Ihre Studie hat Hand und Fuß. Beispiele für ihre These gibt es Dutzende:
* Pol Pots Kambodscha kämpfte gegen Vietnam obwohl es offiziell keine Währung mehr hatte
* Japan erklärte den USA 1941 den Krieg *nach* einem Öl-Embargo des Westens
* Nordkorea konnte Atomwaffen bauen
Wenn ein Land Krieg führen will, führt es diesen Krieg solange es kann.
Notfalls bis zur totalen Kapitulation, das müssen wir in Deutschland niemandem erklären.
Hier Goebbels, der zur Verteidigung Berlins aufruft 1945
Gleichzeitig treffen Sanktionen immer „die Falschen“ – es sind nicht Putin und seine KGB-Oligarchen, die sich gerade in russischen Supermärkten um Zucker streiten müssen. Sie können auch mit 30 Prozent Inflation umgehen.
Die normale russische Bevölkerung kann es nicht.
„Ja, egal“, sagen da viele. „Wer Wind sät, soll Sturm ernten“. Die russische Bevölkerung unterstützt den Krieg, also brauchen wir kein Mitleid haben.
Ist eine moralisch fragwürdige Aussage, stimmt vermutlich auf rationaler Ebene ABER....
Wenn das so ist, wie passt das mit der Hoffnung zusammen, dass die Sanktionen dabei helfen, Putin zu stürzen?
Flankiert von staatlicher Propaganda versammeln sich Russen und Russinnen hinter Putin. Die Sanktionen untergraben Putins Macht nicht. Sie stärken sie.
Wert haben Sanktionen trotzdem: Als Symbol an den Rest der Welt, dass der Westen geeint und entschlossen auftreten kann, wenn es zu Normbrüchen kommt. (China, Taiwan 👀)
Hört man auf Sanktionsforscher wie @njtmulder erreichen Sanktionen ihre Ziele nur in 30 Prozent der Fälle. Und diese Ziele sind viel kleiner als die jetzigen des Westens.
Je ambitionierter das Ziel, desto unwahrscheinlicher, dass es erreicht wird.
Noch nie in der Geschichte haben Sanktionen „ein Land gekillt" oder zu seinem Zusammenbruch geführt.
Threads wie dieser sind Wunschdenken. Kamil schreibt, was alle im Westen hören wollen.
(Auch wenn die Details natürlich sehr interessant sind.)
Sanktionen sind für den Westen oft billig zu haben, in dem Sinne, dass er selbst kaum darunter leidet.
Sie treffen eher die Mittelschicht als die Eliten in den sanktionierten Ländern und sind ineffektiv.
Kurzum: Sanktionen sind das Mittel der Wahl, aber erstaunlich nutzlos.
Wer jetzt „Aber Südafrikas Apartheid-Regime“ oder „Was ist mit der Sowjetunion?“ ruft – in beiden Fällen gab es in den Ländern bereits starke Bewegungen für Reform und Änderung. Im Fall der SU sogar von ganz oben: Gorbatschows Reformpolitik.
Das war ausschlaggebend.
Wenn Olaf Scholz nach dem Massaker von Butscha den Ukrainern wirklich helfen will, muss er die eine Kraft stärken, die bewiesen hat, dass sie die russische Militärmaschinerie aufhalten kann: die ukrainische Armee.
Nur die ukrainische Armee kann weitere Massaker verhindern – in dem sie möglichst viele Städte und Orte befreit.
Jetzt auch noch eine fünfte Runde Sanktionen zu erlassen, beeindruckt Putin hingegen nicht.
Niederlagen in Mariupol oder im Donbas aber vielleicht schon.
Sollte Russland nicht einmal dort seine militärischen Minimalziele erreichen und schmachvolle Niederlagen einstecken, könnte auch die Unterstützung für den Krieg in Russland bröckeln.
Denn schon einmal zog ein imperiales Russland in den Krieg gegen eine vermeintlich unterlegene Macht.
1905 holte es sich eine blutige Nase gegen die besser ausgebildeten japanischen Truppen.
Diese Niederlage führte zu Unruhen im Land und zum ersten Mal tauchte ein Mann auf. Sein Name: Wladimir Iljitsch Lenin.
Zwölf Jahre später vollendeten er und seine Revolutionäre, was sie begonnen hatten.
Russland war 1917 kein Zarenreich mehr.
FAZIT:
Sanktionen haben Wert. Aber nicht jenen, denen wir ihnen im Westen zuschreiben.
Sie treffen die Bevölkerung, nicht die Eliten. Sie werden Putin nicht besiegen und den Krieg nicht beenden. Das kann nur die ukrainische Armee.
PS Solche Analysen schreibe ich einmal die Woche in meinem Newsletter. Darin schaue ich genauer hin, wenn sich alle einig sind und suche die eine Perspektive, die fehlt. Und immer dabei: das gute Meme.
Sehe ich das richtig: Die Gesellschaft, die seit Jahrzehnten kein Tempolimit hinkiegt, soll jetzt also von heute auf Morgen auf russisches Öl und Gas verzichten?
Thing is: Swift, Sanktionen gegen Zentralbank und selbst Waffenlieferungen spürt im Grunde niemand im Alltag. Das waren politisch billige Maßnahmen.
Öl- und Gasboykott sind z.T. effektivere Maßnahmen, aber auch deutlich teurer für jeden Einzelnen.
Wer den Importstopp fordert, muss eine Idee haben, wie er Millionen Menschen dafür begeistert, zu verzichten. Ja, "begeistern", alles andere wäre politischer Selbstmord.
Was stellt sich Putin vor? Dass seine eigene Bevölkerung die Kosten dafür gerne trägt? Dass die Ukrainer alle Russen werden? Dass die Welt diesen Aggressionskrieg vergisst?
Heute ist Putin auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Morgen beginnt sein langer Abstieg.
EU wird zusammenrücken, evtl in Organisationsunion mit Nato den Kontinent vereinen. Wer jetzt nicht Mitglied ist, will es schnell werden. EU-Länder werden aufrüsten, in der Hard Power wie Soft Power.