Ich wurde ein paar mal gefragt, was denn die Worst Case Szenarien wären, auf die Russland sich einstellen muss, falls sie den Krieg verlieren. Sie sind weitaus weitreichender, als die meisten glauben.
Ein Thread: Tag der Niederlage könnte russische Dominojahre auslösen.
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Szenarien analysieren Basiseffekte. Nach einer Niederlage leidet Russland unter zwei Effekten:
1. Das Leben in Russland wird weniger lebenswert 2. Die militärische Macht Russlands wird ein Mythos der Vergangenheit
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Zu 1. Russland wird ärmer, unfreier, hoffnungsloser. Und damit auch instabiler. Für alle Kriminellen, die sich in Russland und am Rande Russlands eingerichtet haben,
a) wird das konkrete Leben schwerer,
b) aber auch die Gewissheit, dass Putin sie schützen kann, sinkt.
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Zu 2. Viele der (autonomen) Republiken Russlands wollten in den 90ern unabhängig werden, sind aber vor dem Sowjetischen Militär eingeknickt. Tschetschenien nicht, und an ihnen wurde ein Exempel statuiert.
a) sowohl wenn Putin stark bleibt: Ein Leben außerhalb der Sanktionen ist attraktiver.
b) Als auch, wenn Putin schwach wird: Eine potenziell demokratischere Regierung in Moskau könnte kleptokratische lokale Herrschafts-Strukturen angreifen.
6/15
Und diese Analyse betrachtet nur die Herrschenden. Auch die Bürgerinnen und Bürger der russischen Republiken könnten ihre historische Chance sehen, die sich nur alle 100 Jahre bietet, und aufbegehren. Gegen Moskau *und* lokale Kleptokraten.
7/15
Kluge Kleptokraten würden sich lieber selbst an die Spitze eines solchen Sturms setzen, als gegen den Sturm der Geschichte anzukommen. Timing is everything, und wer zuerst handelt, wird belohnt.
8/15
Ein Dominoeffekt könnte entstehen, denn gerade, wenn alle Republiken das gleichzeitig machen, wäre die Zentralmacht überfordert und das würde die Anreize für Nachahmer erhöhen. Je mehr, desto mehr gelingen auch.
9/15
Für Putin und seine Elite geht es meines Erachtens also um Alles. Auch ein Palastcoup würde die beschriebenen Probleme erzeugen. Die sind zwar nicht vollkommen unlösbar, aber eine Mammutaufgabe.
10/15
Die von den Zaren über Jahrhunderte gebaute Kolonialmacht Russland könnte also Fliehkräfte entwickeln, wie sie zuletzt 1993 bestanden. Nur dieses Mal ohne den Mythos eines starken Sowjetischen Militärs.
11/15
Für die Welt würde das bedeuten, dass Russland in eine Periode schwerer innerer Konflikte abgleitet, bei denen in mehreren Regionen mit unterschiedlichen Interessen sogar Nuklearwaffen stationiert sind.
12/15
Das Auseinanderbrechen der Sowjetunion konnte 1992 bis 1995 international erstaunlich friedlich moderiert werden. Die politische Aufgabe wäre, dass diese Übung beim Moderieren der russischen Fliehkräfte erneut gelingt.
13/15
Diese Analyse ist mE auch der Grund dafür, warum der Kreml gar nicht anders kann, als diesen Konflikt *rasch* für sich entscheiden zu wollen. Putin hat ohne Not die Existenz Russlands aufs Spiel gesetzt, und der Mythos der russischen Armee schmilzt mit jeder Woche mehr.
14/15
Nota bene: Ich sage nicht, dass alle russischen Republiken aufbegehren werden, und schon gar nicht, dass es allen gelingt. Ich sage, dass die Fliehkräfte enorm zunehmen werden und auf Russland eine gigantische politische Aufgabe nach einer Niederlage in der Ukraine wartet.
15/15
PS: Diese Effekte *können* auch vor einer offiziellen Niederlage in der Ukraine eintreten, nämlich wenn die Akteure *glauben*, dass sie irgendwann kommt.
Das Signal dafür wäre mE wenn Kadyrov seine Tschetschenischen Truppen nach Hause holt. Das ist der erste Dominostein.
