ist es, was wir aus der Pandemie bisher wirklich gelernt haben. Und natürlich, dass die Würde des Spargels, des Profi-Fussballs und des Billigfleischs unantastbar sind. Genauso wie offensichtlich die

miesen und unsäglichen Arbeitsbedingungen in der Pflege, für die es aber ja zumindest kurzzeitig warme Worte und Applaus von den Balkonen gab.

Viel Glück!