16/15
PPS: Ironischerweise würde Putin als Folge eines Ukraine-Debakels dann zur bösen Version des von ihm verachteten Gorbatschow werden, statt zur "guten" Version des von ihm verehrten Stalins.
Im Russischen Fernsehen, einer der top Propaganda-Sendungen wird in glasklaren Worten dargelegt, dass jeder Nicht-Sieg gegen Zelensky den finalen Countdown für den russischen Staat auslöst. Ich stimme zu, aber wtf.
Die Lage in Israel ist beispiellos. Niemand weiß, wofür die Hamas angriff - und wie sich Israel nun entwickeln wird. Ein Thread 🧵zur entscheidenden Rolle von Netanyahu und zur Gefahr von Terror auch im Ausland.
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Zunächst: Die Hamas. Jede Terrororganisation braucht Terror, um zu existieren. Angriffe auf den Gaza-Streifen verursachen Leid; und dieses Leid verschafft der Hamas politische Macht - im Inneren.
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Gleichzeitig erinnert das Massaker an Zivilisten in Israel eher das Vorgehen von ISIS als an einen Unabhängigkeitskampf. Es wird dafür sorgen, dass niemand bedeutsames die Hamas ernsthaft verteidigen wird.
Zunächst der Klassiker: Attack the Accuser, den Angriff abschwächen.
Das Ziel: Leute sollen ihn nicht allzu ernst nehmen. Hier soll nur Unruhe gestiftet und abgelenkt werden.
Aber: Wofür möchte die ZEIT "Unruhe" stiften? Was ist das "Wesentliche"?
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Diese Verteidigung macht mich neugieriger. Offenbar wissen die #Springer-Kreise schon, wofür die @DIEZEIT das macht.
Besser wäre gewesen: "Die ZEIT hat private SMS auf die Türschwelle gelegt bekommen und ist nun Handlanger eines Dritten. Das ist kein Journalismus."
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Ich bin ersetzbar. So grundsätzlich ist das jeder. Aber GPT-4 verändert die Lage erheblich. Denn GPT-4 bedeutet, dass ich teilweise durch mich selbst ersetzbar bin. Ich habe Bing gebeten, unsere "PR-Werkstatt Krisenkommunikation" zu lesen und die Erkenntnisse anzuwenden. 1/9
Die Inhalte der PR-Werkstatt haben wir erarbeitet, und sie müssen eigentlich gekauft werden. Bing sucht nach "pdf" und greift trotzdem darauf zu. Und dann wendet Bing es an - in einer Qualität, die ich bei uns auch von einer Senior bei uns erwarten würde. 2/9
Natürlich ist noch ein weiter Weg vom Vorschlag zur Umsetzung. Insbesondere die heikle Aufgabe, einen Krisenstab zu managen ist leichter gesagt als getan. 3/9
Ich weiß nicht, wie es euch geht - der Krieg wirkt für mich zunehmend unübersichtlich. Beim Krisenmanagement würde ich jetzt die Basismotivationen aller Beteiligten analysieren, um dann Szenarien abzuleiten. Was also haben alle offenbart? 1/28
Die relevanten Akteure aus meiner Sicht: Russland, China, USA, EU und die Ukraine.
tl;dr: Die einen haben ein Interesse an einem langen Krieg (Russland, China), die anderen den Willen, nicht aufzugeben (USA, Ukraine), und wieder andere keine Wahl (EU). 2/28
1. Zunächst: Putin.
Er will durchhalten, bis der politische Wille der NATO schwindet. Daran arbeitet der FSB hart. Grundsätzlich muss Russland dafür nur nicht aufgeben - die Ukraine ist nicht stark genug, die Russen vollkommen zu vertreiben.
Das gilt auch für die subjektive Zugehörigkeit zu einer Schicht. Volksparteien sind eben Volksparteien und keine Hochschulabschlussparteien.
In einer Demokratie ist jede Stimme gleich viel wert. Es einer Partei negativ auszulegen, sich auch auf die Interessem derjenigen zu fokussieren, die weniger Glück hatten, halte ich für Snobistisch.